Zur Steuerfreiheit heileurythmischer Heilbehandlungsleistungen

Der Nachweis der erforderlichen Berufsqualifikation kann sich aus der Zulassung des Heileurythmisten zur Teilnahme an den Verträgen zur Integrierten Versorgung mit Anthroposophischer Medizin nach §§ 140a ff. SGB V (i.d.F. vor dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 16. Juli 2015) ergeben. Die Steuerbefreiung erstreckt sich auf sämtliche heileurythmische Heilbehandlungsleistungen des Leistungserbringers.

BFH Urteil vom 26.07.2017 – XI R 3/15 BFH/NV 2017, 1692

Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war im Streitjahr (2010) als Heileurythmistin selbständig tätig. Ihr waren das “Diplom für Eurythmie” des Instituts für Waldorfpädagogik X sowie das “Heileurythmie-Diplom” der Schule für Eurythmische Heilkunst Y verliehen worden. Sie war Mitglied im Berufsverband Heileurythmie e.V. (BVHE) und seit dem 28. September 2009 “nach § 6 Absatz 3 des (Rahmen-)Vertrages zur Durchführung Integrierter Versorgung mit Anthroposophischer Medizin nach §§ 140a ff [des Fünften Buches Sozialgesetzbuch] SGB V vom 18.01.2006 (IKK Z) bzw. vom 16./28.06.2006 (Rahmenvertrag mit der BKK A sowie beigetretenen Krankenkassen)… zur Teilnahme an den Verträgen zur Durchführung Integrierter Versorgung mit Anthroposophischer Medizin nach §§ 140a ff SGB V” (IV-Verträge) zugelassen.

Diese Teilnahmeberechtigung wird vom BVHE nur speziell ausgebildeten Heilmittelerbringern mit der durch den BVHE ausgestellten Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung oder solchen Heilmittelerbringern, die eine durch den BVHE bestätigte Gleichwertigkeit ihrer Qualifikation nachweisen können, erteilt, wenn der Leistungserbringer die im IV-Vertrag genannten Voraussetzungen nachweist und die Regelungen des Vertrags anerkennt.

Sämtliche von der Klägerin im Streitjahr erbrachten Leistungen als Heileurythmistin erfolgten aufgrund ärztlicher Verordnungen. In ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr erklärte sie diese Umsätze mit 40.034 EUR als nach § 4 Nr. 14 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) behandelte mit Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 20. Oktober 2011 diese Umsätze mit dem Bruttobetrag als steuerpflichtig.
Der Einspruch der Klägerin hatte nur soweit Erfolg, als das FA Vorsteuerbeträge in Höhe von 1.500 EUR schätzte, Umsätze von 448,80 EUR, die die Klägerin im Rahmen von IV-Verträgen ausgeführt hatte, als steuerfrei behandelte und im Übrigen die Umsatzsteuer aus den Nettobeträgen ermittelte. Im Übrigen wies es den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 7. November 2013 als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es entschied, die Umsätze der Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Heileurythmistin seien nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei. Als Mitglied im BVHE habe sie die im Versorgungsvertrag genannten Voraussetzungen nachgewiesen, die Regelungen des Vertrags anerkannt und sei seit dem 28. September 2009 zur Teilnahme an den IV-Verträgen zugelassen. Damit sei der berufliche Befähigungsnachweis erbracht, weshalb die von der Klägerin erbrachten heileurythmischen Heilbehandlungsleistungen auch in den Fällen von der Umsatzsteuer befreit seien, in denen die Erstattung der Leistungen durch die Krankenkassen daran gescheitert sei, dass diese mit dem BVHE (noch) keine entsprechenden IV-Verträge abgeschlossen haben.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG.Das FG habe die von der Klägerin ausgeführten Heilbehandlungsleistungen insgesamt als steuerfrei behandelt, obwohl die nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erforderliche berufliche Qualifikation nur für den die IV-Verträge betreffenden Teil der Umsätze vorgelegen habe. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteil vom 8. März 2012 V R 30/09 die bereits für Versorgungsverträge geltenden Grundsätze auf IV-Verträge übertragen. Da der Befähigungsnachweis der selbständigen Fachkräfte auf den Umfang der im Versorgungsvertrag vereinbarten Leistungen beschränkt sei und nur für diese Heilbehandlungsleistungen die Kosten von den Krankenkassen getragen würden, müsse das Gleiche für den Befähigungsnachweis und damit für den Umfang der Steuerbefreiung in den Fällen gelten, in denen die Fachkräfte in IV-Verträge eingebunden sind. Die Fachkraft erhalte bei entsprechendem Qualifikationsnachweis für den zwischen Berufsverband und Krankenkasse geschlossenen IV-Vertrag eine Teilnahmeberechtigung und erkenne damit die Regelungen des Vertrags an. Die Heilbehandlungsleistungen der Fachkraft seien Bestandteil des Versorgungsvertrages, weshalb der Qualifikationsnachweis auf die Leistungen aus dem jeweiligen IV-Vertrag beschränkt sei. Die außerhalb der IV-Verträge erzielten Umsätze seien steuerpflichtig, weil es sich insoweit nicht um eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit mit beruflichem Befähigungsnachweis handele. Entsprechend seien diese Leistungen auch nicht von Krankenkassen erstattet worden, obgleich eine ärztliche Verordnung vorlag.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Entgegen der Auffassung des FA könne die berufliche Befähigung des Leistungserbringers nicht geteilt und auf Umsätze aus den IV-Verträgen beschränkt, sondern nur einheitlich beurteilt werden. Aus dem BFH-Urteil vom 12. August 2004 V R 18/02 ergebe sich nichts anderes. Ihre –der Klägerin– einmal festgestellte berufliche Befähigung als Heileurythmistin erstrecke sich auf sämtliche Heileurythmie-Leistungen.
Begründung:

