Steuerbefreiung für ein Familienheim trotz verzögerter Selbstnutzung

Ein Familienheim i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG setzt u.a. voraus, dass der begünstigte Erwerber nach dem Erbfall die in einem bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG befindliche Wohnung unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmt. Dazu muss der Erwerber innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzung der Wohnung fassen und durch den Einzug in die Wohnung tatsächlich umsetzen.

Erwirbt ein Miterbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses das Alleineigentum an einem Familienheim i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG oder an einem zu Wohnzwecken vermieteten Grundstück i.S. des § 13c Abs. 3 ErbStG, erhöht sich sein begünstigtes Vermögen unabhängig davon, ob die Vereinbarung über die Erbauseinandersetzung zeitnah, d.h. innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgt.

BFH Urteil vom 23.6.2015, II R 39/13

Begründung (BFH):

Mit Urteil vom 23. Juni 2015 hat der II. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass Kinder des Erblassers ein vom Erblasser zu Wohnzwecken genutztes Familienheim steuerfrei erwerben können, wenn sie innerhalb angemessener Zeit nach dem Erbfall die Absicht fassen, das Familienheim selbst für eigene Wohnzwecke zu nutzen, und diese Absicht durch den Einzug auch tatsächlich umsetzen. Erwirbt ein Kind als Miterbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses über seinen Erbteil hinaus das Alleineigentum an dem Familienheim, erhöht sich sein steuerbegünstigtes Vermögen unabhängig davon, ob die Vereinbarung über die Erbauseinandersetzung zeitnah, d.h. innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgt.

Der Kläger und seine Schwester waren je zur Hälfte Miterben ihres Ende 2010 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte ein Zweifamilienhaus. Eine Wohnung war vom Vater und der Schwester gemeinsam genutzt worden; eine Wohnung war fremdvermietet. Ende 2011 zog der Kläger mit seiner Ehefrau in die vormalige Wohnung des Vaters ein. Bei der Erbauseinandersetzung im März 2012 erhielt der Kläger dann das Alleineigentum an dem Zweifamilienhaus. Das Finanzamt gewährte die Steuerbefreiung für die selbstgenutzte Wohnung nur entsprechend dem Erbteil des Klägers und damit nur zur Hälfte.

Der BFH folgte der Rechtsauffassung des Finanzgerichts, dass die Steuerbegünstigung in voller Höhe, also auch für den erst im Rahmen der Erbauseinandersetzung erworbenen Anteil am Zweifamilienhaus zu berücksichtigen sei. Dem Kläger stehe die Steuerbefreiung für die selbstgenutzte Wohnung zu, weil er ca. ein Jahr nach dem Erbfall und damit innerhalb angemessener Zeit eingezogen sei. Eine unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung könne auch vorliegen, wenn die Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten nach dem Erbfall genutzt werde. Die Gründe für die verzögerte Nutzung der Wohnung müssten in einem solchen Fall aber dargelegt werden. Unschädlich sei, dass die Erbauseinandersetzung erst über ein Jahr nach dem Erbfall erfolgt sei.

 

Die gleichen Grundsätze gelten nach der Entscheidung des BFH auch für die vermietete Wohnung. Der verminderte Wertansatz war ebenfalls nicht von einer zeitnahen Erbauseinandersetzung abhängig.

Steuerbefreiung bei Vergütungen für Rettungshelfer, die im sogenannten Hintergrunddienst von Hausnotrufbetreibern

Vergütungen für Rettungshelfer, die im sogenannten Hintergrunddienst von Hausnotrufbetreibern nebenberuflich tätig sind, unterfallen bis zu der gesetzlich geregelten Höchstgrenze uneingeschränkt der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26 EStG.

FG Köln Urteil vom 25.2.2015, 3 K 1350/12  .

Begründung (FG):

Geklagt hatte ein gemeinnütziger Verband der freien Wohlfahrtspflege, der nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung für seine im Hintergrunddienst des Hausnotrufes tätigen ehrenamtlichen Rettungshelfer ca. 50.000 Euro Lohnsteuer nachzahlen sollte. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass die Steuervergünstigung nach § 3 Nr. 26 EStG nur für den Anteil der Vergütung gewährt werden könne, der auf tatsächliche Rettungseinsätze entfalle. Bereitschaftszeiten seien nicht begünstigt, weil insoweit keine Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen erfolge.

