Steuergeheimnis

Die Offenbarung der das Steuergeheimnis betreffenden Verhältnisse eines Dritten (§ 30 Abs. 2 AO) dient i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO dann der Durchführung eines Besteuerungsverfahrens, wenn die entsprechenden Daten eine Prüfung der in einem solchen Verfahren relevanten Tatbestandsmerkmale ermöglichen, erleichtern oder auf eine festere Grundlage stellen können.

BFH Beschluss vom 29.08.2012 – X S 5/12 BFHNV 2013 S. 2

Begründung:

Zwar kann ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO und damit ein Verfahrensfehler gegeben sein, wenn das FG den Akteninhalt nicht vollständig und richtig zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Voraussetzung hierfür ist aber, dass eine nach Aktenlage feststehende Tatsache unberücksichtigt bleibt.

Mit der Verwertung der Daten des Nachfolgebetriebs des Herrn K hat das FG das Steuergeheimnis gemäß § 30 der Abgabenordnung (AO) nicht verletzt. Die Frage eines etwaigen Verwertungsverbots stellt sich daher nicht.

Nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO ist die Offenbarung der das Steuergeheimnis betreffenden Verhältnisse eines Dritten  zulässig, wenn sie u.a. der Durchführung eines Besteuerungsverfahrens dient. Dies ist dann der Fall, wenn die Daten eine Prüfung der in einem solchen Verfahren relevanten Tatbestandsmerkmale ermöglichen, erleichtern oder auf eine festere Grundlage stellen können. Hiervon ist das FG unter Zugrundelegung seiner Auffassung ausgegangen, wonach der Nachfolgebetrieb in seiner Anfangsphase im Wesentlichen unverändert fortgeführt worden und daher hinsichtlich der betrieblichen Daten mit demjenigen des Antragstellers vergleichbar sei. Auch hat das FG dargetan, dass sich die zutreffenden Umsätze und Betriebseinnahmen allein mittels der Aufzeichnungen des Antragsstellers nicht ermitteln lassen. Die Heranziehung der Daten des Herrn K steht demgemäß im Einklang mit § 30 AO.

 

 

Kein Anspruch der Erben auf Auskunft aus der Erbschaftsteuerakte, wenn die Akte nach amtsinterner Prüfung mit dem Vermerk “steuerfrei” abgeschlossen worden ist

Einen Anspruch auf Überlassung von Kopien der von Kreditinstituten gemäß § 33 ErbStG eingereichten Anzeigen haben Erben nicht, wenn das Finanzamt die Akte mit dem Vermerk "steuerfrei" geschlossen hat, ohne die Erben an dem Verfahren zu beteiligen.

Auch aus Treu und Glauben ergibt sich kein Informationsanspruch gegen das Finanzamt, wenn die Auskunft nicht der Wahrnehmung von Rechten im Besteuerungsverfahren dienen kann.

BFH Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 19/09

Erläuterungen:

Mit Urteil vom 23. Februar 2010 VII R 19/09 hat der Bundesfinanzhof (BFH) dem Finanzamt (FA) Recht gegeben, das sich geweigert hatte, einer Miterbin Kopien der von Kreditinstituten eingereichten Anzeigen über die dort geführten Konten und Depots des verstorbenen Erblassers zu überlassen.

Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz verpflichtet u.a. Banken, dem FA das von ihnen verwaltete oder verwahrte Vermögen eines Kunden nach dessen Tod unverzüglich anzuzeigen. Dementsprechend waren im Streitfall nach dem Tod des Vaters der Klägerin beim FA Anzeigen von Banken eingegangen. Zur Einleitung eines Erbschaftsteuerfestsetzungsverfahrens kam es nicht, da die amtsinterne Prüfung ergeben hatte, dass der Wert der Erbteile der Miterben den jeweiligen erbschaftsteuerlichen Freibetrag nicht überschritt. Das FA legte die Akte mit dem Vermerk "steuerfrei" ab.

Jahre später erbat die Klägerin vom FA Kopien dieser Anzeigen der Banken, um damit in einem Erbstreit mit ihren Geschwistern ihre vermeintlichen Ansprüche durchsetzen zu können. Das FA berief sich demgegenüber auf das Steuergeheimnis.

Der BFH bestätigte das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts. Ein Erbe, so der BFH, habe keinen Auskunftsanspruch gegen das FA, wenn gar kein Besteuerungsverfahren unter seiner Beteiligung durchgeführt worden sei. Eine Auskunftspflicht, wie sie die Abgabenordnung vorsehe, setze ein abgabenrechtliches Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem FA voraus. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Treu und Glauben, wie ihn die Klägerin unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) geltend gemacht hatte, lehnten die Richter ab. Auch der BGH hatte eine Treuepflicht zur Auskunftserteilung nur anerkannt, wenn die Auskunft zur Wahrung von Rechten im Rahmen einer bestehenden Sonderverbindung unabdingbar ist. Im Übrigen liege auf der Hand, dass das FA keine Treuepflicht zur Unterstützung verfahrensfremder Zwecke treffen könne. Angesichts dieses Befunds war vom BFH die weitere Frage, ob einem möglichen Auskunftsanspruch das (postmortale) Steuergeheimnis des Erblassers oder dasjenige der Miterben entgegenstehe, nicht zu beantworten.