Die Revision ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin im Streitjahr erbrachten Heilbehandlungsleistungen steuerfrei sind.
Umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG sind Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden.
Diese Vorschrift setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in nationales Recht um. Danach befreien die Mitgliedstaaten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, von der Steuer.

Der Begriff “Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” ist ein autonomer unionsrechtlicher Begriff und umfasst Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nach den (unstreitigen) Feststellungen des FG erfüllt, da die jeweils auf ärztliche Verordnung hin erbrachten heileurythmischen Leistungen der Klägerin dem Zweck der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen der Leistungsempfänger dienten.
Auch den für die Steuerbefreiung der Heilbehandlungsleistung erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweis hat die Klägerin –wie das FG zutreffend angenommen hat– erbracht. Zwar ergibt sich ihre berufliche Qualifikation nicht aus berufsrechtlichen Regelungen. Wie das FG festgestellt hat, ist eine berufsrechtliche Regelung über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung für das Berufsbild des Heileurythmisten in der Bundesrepublik Deutschland bislang nicht erlassen worden. Die von der Klägerin erworbene Qualifikation (“Diplom für Eurythmie” des Instituts für Waldorfpädagogik X bzw. “Heileurythmie-Diplom” der Schule für Eurythmische Heilkunst Y) kann somit nicht auf einer derartigen berufsrechtlichen Regelung beruhen und steht ihr auch nicht gleich, da die Diplome nicht von staatlichen, sondern von privaten Ausbildungsinstituten verliehen wurden.
Der Nachweis der für die Leistungserbringung erforderlichen Berufsqualifikation der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einer “regelmäßigen” Kostentragung durch Sozialversicherungsträger (vgl. hierzu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132, BStBl II 2000, 155). Hiervon gehen die Beteiligten übereinstimmend aus.
Die Klägerin hat jedoch den Nachweis ihrer beruflichen Qualifikation durch ihre Teilnahmeberechtigung an den IV-Verträgen erbracht.Die für Versorgungsverträge und Gesamtvereinbarungen geltenden Grundsätze gelten auch für Integrierte Versorgungsverträge nach den §§ 140a ff. SGB V (i.d.F. vor dem Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 16. Juli 2015, BGBl I 2015, 1211), die Berufsverbände von Leistungserbringern mit gesetzlichen Krankenkassen abschließen, sofern der jeweilige Berufsverband die Teilnahmeberechtigung der Leistungserbringer davon abhängig macht, dass die in den Verträgen enthaltenen Qualifikationsanforderungen erfüllt werden.
Die vom BVHE vor dem Streitjahr abgeschlossenen Integrierten Versorgungsverträge mit gesetzlichen Krankenkassen betreffen die Versorgung mit Anthroposophischer Medizin, zu der auch die Heileurythmie gehört.Die Klägerin war nach den Feststellungen des FG ordentliches Mitglied des BVHE und konnte damit als Leistungserbringerin in die integrierte Versorgung mit Anthroposophischer Medizin einbezogen werden.