Dem folgte der 3. Senat nicht und gewährte die Steuerbefreiung auch in Bezug auf die Bereitschaftszeiten. Eine Differenzierung zwischen Einsatzzeiten und Bereitschaftszeiten verbiete sich nach Auffassung des Senats schon deshalb, weil das Sich-Bereithalten unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung der Rettungseinsätze sei.

Der 3. Senat stellte in seiner Entscheidung außerdem klar, dass die Steuerbefreiung für nebenberufliche Tätigkeiten gemäß § 3 Nr. 26 EStG auch dann zur Anwendung komme, wenn der – nebenberufliche –  Helfer zwar mehr als ein Drittel der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs tätig wird, letztlich aber maximal den in § 3 Nr. 26 EStG genannten Höchstbetrag erhält.

Der 3. Senat hat die Revision zum BFH in München zugelassen.

Nach der aktuellen Fassung des § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG sind Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer unter § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke bis zur Höhe von insgesamt 2.400 Euro im Jahr steuerfrei.

Hinweis auf die Steuerbefreiung einer Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung bei einem aus mehreren Abrechnungsteilen bestehenden Rechnungsdokument

Hinweis auf die Steuerbefreiung einer Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung bei einem aus mehreren Abrechnungsteilen bestehenden Rechnungsdokument

Leitsatz

Hinweis auf die Steuerbefreiung einer Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung bei einem aus mehreren Abrechnungsteilen bestehenden Rechnungsdokument.

BFH Urteil vom 26.11.2014, XI R 37/12

Begründung:

Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG), wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), wenn der Abnehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, b oder c UStG erfüllt und wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (§ 6a Abs. 4 Satz 1 UStG.

Die PKW-Lieferungen an die A sind gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln. Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) nachkommt. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schütz. Diese Voraussetzungen liegen für die PKW-Lieferungen an die A vor. Die Klägerin hat insoweit –anders als es das FA meint– den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV erforderlichen Belegnachweis erbracht. Die ursprünglichen Rechnungen vom 1. bzw. 20. Februar 2006 entsprechen den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG. Der gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderliche Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung (fehlt diesen Rechnungen entgegen der Auffassung des FA nicht.

Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG muss eine Rechnung die dort aufgeführten Angaben enthalten. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine Rechnung jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird.

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war der Hinweis auf die Steuerfreiheit der PKW-Lieferungen an die A jeweils in den Rechnungen enthalten. Das FG hat auf Seite 4 und 21 seines Urteils sowie durch Bezugnahme festgestellt, dass der mit “Anlage zur Rechnung” überschriebene Teil der Abrechnung einen Verweis auf die Rechnungsnummer, das Rechnungsdatum, die genaue Bezeichnung des gelieferten PKW einschließlich Marke, Fahrzeugtyp und Fahrzeug-Identifizierungsnummer sowie insbesondere neben dem Hinweis “Bestätigung innergemeinschaftlicher Lieferung” auch die Versicherung, “dass der gekaufte Gegenstand in einen anderen EG-Mitgliedstaat (Österreich) befördert wird”, enthielt. Aufgrund des dadurch gegebenen engen Bezugs zu dem mit “Rechnung” überschriebenen Teil der Abrechnung, der einen “Exportpreis netto: EUR 159.000,–” auswies, bildeten die genannten Erklärungen ein einheitliches Dokument über die Abrechnung der PKW-Lieferungen und mithin in ihrer Gesamtheit das Rechnungsdokument über die jeweilige PKW-Lieferung an die A. Da in dem mit “Rechnung” überschriebenen Abrechnungsteil keine Umsatzsteuer enthalten ist und der mit “Anlage zur Rechnung” überschriebene Abrechnungsteil auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung hinweist, enthält das Rechnungsdokument den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung.

