Hälftige Erstattung von Überzahlungen bei Eheleuten

Hinsichtlich der Vermutung, dass der Ehegatte, der die Einkommensteuerschuld zusammen veranlagter Eheleute begleicht, die Zahlung nicht nur für eigene Rechnung, sondern auch für die des Ehepartners vornehme, sind die Umstände des Einzelfalls vom Tatrichter zu würdigen. Es gibt keine die tatrichterliche Würdigung beschränkende Regel, dass eines der von der Rechtsprechung des Senats benannten Indizien oder eine bestimmte Verbindung mehrerer dieser Indizien die Vermutung einer doppelten Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten ausräumt.

Die Angabe einer Tilgungsbestimmung des Ehegatten muss nicht ausdrücklich erfolgen, sondern kann sich aus den Umständen des Einzelfalls ergeben.

BFH Beschluss vom 09.06.2011 – VII B 199/10 BFHNV 2011 S. 1661

Begründung:

Die Beschwerde möchte in dem angestrebten Revisionsverfahren sinngemäß geklärt wissen, wann die Vermutung, dass zusammenveranlagte Eheleute Zahlungen auf ihre Einkommensteuerschuld mit dem (stillschweigend erklärten) Willen leisten, nicht nur die eigene, sondern auch die Steuerschuld des anderen zu tilgen, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als widerlegt anzusehen ist und welche Anforderungen an Art und Form der Äußerung einer von dieser Vermutung abweichenden Tilgungsabsicht zu stellen sind. Sie hält diese Frage insbesondere deshalb für klärungsbedürftig, weil die bisherige Rechtsprechung an Veränderungen zu messen sei, die sich aus der Gestaltung der aktuell verwendeten Steuererklärungsformulare und dem computergestützten bargeldlosen Zahlungsverkehr ergäben.

Der beschließende Senat hat bereits hinsichtlich der bei bestehender und intakter Ehe bestehenden Vermutung, dass der Ehegatte, der die Einkommensteuerschuld zusammenveranlagter Eheleute begleicht, die Zahlung nicht nur für eigene Rechnung, sondern auch für die des Ehepartners vornehme, die Berücksichtigung u.a. folgender –vom Tatrichter zu würdigender– Umstände des Einzelfalls für notwendig gehalten:

 

 

  • den auf dem Überweisungsträger angegebenen Verwendungszweck (nur Angabe der Steuern ohne die Namen der Ehegatten

  • die Abwicklung sonstiger, vorausgegangener Steuerzahlungen

  • Kenntnis des FA von der Inhaberschaft und der gemeinsamen Verfügungsberechtigung der Eheleute über das Bankkonto

  • eventuell auch Angabe des Erstattungsberechtigten (Erstattungsanschrift, Erstattungskonto) in den Steuererklärungen.

    Insbesondere ist, anders als die Beschwerde offenbar meint, die Angabe eines Erstattungskontos nicht zwingend dahin zu würdigen, dass damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Inhaber dieses Kontos nur seine eigene Steuer(gesamt)schuld tilgen will. Der Beschwerde dürfte zwar zuzugeben sein, dass die vom FG vorgenommene, rechtlich zutreffende Differenzierung zwischen der Angabe eines Erstattungskontos, welche lediglich eine Zahlungsanweisung darstellt, und einer Erklärung über die Tilgungsbestimmung –welche gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung Folgen für die materielle Erstattungsberechtigung hat– der Mehrheit juristisch nicht ausgebildeter Steuerpflichtiger nicht geläufig und auch nicht ohne weiteres nachvollziehbar sein mag. Gerade deshalb stellt es indes jedenfalls keine revisionsrechtlich zu beanstandende Würdigung des Sachverhalts dar, wenn das FG im Streitfall in der Angabe eines Erstattungskontos keine solche Tilgungsbestimmung, sondern lediglich eine Zahlungsanweisung erblickt hat. Denn dem begegnet, dass ein Steuerpflichtiger bei bestehender und intakter Ehe sich im Allgemeinen keine Gedanken darüber machen wird, ob er seinem Ehepartner im Falle der Überzahlung der Steuer einen (hälftigen) materiellen Erstattungsanspruch zugestehen will; wohl aber wird er sich Gedanken darüber machen, auf welches Konto ggf. eine Erstattungszahlung überwiesen werden soll.

 

 

 

 

 

Kreditinstitut muss auf ein gekündigtes Girokonto überwiesene unberechtigte Steuererstattung nicht zurückerstatten

Ein Kreditinstitut ist auch dann nur Zahlstelle und nicht zur Rückzahlung des vom FA auf ein vom Steuerpflichtigen angegebenen Girokonto überwiesenen Betrags verpflichtet, wenn es den Betrag auf ein bereits gekündigtes, aber noch nicht abgerechnetes Girokonto verbucht und nach Rechnungsabschluss an den früheren Kontoinhaber bzw. dessen Insolvenzverwalter ausgezahlt hat.

BFH Urteil vom 10. November 2009 VII R 6/09

Erläuterungen:

Mit Urteil vom 10. November 2009 VII R 6/09 hat der Bundesfinanzhof (BFH) einem Kreditinstitut Recht gegeben, das sich geweigert hatte, dem Finanzamt (FA) einen Betrag zurückzuzahlen, der als Steuererstattung auf ein von der Bank bereits gekündigtes Konto eines Kunden überwiesen worden war. Die Bank hatte den Betrag zunächst auf diesem Konto verbucht, dann auf einem internen Verrechnungskonto hinterlegt und ihn später auf entsprechende Anforderung an den Insolvenzverwalter ihres früheren Kunden ausgezahlt.

In erster Instanz hatte die Bank mit ihrer Klage gegen die Rückforderung des FA keinen Erfolg. Das Finanzgericht bezog sich auf frühere Entscheidungen des BFH, in denen die Rückforderung von der Bank für rechtmäßig angesehen worden war, wenn das FA die Erstattung auf ein nicht mehr bestehendes Konto überwiesen hatte.

Der BFH stellte nun klar, dass die Bank, die zivilrechtlich auch nach Kündigung eines Girokontos berechtigt ist, eingehende Zahlungen für ihren früheren Kunden entgegenzunehmen, jedenfalls dann als bloße Zahlstelle zwischen dem FA und ihrem Kunden fungiert, wenn sie den Betrag pflichtgemäß für den Kunden verbucht bzw. an diesen auszahlt. Da folglich nicht sie selbst die Empfängerin der Leistung des FA ist – das FA wollte ja nicht an die Bank, sondern an den Steuerpflichtigen zahlen – kann das FA von ihr auch keine Rückzahlung des überwiesenen Betrags verlangen.

Ausdrücklich offen gelassen hat der BFH, ob für den hier nicht vorliegenden Fall einer nach Auflösung des Kontos vorgenommenen Verrechnung eines eingehenden Erstattungsbetrags mit eigenen Forderungen der Bank an der in früheren Entscheidungen (vom 28. Januar 2004 VII B 139/03 und vom 6. Juni 2003 VII B 262/02) angenommenen Rückzahlungsverpflichtung der Bank noch festzuhalten sei.