Sie erfüllte ferner die in den IV-Verträgen konkret benannten Qualifikationsanforderungen, da sie nach Erwerb des “Diploms für Eurythmie” des Instituts für Waldorfpädagogik X sowie des “Heileurythmie-Diploms” der Schule für Eurythmische Heilkunst Y seit dem 28. September 2009 zur Teilnahme an den IV-Verträgen zugelassen war.
Hieraus ergibt sich der für die Steuerfreiheit erforderliche Befähigungsnachweis gleichermaßen wie für eine Rehabilitationseinrichtung, die auf Grund eines Versorgungsvertrags gemäß § 11 Abs. 2, §§ 40, 111 SGB V mit Hilfe von Fachkräften Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erbringt, soweit diese Fachkräfte die in dem Versorgungsvertrag benannte Qualifikation haben.
Ist –wie vom FG im Streitfall festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO)– die erforderliche berufliche Qualifikation nachgewiesen, erstreckt sich die Steuerbefreiung auf sämtliche erbrachten Heilbehandlungsleistungen (vgl. Michel, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2012, 893). Anders als das FA meint, lässt sich die einmal nachgewiesene berufliche Qualifikation nicht teilen, soweit die nämlichen Leistungen –wie hier– auf Basis der IV-Verträge und außerhalb der IV-Verträge erbracht wurden.

Umsatzsteuer im Stundenhotel

Das halbstündige oder stundenweise Überlassen von Zimmern in einem “Stundenhotel” ist keine Beherbergung i.S. von § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG.

BFH Urteil vom 24.9.2015, V R 30/14

Begründung:

Bei den von der Klägerin halbstündigen oder stundenweise vermieteten Hotelzimmern handelte es sich nicht um Wohn- und Schlafräume, die die Klägerin zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithielt. Es fehlt am Merkmal der “Beherbergung”.

Ergeben die äußeren Umstände, dass der Schwerpunkt der Leistung nicht in der Überlassung zu Wohn- oder Schlafzwecken liegt, sondern in der Einräumung der Möglichkeit, in den Räumen sexuelle Dienstleistungen zu erbringen oder –wie im Streitfall– zu konsumieren, fehlt es an der Beherbergung: Der Vermieter gewährt nicht Unterkunft (Beherbergung), sondern stellt Räume zur Verfügung, um dem Mieter zu ermöglichen, darin sexuelle Handlungen vorzunehmen. Wie das FG zutreffend entschieden hat, spricht hierfür die halbstündliche oder stündliche Vermietung eines Zimmers in einem Hotel in Bahnhofsnähe und in unmittelbarer Nähe zahlreicher Betriebe der Erotikbranche, wobei es sich um ein Stadtviertel mit existierender Straßenprostitution handelt, wenn die Bezahlung im Voraus erfolgt, die Identität der Gäste nicht notiert wird und an die Hotelgäste Kondome verkauft werden. Unter diesen Umständen ist ein anderer Nutzungszeck als der Erbringung oder des Empfangs sexueller Dienstleistungen nicht vorstellbar.

Es liegt auch kein Verzicht nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG vor. Ein derartiger Verzicht kommt auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen, nach denen die Vermietungen nicht an Prostituierte, sondern an deren Kunden erfolgten, nicht in Betracht. Die Mieter haben die stundenweise überlassenen Hotelzimmer nicht für ihre Unternehmen (§ 9 Abs. 1 UStG) und auch nicht für Zwecke verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (§ 9 Abs. 2 Satz 1 UStG.

Gegen die sich hieraus ergebende Steuerfreiheit kann sich das FA auch nicht auf die BFH-Rechtsprechung berufen, nach der bei einem Unternehmer, der den einen Teil der in einem Gebäude befindlichen Räume längerfristig, den anderen jedoch nur kurzfristig vermietet, die Vermietung nur insoweit steuerfrei ist, als er die Räume eindeutig und in leicht nachprüfbarer Weise zur nicht nur vorübergehenden Beherbergung von Fremden bereitgehalten hat, so dass sämtliche Umsätze steuerpflichtig sind, wenn der Unternehmer dieselben Räume wahlweise zur lang- oder kurzfristigen Vermietung anbietet. Denn diese Rechtsprechung bezieht sich nur auf die Fallgestaltung einer sowohl lang- wie auch kurzfristigen Beherbergung. Demgegenüber fehlt im Streitfall der halbstündigen oder stundenweisen Zimmerüberlassung der für eine Berücksichtigung dieser Rechtsprechung erforderliche Beherbergungscharakter.

Die Sache ist nicht spruchreif. Aufgrund der Steuerfreiheit der Leistungen ist über die sich hieraus ergebenden Einschränkungen beim Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG) zu entscheiden.

Steuerfreiheit von Trinkgeldern

Freiwillige Zahlungen von Spielbankkunden an die Saalassistenten einer Spielbank für das Servieren von Speisen und Getränken können steuerfreie Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG sein.