Weil die mit “Rechnung” bzw. “Anlage zur Rechnung” überschriebenen Abrechnungsteile eine einheitliche Rechnung bilden, greift auch nicht § 14 Abs. 6 Nr. 2 UStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV, wonach bei aus mehreren Dokumenten bestehenden Rechnungen in einem dieser Dokumente u.a. alle anderen Dokumente zu bezeichnen sind, aus denen sich die übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG ergeben.  Das FG hat seine Würdigung, die Klägerin habe die mögliche Unrichtigkeit der von X gemachten Angaben zum Bestimmungsort auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können, insbesondere darauf gestützt, dass die Klägerin sich durch eine qualifizierte Bestätigungsabfrage nach § 18e UStG der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des X versichert habe und dass die Verwendung roter Fahrzeugkennzeichen anderer Händler ein branchenübliches Verhalten gewesen sei, das kein grundlegendes Misstrauen gegenüber dem Abnehmer begründen können.

Für die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI hat das FG die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung zu Unrecht bejaht. Es steht –entgegen der Auffassung des FG– nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da die Identität des Abnehmers der PKW-Lieferung ungeklärt ist. Zwar ist die Ansicht des FG, dass der gegenüber der Klägerin handelnde Abnehmer der Lieferung den Transport des PKW nach Spanien durch eine Spedition veranlasst habe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) führt, bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht. Dementsprechend war Abnehmer die Person, deren Identifizierung nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht möglich ist.

Denn die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung setzt voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers (“Erwerbers”) dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel nicht erreicht werden kann, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist. Die Zulassung des PKW im Bestimmungsland auf eine andere Person als den Abnehmer reicht ebenfalls nicht aus, um davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung objektiv zweifelsfrei feststehen; denn nach der Rechtsprechung des BFH ergibt sich daraus nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerbefreiung beansprucht wird.

Die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI ist auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfrei anzusehen, weil die Klägerin die von ihr für die PKW-Lieferung an die B beanspruchte Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht –wie erforderlich– entsprechend § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachgewiesen hat. Zudem fehlen –wie bereits ausgeführt– Feststellungen dazu, wer der wirkliche Abnehmer des PKW ist und ggf. welchem Unternehmer die Versendung zuzurechnen ist. Die vollständige Erbringung des Beleg- und Buchnachweises verlangt jedoch auch Angaben zur Identität des Abholers.

Zeitliche Grenze der Rücknahme des Verzichts auf Steuerbefreiungen

Der Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG kann zurückgenommen werden, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar ist (Klarstellung der Rechtsprechung).

BFH Urteil vom 19.12.2013, V R 6/12

Begründung:

Hatte der Unternehmer auf die Steuerfreiheit des Umsatzes dadurch verzichtet, dass er dem Leistungsempfänger den Umsatz unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnung gestellt hatte, kann er den Verzicht nur dadurch rückgängig machen, dass er dem Leistungsempfänger eine berichtigte Rechnung ohne Umsatzsteuer erteilt

Im Streitfall ist der Verzicht durch Übersenden einer neuen Rechnung ohne Umsatzsteuerausweis am 23. Dezember 1997 formal zutreffend rückgängig gemacht worden.

Die Rücknahme des Verzichts war auch in zeitlicher Hinsicht wirksam. Der Verzicht auf Steuerbefreiungen nach § 9 UStG kann zurückgenommen werden, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder aufgrund eines Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 AO noch änderbar ist. Soweit die bisherige Senatsrechtsprechung dahingehend verstanden werden konnte, dass die Rücknahme des Verzichts nur bis zur formellen Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung des Leistenden zulässig ist, hält der Senat daran nicht fest (Klarstellung der Rechtsprechung).

Nach allgemeiner Ansicht kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung wieder rückgängig gemacht werden

 

Zur Steuerbefreiung heilberuflicher Leistungen

Die Rechtsfrage, ob die Steuerbefreiung heilberuflicher Leistungen analog § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG auf infrastrukturelle Leistungen von einem Arzt oder einer ärztlichen Gemeinschaft an einen anderen Arzt zur unmittelbaren Durchführung ärztlicher Leistungen zu gewähren ist, ist weder klärungsbedürftig noch wäre sie in einem Revisionsverfahren klärbar.
BFH
Beschluss vom 29.10.2013 – V B 58/13 BFHNV 2014 S. 289

Begründung:

