Ermäßigter Steuersatz für Stadtrundfahrten im nachträglich genehmigten Linienverkehr

Der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG kommt auch dann in Betracht, wenn die nach dem Personenbeförderungsgesetz erforderliche Genehmigung mit Kraftfahrzeugen im Linienverkehr rückwirkend erteilt wird.

BFH Urteil vom 18.11.2015 – XI 32/14 BFH/NV 2016, 789

Sachverhalt:

Die vormals dafür zuständige Senatsverwaltung erteilte der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH & Co. KG, am 28. März 2000 die bis zum 30. März 2005 befristete Genehmigung, in … sog. „Open-Door-Stadtrundfahrten” (Stadtrundfahrten), bei denen die Fahrgäste an verschiedenen über das Stadtgebiet verteilten Haltestellen ein- und aussteigen können, durchzuführen.

Noch am selben Tag beantragte die Klägerin, die ihr erteilte Genehmigung auf die „… OHG” (B), die heutige „… GmbH & Co. KG”, zu übertragen. Dem kam die Senatsverwaltung mit Verfügung vom 19. Juli 2000 nach. Am 23. März 2005 genehmigte die nunmehr zuständige Behörde (Landesamt) der B (erneut) die Durchführung von Stadtrundfahrten für den Zeitraum vom 1. April 2005 bis 31. März 2013.

Die Klägerin führte (ab dem 1. Januar 2002 und auch) in den Streitjahren 2005 bis 2011 die in Rede stehenden Stadtrundfahrten durch und unterwarf die Umsätze in den entsprechenden Umsatzsteuererklärungen dem ermäßigten Steuersatz.

Begründung:

Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die von der Klägerin ausgeführten Beförderungsumsätze nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Die Vorentscheidung ist, soweit das FG über die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2010 und 2011 entschieden hat, bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil ihr nach Ergehen der die Umsatzsteuer für 2010 und 2011 betreffenden Änderungsbescheide vom 18. November 2014 nicht mehr existierende Bescheide zugrunde liegen.

Die Steuer betrug nach § 12 Abs. 1 UStG für jeden steuerpflichtigen Umsatz in den Streitjahren 2005 und 2006 16 % und in den Streitjahren 2007 bis 2011 19 % der Bemessungsgrundlage.

Beförderungen von Personen … im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen … aa) innerhalb einer Gemeinde oder bb) wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt”.

Diese Voraussetzungen der selektiven Anwendung des ermäßigten Steuersatzes sind hinsichtlich der Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG a.F. erfüllt. Denn die nur für die Personenbeförderung im genehmigten Linienverkehr geltende Betriebs- und Beförderungspflicht nach §§ 21, 22 PBefG ist geeignet, unterschiedliche Leistungen zu kennzeichnen, so dass diese Tätigkeit einen konkreten und spezifischen Aspekt der genannten Kategorie darstellen kann. Die selektive Anwendung der Ermächtigung zur Einführung eines ermäßigten Steuersatzes hinsichtlich der begünstigten Personenbeförderungen im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen verstößt zudem nicht gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Aus maßgeblicher Sicht des Durchschnittsverbrauchers ist ein Unterschied zwischen Stadtrundfahrten, die im genehmigten Linienverkehr mit Betriebs- und Beförderungspflichten und solchen, die ohne diese Pflichten nicht im genehmigten Linienverkehr durchgeführt werden, gegeben.

Die Klägerin hat in den Streitjahren dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Beförderungsleistungen i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG a.F. ausgeführt. Die streitbefangenen Stadtrundfahrten dienten der Beförderung von Personen. Denn die Klägerin hat Personen mit Kraftfahrzeugen als Beförderungsmittel fortbewegt Die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG a.F. setzte ferner eine Personenbeförderung „im genehmigten Linienverkehr” im verkehrsrechtlichen Sinne voraus. Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Die Klägerin hat die in Rede stehenden Stadtrundfahrten im genehmigten Linienverkehr ausgeführt. Denn die zugunsten der Klägerin gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 43 PBefG erteilte Genehmigung des Landesamts vom 19. November 2012 zur Übertragung der Betriebsführung des bereits der B genehmigten Linienverkehrs wirkt auf die Streitjahre zurück.