Die Steuerfreiheit entfällt nicht dadurch, dass der Arbeitgeber als eine Art Treuhänder bei der Aufbewahrung und Verteilung der Gelder eingeschaltet ist.

BFH Urteil vom 18.6.2015, VI R 37/14

Begründung (BFH):

Mit Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 37/14 hat der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass freiwillige Zahlungen von Spielbankkunden an die Saalassistenten einer Spielbank für das Servieren von Speisen und Getränken steuerfreie Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sein können. Die Steuerfreiheit entfällt nicht dadurch, dass der Arbeitgeber als eine Art Treuhänder bei der Aufbewahrung und Verteilung der Gelder eingeschaltet ist.

Im Streitfall war der Kläger als eine Art Kellner mit dem Bedienen der Spielbankkunden betraut. Er war nicht Teil des spieltechnischen Personals, wie etwa die Croupiers (Kassierer). Im Gehaltstarifvertrag wurden die freiwilligen Zuwendungen von Besuchern der Spielbank an die Saalassistenten als Trinkgelder bezeichnet, die arbeitstäglich zu erfassen und ausschließlich zugunsten der Saalassistenten zu verwenden sind. Die Saalassistenten erhielten aus dem Aufkommen monatlich vorab einen pauschalen Anteil, der Restbetrag wurde nach einem festgelegten Punktesystem von der Spielbank auf diese verteilt. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, es handele sich dabei nicht um steuerfreies Trinkgeld i.S. des § 3 Nr. 51 EStG. Das Finanzgericht schloss sich dieser Auffassung an und wies die Klage ab.

Der BFH hat das Urteil der Vorinstanz hinsichtlich der Behandlung der freiwilligen Zahlungen der Spielbankkunden aufgehoben und entschieden, dass es sich hierbei um steuerfreie Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG handelt. Mit der Entscheidung knüpft der VI. Senat des BFH an seine bisherige Rechtsprechung zum Trinkgeldbegriff an. So stellt er darauf ab, dass es sich bei den von den Spielbankkunden neben dem Rechnungsbetrag gegebenen Geldern um freiwillige Zahlungen handelt, auf die kein Rechtsanspruch bestand. Denn der Tarifvertrag regelte lediglich die Verteilung und Auskehrung der bereits geleisteten Trinkgelder durch die Spielbank. Der BFH urteilte, dass der Streitfall nicht mit den bereits vom VI. Senat des BFH entschiedenen, das spieltechnische Personal betreffenden, sog. Tronc-Fällen vergleichbar ist. Denn, anders als in den Tronc-Fällen, liegt im Streitfall eine typische persönliche und unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen den Saalassistenten und den Spielbankkunden vor. Es besteht gerade kein gesetzliches Trinkgeldannahmeverbot, wie es für Croupiers gilt, vgl. § 11 Abs. 1 des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken in Berlin. Zudem sei auch die Zuwendung eines Dritten gegeben, wie es der Trinkgeldbegriff voraussetzt. Die Einschaltung der Spielbank als eine Art Treuhänder bei der Verteilung der Gelder stehe dem nicht entgegen, vielmehr sei dieses Verteilungssystem vergleichbar mit einer “Poolung von Einnahmen”.

Zur Steuerfreiheit von Umsätzen privater Krankenhausbetreiber (bis 2008 und ab 2009)

Die Steuerbefreiung der mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng verbundenen Umsätze nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung i.V.m. § 67 AO war hinsichtlich der 40 %-Grenze unionsrechtskonform.

BFH  Urteil vom 18.3.2015, XI R 8/13

Begründung:

Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit zwei Urteilen vom 18. März 2015 zur Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen privater Krankenhausbetreiber bis 2008 einerseits und ab 2009 anderseits entschieden.

Nach § 4 Nr. 16 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der bis einschließlich 2008 geltenden Fassung (a.F.) waren die mit dem Betrieb der privaten Krankenhäuser eng verbundenen Umsätze steuerfrei, wenn bei Krankenhäusern im vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung bezeichneten Voraussetzungen erfüllt wurden. Bei einem Krankenhaus, das nicht in den Anwendungsbereich des Krankenhausentgeltgesetzes oder der Bundespflegesatzverordnung fiel, mussten danach mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungstage oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen berechnet wurde. Nach der ab 2009 geltenden Rechtslage sind die Leistungen der privaten Krankenhäuser nur steuerfrei, wenn es sich um eine Hochschulklinik, ein in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommenes Krankenhaus oder um ein Krankenhaus handelt, das über einen Versorgungsvertrag mit den Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen verfügt (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG)