Nach § 4 Nr. 14 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999 in der im Streitjahr geltenden Fassung sind steuerfrei auch die sonstigen Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in Satz 1 bezeichneten Berufe sind, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach Satz 1 steuerfreien Umsätze verwendet werden. Im Streitfall hat das FG das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu Recht mit der Begründung verneint, dass die streitgegenständlichen Leistungen nicht von einer Gemeinschaft erbracht wurden, deren Mitglied der Leistungsempfänger (Dr. G) war, sondern im Rahmen eines Leistungsaustausches nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Der Praxisgemeinschaftsvertrag vom 22. April 2004 bildete die schuldrechtliche Vertragsbeziehung zwischen den Beteiligten des Leistungsaustausches. In den §§ 6 und 10 dieses Vertrags ist die Klägerin als Leistende und Dr. G als Leistungsempfänger für das Recht zur Mitnutzung der Praxisräume und die Inanspruchnahme der Dienste des nichtärztlichen Personals bezeichnet worden.

Die von der Klägerin mit ihrer ersten Rechtsfrage befürwortete analoge Anwendung des § 4 Nr. 14 Satz 2 UStG auf infrastrukturelle Leistungen einer ärztlichen Gemeinschaft an einen anderen Arzt ist nicht klärungsbedürftig, weil sie offenkundig so beantwortet werden muss, wie es das FG getan hat.

 

Steuerbefreiung nach § 4 S. 1 Nr. 16 k UStG für Kurse für Angehörige von Demezerkrankten.

Das Durchführen von Kursen für Angehörige von Demenzkranken sind nach § 4 S. 1 Nr. 16 k UStG steuerfrei sofern diese im Auftrag eines Sozialversicherers durchgeführt wurden.

Niedersächsisches Finanzgericht 16. Senat, Urteil vom 19.04.2013, 16 K 239/12

Begründung (FG):

Der angefochtene Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Januar 2012 vom 28. März 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FA hat die Umsätze der Klägerin zu Unrecht der Umsatzsteuer unterworfen.

Die Umsätze aus den von Klägerin durchgeführten Kursen für Angehörige von Demenzerkrankten sind jedenfalls nach richtlinienkonformer Auslegung des § 4 S. 1 Nr. 16k UStG steuerfrei.

Nach § 4 S. 1 Nr. 16k UStG 2009 sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen steuerfrei „ die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen, die von Einrichtungen, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind, erbracht werden.“

Die Vorschrift soll Art. 132 Abs. 1 Buchst. g i.V.m. Art. 133 und 134 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) umsetzen.

Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g           MwStSystRL genügt es, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar

– zum einen, dass es sich um Leistungen handelt, die mit der Fürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden sind, und

–  zum anderen, dass diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind, erbracht werden.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Denn eng mit der sozialen Fürsorge verbunden sind alle in den Sozialgesetzbüchern nach Art und Umfang beschriebenen Leistungen

Die Klägerin hat die Kurse für Angehörige von Demenzerkrankten aufgrund einer Vereinbarung mit der einem Träger der Sozialversicherung (§ 12 und §§ 21, 21a SGB I), der B-GEK, erbracht. Grundlage für diese Vereinbarung war § 45 SGB XI, wonach Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen gesetzlich vorgesehen sind. Nach dieser Vorschrift sollen die Pflegekassen für Angehörige und sonstige an einer ehrenamtlichen Pflegetätigkeit interessierte Personen Schulungskurse unentgeltlich anbieten, um soziales Engagement im Bereich der Pflege zu fördern und zu stärken, Pflege und Betreuung  zu erleichtern und zu verbessern sowie pflegebedingte körperliche und seelische Belastungen zu mindern.  Die Kurse sollen Fertigkeiten für eine eigenständige Durchführung der Pflege vermitteln. Nach § 1 Abs. 1 SGB I (Allgemeiner Teil) soll das Recht des Sozialgesetzbuches zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer Hilfe gestalten.  Leistungen wie die von der Klägerin im Rahmen des § 45 SGB XI gegenüber der B-GEK erbrachten Leistungen sind danach eng mit der sozialen Fürsorge verbunden.

Der Begriff "Einrichtung" ist grundsätzlich weit genug, um auch private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht zu erfassen. Die Anerkennung eines Unternehmers als einer Einrichtung mit sozialem Charakter kann dabei insbesondere auch aus der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden. Maßgebend ist insoweit, dass es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, für die die Kosten von den Sozialversicherungsträgern übernehmbar waren.  Die Klägerin erbringt ihre Leistungen aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit der B-GEK und rechnet die Kosten mit dieser ab. Das genügt.

