Aufbewahrung von Handakten eines Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers

Keine Rückstellung für die Aufwahrung von Handakten und Mandantenunterlagen.

FG Köln Urteil vom 03.03. 2011;14 K 4943/07

Begründung:

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, Notare, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater unterschieden sich hinsichtlich der aufzubewahrenden Unterlagen von gewerblichen Unternehmern dadurch, dass sie nicht nur eigene Unterlagen aufbewahren müssten, sondern auch die Handakten der Mandanten. Da die Handakten dauernd vervollständigt werden müssten und darüber hinaus bei kleineren Unternehmen die Unterlagen mehrerer Jahre in einer Handakte verwahrt würden, seien die Schränke für die Aufbewahrung der Handakten in die Bürofläche integriert. Die hierfür erforderliche Fläche werde nicht für andere Büroarbeiten genutzt. Mit den Vorschriften der §§ 57 ff. Wirtschaftsprüferordnung (WiPrO) habe der Umfang der aufzubewahrenden Handakten erheblich zugenommen. Die Wirtschaftsprüferkammer bestelle für Jahresabschlussprüfungen einen anderen Wirtschaftsprüfer, der kontrolliere, ob die aufbewahrten Unterlagen den Vorschriften entsprächen. Bei einem Verstoß werde die Genehmigung, Jahresabschlüsse zu prüfen, zurückgenommen. Um einen Eindruck über die aufzubewahrenden Unterlagen zu vermitteln, werde das IDW-Praxishandbuch zur Qualitätssicherung beigefügt.

Nach § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit dem Grunde nach – deren Höhe zudem ungewiss sein kann – und ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Zudem ist erforderlich, dass der Schuldner ernsthaft mit der Inanspruchnahme rechnen muss (vgl. BFH-Urteil vom 08.11.2000 I R 6/96, BStBl II 2001, 570). Auch für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem-Recht ergeben (Geld- oder Sachleistungsverpflichtungen), können Rückstellungen gebildet werden. Dies setzt voraus, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist. Bei einem entsprechend konkreten Gesetzesbefehl kann sich allein aus dem Gesetz eine Verpflichtung ergeben, die zur Bildung einer Rückstellung berechtigt. Weiter ist erforderlich, dass an die Verletzung der Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind, so dass sich der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung nicht entziehen kann (vgl. BFH-Urteil vom 08.11.2000 I R 6/96, a.a.O.).

Der Kläger begehrt die Bildung einer Rückstellung für die Kosten zur Aufbewahrung berufsspezifischer Unterlagen (Handakten). Hierfür kommt die Bildung einer Rückstellung jedoch nicht in Betracht.

 Dass Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer die in § 66 Abs. 1 Satz 1 Steuerberatungsgesetz (StBerG) und § 51b Abs. 2 Satz 1 Wirtschaftsprüferordnung (WiPrO) genannten Handakten für die Dauer von zehn Jahren nach Beendigung des Auftrages aufzubewahren haben, reicht für die erforderliche Konkretisierung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung nicht aus. Ausschlaggebend dafür ist, dass die Verpflichtung schon vor Beendigung dieses Zeitraums erlischt, wenn der Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer den Auftraggeber aufgefordert hat, die Handakten in Empfang zu nehmen, und der Auftraggeber dieser Aufforderung binnen sechs Monaten, nachdem er sie erhalten hat, nicht nachgekommen ist (§ 66 Abs. 1 Satz 2 StBerG, § 51b Abs. 2 Satz 2 WiPrO). Da der Kläger seine Mandanten hätte auffordern können, die Handakten in Empfang zu nehmen, mit der Folge, dass die Verpflichtung zur Aufbewahrung der Unterlagen nach sechs Monaten erloschen wäre, kann von einer Aufbewahrungspflicht über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus nicht ausgegangen werden. Hieran ändert auch der Hinweis des Klägers auf das Qualitätssicherungssystem (§ 55b WiPrO) nichts. Die Teilnahme am Qualitätssicherungssystem begründet keine selbstständigen Aufbewahrungspflichten. Dementsprechend kommt die Bildung einer Rückstellung nicht in Betracht.

Die Bildung einer Rückstellung für die Kosten zur Aufbewahrung der Handakten lässt sich im Streitfall auch nicht auf das BFH-Urteil vom 19.08.2002 (VIII R 30/01, BStBl II 2003, 131) stützen. Denn in dem von BFH entschiedenen Fall ging es um die Kosten zur Aufbewahrung eigener Geschäftsunterlagen, zu der der Steuerpflichtige nach § 257 HGB und § 147 AO verpflichtet ist. Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich grundlegend von den Fällen, in denen Steuerpflichtige eigene Geschäftsunterlagen aufbewahren. Der Unterschied liegt darin, dass die berufsrechtlichen Aufbewahrungspflichten – wie bereits dargestellt – zum Erlöschen gebracht werden können.

Sofern der Kläger darauf hinweist, dass er seine Mandanten nie aufgefordert habe, die Handakten in Empfang zu nehmen, mag dies so sein. Dennoch reicht dies für die erforderliche Konkretisierung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Klägers nicht aus.