Die Klägerin im Verfahren XI R 8/13 betrieb ein privates Krankenhaus für Psychosomatik, Psychotherapie und Krisenintervention. Sie behandelte in den Streitjahren 2003 bis 2006 privat versicherte Patienten und Selbstzahler. Im Verfahren XI R 38/13 handelte es sich um eine Privatklinik, in der niedergelassene Ärzte im Streitjahr 2009 operative Eingriffe an gesetzlich und privat versicherten Patienten durchführten. Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das jeweilige Finanzamt (FA) die Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. (XI R 8/13) bzw. § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG (XI R 38/13) nicht erfüllt seien. Das Finanzgericht (FG) gab in beiden Fällen der Klage statt. Die betreffende Klägerin könne sich für die Steuerfreiheit der streitbefangenen Umsätze jeweils auf das Unionsrecht berufen.

Dem folgte der BFH im Verfahren XI R 8/13 nicht. Auf die Revision des FA hin hob er die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Die Steuerbefreiung der mit dem Betrieb eines Krankenhauses eng verbundenen Umsätze nach § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. i.V.m. § 67 AO sei hinsichtlich der 40 %-Grenze unionsrechtskonform. Diese Grenze verstoße zudem nicht gegen den Grundsatz der mehrwertsteuerrechtlichen Neutralität. Soweit der nationale Gesetzgeber in § 4 Nr. 16 Buchst. b UStG a.F. auf die Verhältnisse des vorangegangen Kalenderjahrs abgestellt hat, wofür das Unionsrecht keine Grundlage bietet, war der Streitfall hiervon nicht betroffen.

Dagegen bestätigte der BFH im Verfahren XI R 38/13 die der Klage stattgebende Entscheidung des FG und wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Der XI. Senat des BFH schloss sich der Rechtsprechung des V. Senats des BFH an, der mit Urteil vom 23. Oktober 2014 V R 20/14 (Pressemitteilung Nr. 15 vom 24. Februar 2015) entschieden hat, dass die nationale Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG nicht den unionsrechtlichen Vorgaben entspreche. Der nationale Gesetzgeber habe den ihm insoweit eingeräumten Ermessensspielraum überschritten, weil die Regelung in § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchst. aa UStG die Steuerfreiheit der Leistungserbringung in privaten Krankenhäusern unter einen sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalt stelle, der mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sei. Die Klägerin im Verfahren XI R 38/13 konnte sich mithin für die Steuerfreiheit der streitbefangenen Umsätze unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, dessen Voraussetzungen sie erfüllte, berufen.

Steuerfreiheit zahnärztlicher Heilbehandlung (Bleaching)

Zahnaufhellungen (Bleaching), die ein Zahnarzt zur Beseitigung behandlungsbedingter Zahnverdunklungen vornimmt, sind steuerfreie Heilbehandlungen.

BFH Urteil vom 19.3.2015, V R 60/14

Begründung (BFH):

Mit Urteil vom 19. März 2015 V R 60/14 hat der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass Zahnaufhellungen (sog. Bleaching), die ein Zahnarzt zur Beseitigung behandlungsbedingter Zahnverdunklungen vornimmt, umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen sind.

Nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes sind Heilbehandlungen des Zahnarztes steuerfrei. Dazu gehören auch ästhetische Behandlungen, wenn diese Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen. Steuerbefreit ist auch eine medizinische Maßnahme ästhetischer Natur zur Beseitigung negativer Folgen einer Vorbehandlung.

Im Streitfall hatte die Klägerin –eine Zahnarztgesellschaft– im Anschluss an bestimmte medizinisch notwendige zahnärztliche Behandlungen (z.B. Wurzelbehandlungen) bei einigen Patienten Zahnaufhellungen an zuvor behandelten Zähnen durchgeführt. Das Finanzamt betrachtete diese Leistungen als umsatzsteuerpflichtig und setzte entsprechend Umsatzsteuer fest.

Anders der BFH: Zahnaufhellungsbehandlungen sind umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen, wenn sie in einem sachlichen Zusammenhang mit der vorherigen steuerfreien Zahnbehandlung stehen. So verhielt es sich im Streitfall: Es sollten Zahn-Verdunklungen aus Vorschädigungen behandelt und damit negative Auswirkungen der Vorbehandlung beseitigt werden.

Steuerfreiheit von Schönheitsoperationen

Ästhetische Operationen und ästhetische Behandlungen sind nur dann als Heilbehandlung steuerfrei, wenn sie dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur erforderlich ist.

Zum Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient ist es bei Überprüfung der Umsatzsteuerfreiheit von Heilbehandlungsleistungen erforderlich, das für richterliche Überzeugungsbildung gebotene Regelbeweismaß auf eine “größtmögliche Wahrscheinlichkeit” zu verringern.