Nach dem oben zitierten Wortlaut von § 4 S. 1 Nr. 16k UStG  ist es nicht ausgeschlossen, Schulungskurse, die wie die der Klägerin im Auftrage einer Pflegekasse für Angehörige von Demenzerkrankten durchgeführt werden als eng mit Pflegeleistungen verbundene Umsätze und damit als steuerbefreit anzusehen. Die Kurse kommen – was zwischen den Beteiligten unstrittig ist – den Demenzerkrankten zu Gute und sind nach § 45 Abs.1 SGB XI vorgesehen. Dass unter die Befreiung des § 4 S. 1 Nr. 16k UStG, wie der Beklagte meint, ausschließlich Betreuungs- und Pflegeleistungen privater Altenheime fallen und dass die mit der Betreuung und Pflege steuerbefreiten eng verbundenen Leistungen direkt am Pflegebedürftigen selbst erbracht werden müssen, geht so aus der Vorschrift nicht hervor. Es ist daher Raum für eine richtlinienkonforme Auslegung, welche das oben gefundene Ergebnis, wonach die Klägerin für sich die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL in Anspruch nehmen kann, berücksichtigt. Danach ist es im Lichte der Richtlinie geboten, die von der Klägerin durchgeführten Kurse als eng mit Pflegeleistungen verbundene Umsätze i.S.v § 4 S. 1 Nr. 16k UStG anzusehen.  Dass die Gesundheitsprävention der Angehörigen in den Kursen mit im Fokus steht, ist dabei durch § 45 Abs. 1 SGB XI  und der hierzu zwischen der Klägerin und der B-GEK geschlossenen Rahmenvereinbarung mit abgedeckt und für eine effektive Betreuung und Pflege Demenzerkrankter im häuslichen Umfeld wie die Klägerin dem Gericht im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. April 2013 überzeugend dargetan hat auch zwingend erforderlich.

Die übrigen Voraussetzungen des § 4 S. 1 Nr. 16k UStG sind gegeben. Der Begriff der „Einrichtung“ ist von dem oben dargestellten gemeinschaftlichen Begriff der Einrichtung in Art. 132 MwStSystRL abgeleitet, so dass die Klägerin als natürliche Person hierunter fällt. Die Leistungen der Klägerin werden schließlich zu 100 % von der B-GEK, also einer gesetzlichen Trägerin der Sozialversicherung, vergütet, so dass es sich bei der Klägerin um eine sowohl von Art. 132 Buchst. g MwStSystRL als auch von § 4 S. 1 Nr. 16k UStG anerkannte Einrichtung handelt.

Das FA hat danach zu Unrecht den angefochtenen Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Januar 2012 erlassen.

 

Konkurrenzverhältnis mehrerer Steuerbefreiungen für den Vorsteuerabzug

Eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen, deren Lieferung im Inland ohne Recht zum Vorsteuerabzug steuerfrei wäre, berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug.

Offenbleibt, ob dies auch für den Fall der Ausfuhrlieferung gilt.

BFH Urteil vom 22.8.2013, V R 30/12

Begründung:

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet, ausgeschlossen..

Diese Vorschriften sind entsprechend Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG auszulegen. Danach ist der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

Neben dem Vorsteuerabzug für steuerpflichtige Leistungen gegen Entgelt ist der Unternehmer gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b UStG auch insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, als er Eingangsleistungen für Zwecke der dort aufgeführten steuerfreien Umsätze zu verwenden beabsichtigt. Zu diesen gehören die nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen, nicht aber z.B. die nach § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG steuerfreie Lieferung von menschlichem Blut im Inland.

Unionsrechtliche Grundlage hierfür ist Art. 17 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG. Danach gewähren die Mitgliedstaaten jedem Steuerpflichtigen den Abzug oder die Erstattung der in Abs. 2 genannten Mehrwertsteuer auch, soweit Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. g und i, Art. 15, Art. 16 Abs. 1 Teile B, C, D und E und Abs. 2 sowie Art. 28c Teile A und C der Richtlinie 77/388/EWG befreiten Umsätze verwendet werden. Zu den danach zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen gehören innergemeinschaftliche Lieferungen i.S. von Art. 28c der Richtlinie 77/388/EWG, nicht aber auch die Lieferung von menschlichem Blut, die nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist

Im Streitfall ist die Klägerin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wie das FG zutreffend unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2006 C-240/05, Eurodental (Slg. 2006, I-11479) entschieden hat. Bezieht der Unternehmer Leistungen für die innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen, deren Lieferung im Inland aber steuerfrei ist, hat der Unternehmer kein Recht auf Vorsteuerabzug.