Insbesondere der Einwand des Klägers, dass eine solche Aufforderung nicht üblich sei und unweigerlich zum Mandatsverlust führe, greift nicht durch. Das liegt auf der Hand, wenn das Mandatsverhältnis zwischenzeitlich beendet worden ist. Aber auch wenn das Mandat fortbesteht, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Die Umstände, aus denen der Kläger eine Aufbewahrungsverpflichtung herleiten will, verdeutlichen, dass die Aufbewahrung der Handakten nicht unmittelbar durch die Beendigung des Auftrages verursacht ist, sondern darauf abzielt, den Mandanten nicht zu verlieren. Die Aufbewahrung der Handakten dient somit vor allem der Mandatenbindung. Dies rechtfertigt aber nicht die Bildung einer Aufbewahrungsrückstellung. Eine Rückstellung darf nämlich nicht gebildet werden, wenn ihre Erfüllung künftige Gewinnchancen ermöglichen soll (vgl. BFH-Urteil vom 28.05.1997 VIII R 59/95, BFH/NV 1998, 22).

Der Hinweis des Klägers, dass die Handakten aufbewahrt werden, weil sie zugleich für die weitere Betreuung des Mandats benötigt werden, rechtfertigt ebenfalls keine Rückstellung

Die Bildung einer Rückstellung für die Kosten zur Aufbewahrung setzt eindeutig voraus, dass es sich bei dem durch die Rückstellung verursachten Aufwand um Kosten zur Aufbewahrung „nach Beendigung des Auftrags“ (§ 66 Abs. 1 Satz 1 StBerG bzw. § 51b Abs. 2 Satz 1 WiPrO) handelt. Die vom Kläger ermittelten Kosten sind jedoch offensichtlich nicht in Erfüllung seiner berufsrechtlichen Aufbewahrungspflicht entstanden, sondern um bei der weiteren Betreuung des Mandats auf die Unterlagen zurückgreifen zu können. Die Aufbewahrung ist daher wirtschaftlich eng und untrennbar mit dem laufenden Geschäftsbetrieb verknüpft und deshalb nicht (wesentlich) durch die Beendigung des Auftrags verursacht. Dass die Handakten zugleich aufbewahrt werden, weil die Berufsordnung dies vorgibt, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.

Auch soweit die Handakten bei der weiteren Betreuung des Mandats laufend auf den neuesten Stand gebracht werden, handelt der Kläger nicht in Erfüllung der in § 66 Abs. 1 Satz 2 StBerG und § 51b Abs. 2 Satz 1 WiPrO genannten Verpflichtung. Derartige Aktivitäten werden ebenfalls im Interesse des laufenden Geschäftsbetriebs entfaltet und rechtfertigen daher nicht die Bildung einer Rückstellung. Zudem sind die Kosten für die Aufbewahrung der Handakten nach Beendigung des Auftrags auch nicht von denen der laufenden Aktenführung abgrenzbar.

Davon abgesehen kommt die Bildung einer Rückstellung auch deswegen nicht in Betracht, weil der Kläger laufend Gebühren für die Bearbeitung des Mandats erhält. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Aufwendungen für die Aufbewahrung von Unterlagen, die für die laufende Bearbeitung des Mandats benötigt werden, auch ohne gesonderte Aufführung in den Gebührenordnungen mit den Regelgebühren abgegolten sind. Soweit die Gebühren nicht kostendeckend sein sollten, handelte es sich um ein schwebendes Geschäft, bei dem ein wirtschaftliches Ungleichgewicht besteht. Für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften ist aber die Bildung einer Rückstellung durch § 5 Abs. 4a EStG ausdrücklich ausgeschlossen.

Bei der vom Kläger begehrten Rückstellung handelt es sich um eine sog. Aufwandsrückstellung, der keine (ungewisse) Verpflichtung gegenüber einem anderen zugrunde liegt und die den Zweck hat, künftige Ausgaben als Aufwand des abgelaufenen Wirtschaftsjahres zu berücksichtigen. Eine Aufwandsrückstellung ist in der Steuerbilanz nur im Rahmen des § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB i.V.m. § 5 EStG zulässig; ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Für die Aufbewahrung der eigenen Geschäftsunterlagen, zu der der Kläger nach § 257 HGB und § 147 AO verpflichtet ist, kann dagegen eine Rückstellung berücksichtigt werden. Die Kosten sind aber nach Auffassung des Senats durch die vom Beklagten anerkannte Rückstellung ausreichend berücksichtigt. Der Prüfer hat die Kosten für einen Raum von knapp 30 qm berücksichtigt. Es erscheint ausgeschlossen, dass der Kläger eine derart große Fläche für die Aufbewahrung eigener Unterlagen für maximal 10 Jahre benötigt, so dass mit dem angesetzten Betrag auch anteilige Personalkosten und sonstige Nebenkosten für die jeweilige Archivierung hinreichend berücksichtigt sind. Soweit der Prüfer die Rückstellung im Prüfungszeitraum erhöht hat, bestand hierfür kein sachlicher Grund. Denn im Gegenzug hätte die Rückstellung teilweise aufgelöst werden müssen, da die Aufbewahrungspflicht für ein Jahr abgelaufen war. Soweit der Prüfer die Rückstellung im Jahr 2004 um einen Betrag von 1.221 EUR erhöhen wollte, tatsächlich aber um diesen Betrag vermindert hat (siehe die im Tatbestan

In die Rückstellungen einzubeziehen seien die anteilige Miete für Erd- und Obergeschoss, EDV- und Personalkosten.