BFH  Urteil vom 4.12.2014, V R 33/12

Begründung (BFH):

Nach dem Urteil des V. Senats des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 4. Dezember 2014 V R 16/12 sind ästhetische Operationen (“Schönheitsoperationen”) als umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen anzusehen, wenn der Eingriff aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels erforderlich ist. Darüber ist auf der Grundlage anonymisierter Patientenunterlagen zu entscheiden. Das Regelbeweismaß ist auf eine “größtmögliche Wahrscheinlichkeit” zu verringern.

Konkret bedeutet dies: Eine Beweiserhebung über ästhetische Operationen als Heilbehandlung darf nicht davon abhängig gemacht werden, dass Name und Anschrift des behandelten Patienten genannt werden. Stattdessen ist auf der Grundlage der anonymisierten Patientenunterlagen ein Sachverständigengutachten über die mit der Operation verfolgte Zielsetzung einzuholen. Der BFH betont auch die den Steuerpflichtigen (Klinik oder Arzt) treffenden Mitwirkungspflichten. Dieser muss –auf anonymisierter Grundlage– detaillierte Angaben zu der mit dem jeweiligen Behandlungsfall verfolgten therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzung machen.

Im konkreten Streitfall hob der BFH das Urteil der Vorinstanz auf, das eine Beweiserhebung von einer Benennung der behandelten Patienten abhängig gemacht hatte. Die Sache wurde an das Finanzgericht zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

 

Zur Steuerfreiheit der Umsätze aus dem Betrieb einer Kampfsportschule

Die Umsätze aus dem Betrieb einer Kampfsportschule können nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein, soweit die erbrachten Leistungen nicht lediglich den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben und vergleichbare Leistungen in Schulen oder Hochschulen erbracht werden.

BFH  Urteil vom 28.5.2013, XI R 35/11

Begründung:

Mit Urteil vom 28. Mai 2013 XI R 35/11 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Umsätze aus dem Betrieb einer Kampfsportschule nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind, soweit die erbrachten Leistungen nicht lediglich den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben und vergleichbare Leistungen in Schulen oder Hochschulen erbracht werden.

Der Kläger betrieb eine Schule für WingTsun. Bei dieser Sportart handelt es sich nach einer vom Kläger herausgegebenen Werbebroschüre um „Kampf- und Bewegungskunst“.

Unter Vorlage einer Bescheinigung des zuständigen Ministeriums für Bildung, Kultur und Wissenschaft, wonach die vom Kläger erbrachten Unterrichtsleistungen zur Vorbereitung auf den Beruf des Kampfkunstlehrers WingTsun steuerfreie Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG darstellten, beantragte dieser, die zunächst als steuerpflichtig erklärten Umsätze nunmehr als umsatzsteuerfrei zu behandeln. Das Finanzamt behandelte die Umsätze hingegen weiterhin als steuerpflichtig.

Das FG wies die Klage ab, weil die WingTsun-Schule des Klägers keine berufsbildende Einrichtung i.S. von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG sei und die Umsätze ebenso wenig nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG – nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der MwStSystRL – von der Umsatzsteuer befreit seien.

Demgegenüber entschied der BFH, dass eine Steuerfreiheit der streitigen Leistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG in Betracht kommt. Für die erforderliche Anerkennung i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG genüge die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, die sowohl die Finanzbehörden als auch die Finanzgerichte dahingehend binde, dass es sich bei der anerkannten Einrichtung um eine solche mit vergleichbarer Zielsetzung handele. Der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ in Art. 13 Teil A Abs. 1 Nr. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG beschränke sich nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führe oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittle, sondern er schließe andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt werde, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hätten.

Der BFH verwies die Sache an das FG zurück, damit es Feststellungen dazu trifft, ob und ggf. welche der vom Kläger in seiner Schule angebotenen Unterweisungen den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben und ob vergleichbare Leistungen in Schulen oder Hochschulen, gleich ob öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert, erbracht werden.

 

Durchführung der mit einem Kreditvertrag verbundenen Sacharbeit keine Vermittlungsleistung

Ein Steuerpflichtiger wird nicht als Kreditvermittler i.S. des § 4 Nr. 8a UStG tätig, wenn er als Subunternehmer eines Bauträgers lediglich mit einem Teil der mit einem Kreditvertrag verbundenen Sacharbeit betraut ist (vgl. EuGH-Urteil vom 21. Juni 2007 C-453/05, Rs. Ludwig).