Maßgeblich ist hierfür die Entscheidung des EuGH, dass, wenn die innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen ein Recht auf Vorsteuerabzug im Abgangsmitgliedstaat eröffnen würde, obwohl die Inlandslieferung dieses Gegenstandes steuerfrei ist, derartige Gegenstände in der Gemeinschaft unter vollständiger Befreiung von der Mehrwertsteuer geliefert werden könnten, da im Hinblick auf die Steuerfreiheit der Inlandslieferung auch der innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsmitgliedstaat gemäß Art. 28c Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG (im Inland: § 4b Nrn. 1 und 2 UStG) steuerfrei wäre und daher ein Vorsteuerabzug ohne Besteuerung auf der folgenden Stufe erfolgen würde (EuGH-Urteil Eurodental in Slg. 2006, I-11479 Rdnr. 40). Nach der Zielsetzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und der durch die Richtlinie 77/388/EWG eingeführten Regelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten kann aber "ein Steuerpflichtiger, dem eine Steuerbefreiung zugute kommt und der folglich nicht zum Abzug der innerhalb eines Mitgliedstaats gezahlten Vorsteuer berechtigt ist, dieses Recht auch dann nicht haben, wenn der betreffende Umsatz innergemeinschaftlichen Charakter hat"

Danach hat das FG zu Recht entschieden, dass die Klägerin im Streitfall nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Selbst wenn sie innergemeinschaftliche Lieferungen ausgeführt hat, die grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist entgegen der Auffassung der Klägerin der Vorsteuerabzug ausgeschlossen, weil die Lieferung von Blutplasma im Inland nach § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG steuerfrei ist.

 

 

Keine Steuerbefreiung für Firmenflugzeuge

Setzt ein Unternehmen ein eigenes Flugzeug für Flüge zu anderen Firmen und zu Messen ein, hat es keinen Anspruch auf Befreiung von der Mineralölsteuer für das in diesem Zusammenhang verwendete Mineralöl.

BFH Urteil vom 28.2.2012, VII R 9/09

Begründung (BFH)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch (Schluss-)Urteil vom 28. Februar 2012 VII R 9/09 entschieden, dass die Steuerbefreiung für Flugbenzin nur Luftfahrtunternehmen zusteht für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen oder Sachen oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen. Er hat damit die Vorgaben des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 1. Dezember 2011 C-79/10 umgesetzt.
Im Streitfall setzte ein Unternehmen, dessen Unternehmenszweck nicht im gewerblichen Lufttransport besteht, ein firmeneigenes Flugzeug für Flüge zu Messen und Kunden ein. Darüber hinaus wurden mit dem Flugzeug Wartungs- und Schulungsflüge durchgeführt. Die zu diesen Zwecken verbrauchten Kraftstoffe sind weder nach dem Mineralölsteuergesetz noch bei unmittelbarer Anwendung des Europarechts von der Steuer befreit.

Nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96/EG haben die Mitgliedstaaten Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt von der Energiesteuer zu befreien. Von privater nichtgewerblicher Luftfahrt ist nach der gemeinschaftsrechtlichen Definition dann auszugehen, wenn das Flugzeug zu anderen als kommerziellen Zwecken genutzt wird. Auf Vorlage des erkennenden Senats hatte der EuGH für diesen Fall entschieden, die im Unionsrecht festgelegte Steuerbefreiung könnten nur zugelassene Luftfahrtunternehmen oder solche Unternehmen in Anspruch nehmen, die Luftfahrt-Dienstleistungen erbringen.


 

Vorsteuerberichtigung bei Berufung auf eine Steuerfreiheit nach dem Unionsrecht

Die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ändern sich i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG, wenn sich der Steuerpflichtige während des Berichtigungszeitraums auf die Steuerfreiheit der gleichbleibenden Verwendungsumsätze gemäß Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG beruft.