BFH Beschluss vom 06.12.2012 – XI B 89/11 BFHNV 2013 S. 778

Begründung:

Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Das FG hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Hauptzweck der Tätigkeit des Klägers bzw. seiner Firma sei nach dem Akteninhalt, dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sowie der Beweisaufnahme nach der Überzeugung des Senats die Vermittlung von Immobiliengeschäften gewesen; die letztlich von der erfolgreichen Abwicklung des Baugeschäfts abhängigen Provisionen seien von den Bauträgern für diese Tätigkeiten gezahlt worden. Die Vermittlung von Immobiliengeschäften sei aber nicht von der Umsatzsteuer befreit.

Zwar sei der Kläger mit der Übernahme von Finanzierungsaufgaben betraut worden, er habe aber lediglich als Subunternehmer einzelne Aufgaben an Stelle des Anbieters der Kredite sowie Finanzierungsbearbeitungen erledigt. Es habe sich dabei um unselbständige Hilfs- und Nebengeschäfte der Immobilienverträge gehandelt und nicht um Vermittlungsleistungen. Es hat weiter ausgeführt, um eine steuerbefreite Kreditvermittlungsleistung annehmen zu können, müsse ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes gegeben sein, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfülle. Davon konnte sich das FG u.a. auch auf Grund der Beweisaufnahme nicht überzeugen, zumal der Kläger keine schriftlichen Verträge vorlegen konnte.

Aus im Wesentlichen gleichen Überlegungen hat das FG das Vorliegen der Voraussetzungen einer Steuerbefreiung der Tätigkeit des Klägers nach § 4 Nr. 11 UStG verneint.

Soweit er vorträgt, das FG habe sich zwar mit dem EuGH-Urteil –Ludwig– (Slg. 2007, I-5083, BFH/NV Beilage 2007, 398) auseinandergesetzt, aber auf Grund falscher Auslegung und/oder Anwendung die Steuerfreiheit versagt, wendet er sich gegen die materielle Richtigkeit der Vorentscheidung einschließlich der Tatsachen- und Beweiswürdigung des Einzelfalls.

Dass der Kläger mehrere Mitarbeiter beschäftigte, Kreditnehmer bei der Finanzierung unterstützte und mit Kreditgebern in Kontakt stand, schließt es im Übrigen nicht aus, dass er insoweit, wie vom FG angenommen, als Subunternehmer der die Provisionen zahlenden Bauträger lediglich mit einem Teil der mit dem Kreditvertrag verbundenen Sacharbeit betraut war. Nach der Entscheidung des EuGH –Ludwig– (Slg. 2007, I-5083, BFH/NV Beilage 2007, 398) handelt es sich aber nicht um eine Vermittlungstätigkeit, wenn eine der Vertragsparteien einen Subunternehmer mit einem Teil der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit betraut.

Der Streitfall unterscheidet sich auch von dem vom Kläger angeführten Urteil des FG Münster vom 4. September 2007  15 K 6100/04 U (Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1993), denn dort hatte die Außenprüfung ausdrücklich festgestellt, dass es Aufgabe des Klägers war, durch die Vermittlung von Krediten die Finanzierung von Grundstücksverkäufen sicherzustellen. Streitig war lediglich, ob er die Vermittlung in eigenem Namen und auf eigene Rechnung oder im Namen und für Rechnung einer Immobilienfirma ausgeführt hatte.

Soweit der Kläger sich darauf beruft, den Kontakt von Kreditnehmern zumindest zu einem der Kreditgeber über die Versicherungsagentur X hergestellt zu haben, ist das FG diesbezüglich zu der Überzeugung gelangt, dass er auch insoweit lediglich Hilfstätigkeiten ausgeübt habe, zwischen ihm und der Versicherung keine wie auch immer geartete Beziehung bestanden habe und dass er demnach nicht als Versicherungsvermittler tätig geworden sei.

 

Steuerfreiheit von Eingliederungszuschüsse

Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem Sozialgesetzbuch, die dem Arbeitgeber gewährt werden, sind nicht nach § 3 Nr. 2 b EStG steuerfrei, sondern als zusätzliche Betriebseinnahmen zu erfassen.

 FG Hessen 14.05.2013, 4 K 1346/11

 Begründung:

 Das Hessische Finanzgericht wies die Klage ab. Bei den Eingliederungszuschüssen handele es sich um Betriebseinnahmen des Arbeitgebers. Die Eingliederungszuschüsse seien auch nicht nach § 3 Nr. 2 b EStG steuerfrei, weil sie dem Kläger als Arbeitgeber gezahlt worden seien. Der Gesetzgeber mache im Gesetzestext durch den Verweis auf die Leistungen nach dem SGB II dagegen deutlich, dass er die Steuerfreistellung nur für Leistungen an Arbeitnehmer vorsehen wolle. Mit § 3 Nr. 2 b EStG solle ausschließlich die mit dem SGB II bezweckte Grundsicherung für Arbeitssuchende steuerlich unterstützt werden.