BFH Urteil vom 15.9.2011, V R 8/11

Erläuterung (BFH):

Mit Urteil vom 15. September 2011 V R 8/11 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Vorsteuer zu berichtigen ist, wenn sich der Unternehmer nachträglich auf eine im nationalen Recht nicht vorgesehene Steuerbefreiung des Unionsrechts beruft.
Der Streitfall betraf einen Spielhallenbetreiber. Dieser hatte für den Erwerb von Geldspielautomaten die Vorsteuer abgezogen, da Umsätze mit Geldspielautomaten nach nationalem Recht steuerpflichtig sind. Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union im Gegensatz dazu entschieden hatte, dass derartige Umsätze nach dem Unionsrecht steuerfrei sind, machte der Unternehmer dies für sich geltend. Das Finanzamt akzeptierte die Steuerfreiheit der Automatenumsätze, ging aber zu Lasten des Unternehmers davon aus, dass er den zuvor für den Erwerb der Geldspielautomaten in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu berichtigen habe.
Der BFH hat die Rechtsauffassung des Finanzamts bestätigt. Die von § 15a UStG vorausgesetzte Änderung der Verhältnisse liegt darin, dass der Unternehmer beim Erwerb der Geldspielgeräte das Erbringen steuerpflichtiger Automatenumsätze beabsichtigt hat, wohingegen die Umsätze aufgrund der späteren Berufung auf das Unionsrecht steuerfrei waren.
Die Entscheidung des BFH ist über den entschiedenen Einzelfall hinaus für alle Fälle von Bedeutung, in denen sich Unternehmer nachträglich auf Steuerbefreiungen des Unionsrechts berufen, die im nationalen Recht nicht zutreffend umgesetzt sind.

Durchführung von Kanutouren für Schulklassen nicht von der Umsatzsteuer befreit

Die Durchführung von Kanutouren für Schulklassen ist keine "Aufnahme" der Jugendlichen für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke i.S. der in § 4 Nr. 23 UStG geregelten Steuerbefreiung, wenn die Gesamtverantwortung bei den Lehrern verbleibt; die teilweise Übernahme von Betreuungsleistungen reicht insoweit nicht aus.

Für die Anerkennung einer anderen Einrichtung i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h und i der Richtlinie 77/388/EWG reichen vertragliche Vereinbarungen zwischen der Einrichtung und einer Schule allein nicht aus.

BFH Urteil vom 12. Mai 2009 V R 35/07

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 12. Mai 2009 V R 35/07 entschieden, dass die Durchführung von Kanutouren für Schulklassen nicht von der Umsatzsteuer befreit ist. Es handelt sich nicht um eine "Aufnahme" der Jugendlichen für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke im Sinne der in § 4 Nr. 23 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geregelten Umsatzsteuerbefreiung, wenn die Gesamtverantwortung bei den Lehrern verbleibt.

Der Kläger hatte mehrtägige Kanutouren für Schulklassen im Rahmen sog. Projektwochen organisiert und dabei die Planung der Touren sowie die Reservierung der Campingplätze übernommen Er behandelte seine Umsätze als umsatzsteuerfrei, weil seiner Ansicht nach seine Leistungen der Jugendbetreuung und Jugenderziehung dienten. Das Finanzamt folgte dem nicht und unterwarf die Umsätze des Klägers der Umsatzsteuer. Die Klage dagegen hatte keinen Erfolg.

Der BFH hat das Urteil des Finanzgerichts bestätigt. Zur Begründung führt er aus, der Begriff der "Aufnahme" in § 4 Nr. 23 UStG enthalte ein Moment der Obhut und Betreuung. Die Steuerbefreiung setze deshalb die Übernahme der Gesamtverantwortung für die Jugendlichen voraus. Es entspreche auch nicht dem Gesetzeszweck, Umsätze von der Steuer zu befreien, die –wie die streitigen Kanutouren– lediglich faktisch auch mit Erziehungsleistungen verbunden seien.

Aus dem Gemeinschaftsrecht lasse sich ebenfalls keine Steuerbefreiung herleiten. Gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe h der Richtlinie 77/388/EWG seien zwar die "eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen" von der Umsatzsteuer befreit. Für die Anerkennung einer "anderen Einrichtung" in diesem Sinne reichten vertragliche Vereinbarungen zwischen der Einrichtung und der Schule aber nicht aus. Entsprechendes gelte für Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i der Richtlinie 77/388/EWG.