Selbst wenn man von der Steuerfreiheit der gewährten Eingliederungszuschüsse nach § 3 Nr. 2 b EStG ausgehe, verbleibe es in jedem Falle bei der Erfassung als weitere Betriebseinnahmen. Denn die den beiden Arbeitnehmerinnen gezahlten Löhne, die betragsmäßig höher seien als die Eingliederungszuschüsse und die als solche Betriebsausgaben darstellten, könnten dann in Höhe der entsprechenden Beträge gemäß § 3 c Abs. 1 Satz 1 EStG nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, weil insoweit ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen bestehe. Ferner führe die Anforderung der Kontoauszüge durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle nicht zu einem Verwertungsverbot zusätzlicher Betriebseinnahmen im Besteuerungsverfahren. Diese Ermittlungsmaßnahme im strafrechtlichen Verfahren sei weder zeitnah durch die dafür  trafprozessual vorgesehenen Rechtsbehelfe angefochtenen worden noch sei die Rechtswidrigkeit im Laufe des weiteren Verfahrens festgestellt worden. Vielmehr habe Kläger erst nach Auswertung der bereits mehr als 8 Monate zuvor übersandten Kontoauszüge und nach Ergehen der geänderten Einkommensteuerbescheide einen dafür gesetzlich nicht vorgesehenen Einspruch bei der Bußgeldund Strafsachenstelle eingelegt.

Letztlich würde aber auch die strafprozessuale Rechtswidrigkeit der Anforderung der Kontoauszüge nicht zu einem Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren führen, weil nach der Rechtsprechung des BFH allein ein Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensnormen nicht zu einem Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren führten. Schließlich habe die Anforderung der Kontounterlagen bei den Banken, nachdem diese von dem Kläger nicht vorgelegt worden seien, auch nicht zu massiven Grundrechtverletzungen geführt, die ein qualifiziertes Besteuerungsverbot im Besteuerungsverfahren nach sich zögen.

Das Hessische Finanzgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung gegen sein Urteil vom 13.02.2013 die Revision zugelassen. Aktenzeichen des BFH: VIII R 17/13.

 

Umsatzsteuerbefreiung von Umsätzen bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen

Scheitert die Anerkennung des sozialen Charakters einer Einrichtung zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen allein an der in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG normierten Pflicht, diesbezüglich ausschließlich auf die Verhältnisse des vorangegangenen Kalenderjahrs abzustellen, sind die Umsätze dieser Einrichtung steuerfrei.  

BFH Urteil vom 19.3.2013, XI R 47/07

Begründung:

 Zwar hat das FG für den Senat bindend festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), dass die Klägerin zum 1. Oktober 1993 für die Leistungen der Häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V), Häuslichen Pflegehilfe (§§ 53 bis 56 SGB V) und Haushaltshilfe (§ 38 SGB V) zu den Krankenkassen zugelassen worden ist, und dass in dem im Revisionsverfahren allein noch verbliebenen Streitzeitraum vom 1. Oktober 1993 bis 31. Dezember 1994 mindestens zwei Drittel ihrer Umsätze auf Personen entfallen sind, bei denen die Pflegekosten von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder überwiegend getragen worden sind. Der Tatbestand des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG ist jedoch insoweit nicht erfüllt, als die Pflegekosten nicht "im vorangegangenen Kalenderjahr" in mindestens zwei Drittel der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind.

Für die Steuerfreiheit der streitbefangenen Leistungen kann sich die Klägerin jedoch mit Erfolg unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG berufen. Zwar hat der EuGH im Urteil –Zimmermann– die Zwei-Drittel-Grenze des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG sowie die dort normierte Bedingung, dass die Kosten für die betreffenden Leistungen der ambulanten Pflege ganz oder zum überwiegenden Teil von den gesetzlichen Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträgern übernommen worden sein müssen, ausdrücklich gebilligt. Durch die in § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG normierte Pflicht, diesbezüglich jeweils auf das vorangegangene Kalenderjahr abzustellen, würde jedoch die Anerkennung des "sozialen Charakters" der Klägerin für den Streitzeitraum, in dem sie dem Grunde nach Umsätze i.S. des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG ausführte, automatisch und zwangsläufig ausgeschlossen. Hierfür bietet Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG keine Grundlage.