Akteneinsicht des Insolvenzverwalters in die Steuerakte

Nur eingeschränktes Recht des Insolvenzverwalters auf Einsicht in die Steuerakten des Insolvenzschuldners

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 24. November 2009 Aktenzeichen 1 K 1752/07

 

Erläuterungen

Unmittelbar nach seiner Bestellung zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Schuldners hatte der Kläger Einsicht in die beim beklagten Finanzamt geführten Steuerakten des Schuldners beantragt, um Kenntnis von möglichen Vermögensverschiebungen des Schuldners an Verwandte zu erlangen. Das Finanzamt erteilte dem Kläger Auskunft über einzelne möglicherweise anfechtbare Sachverhalte, verweigerte aber die begehrte umfassende eigene Einsicht in die Steuerakten. Der Kläger war demgegenüber der Meinung, dass er hinsichtlich der Insolvenzmasse die gleichen Rechte auf Gewährung von Akteneinsicht habe, wie sie für den Schuldner ohne Insolvenz bestanden hätten. Er habe zu prüfen, ob der Schuldner vor Insolvenzeröffnung seine steuerlichen Pflichten erfüllt habe und ob möglicherweise falsche Erklärungen zu berichtigen seien. Zudem müssten auch noch Steuererklärungen abgegeben werden, für deren Bearbeitung die Kenntnis des Inhalts der Erklärungen der Vorjahre erforderlich sei. Vom Schuldner selbst und seinen Steuerberatern seien diese Informationen nicht zu erhalten.

Das beklagte Finanzamt blieb jedoch bei seiner Ansicht. Akteneinsicht könne nur im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Abwägung der Interessen des Klägers und der öffentlichen Belange gewährt werden. Die öffentlichen Belange, insbesondere der durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) gewährleistete Schutz der im Besteuerungsverfahren bekannt gewordenen Verhältnisse des Schuldners, aber auch seiner getrennt veranlagten Ehefrau, überwögen die Interessen des Klägers.

 Mit seiner Klage trug der Kläger vor, dass die Einsichtnahme hauptsächlich der Erfüllung der steuerlichen Pflichten diene, aber auch der Verfolgung anfechtbarer Vermögensverschiebungen des Schuldners. Sollten entsprechende Anfechtungen Erfolg haben, ergäben sich daraus auch Auswirkungen auf die  steuerlich relevanten Einkünfte des Klägers, die zu einer Änderung der Steuerfestsetzungen führen würden. Insoweit diene die begehrte Akteneinsicht zumindest im Nebenzweck auch der Erfüllung der steuerlichen Pflichten.

 Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, dass ein allgemeiner Anspruch auf Akteneinsicht nicht bestehe. Der Kläger habe nur Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber, ob ihm im Einzelfall Akteneinsicht gewährt werde. Die im Rahmen der Finanzgerichtsordnung nur eingeschränkt mögliche Überprüfung der Ermessensentscheidung des Finanzamts über die Ablehnung des Antrags begegne keinen rechtlichen Bedenken. Das Finanzamt habe u.a. rechtsfehlerfrei in seine Ermessensentscheidung die Wahrung des Steuergeheimnisses als zentralen öffentlichen Belang einbezogen. Dem Steuergeheimnis unterlägen sowohl die Verhältnisse des Schuldners als auch die seiner Ehefrau, insbesondere in den Jahren, in denen sie vom Schuldner getrennt veranlagt worden sei, außerdem die Verhältnisse Dritter. Zu Recht sei berücksichtigt worden, dass eine Zustimmung des Schuldners nicht vorliege und dass diese auch nicht durch eine Zustimmung des Insolvenzverwalters ersetzt werden könne, da die Zustimmung zur Offenbarung personenbezogener Verhältnisse ein höchstpersönliches Recht des Schuldners sei. Ein Akteneinsichts- und Auskunftsrecht des Insolvenzverwalters sei nicht schon dann gegeben, wenn lediglich ein – nicht substantiierter – Verdacht bestehe, ein Dritter habe vom Schuldner in anfechtbarer Weise einen Vermögensgegenstand erhalten. Das Finanzamt habe auch ohne Ermessensfehler ein überwiegendes Interesse des Insolvenzverwalters an einer Akteneinsicht zwecks Überprüfung bereits abgegebener Steuererklärungen verneint, da eine Pflicht zu einer Berichtigung nur bei einer positiven Kenntnis des Berichtigungsbedarfs bestehe. Soweit der Kläger darauf hingewiesen habe, Akteneinsicht zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Schuldners zu benötigen, habe das Finanzamt ohne Ermessensfehler darauf abgestellt, dass er nicht im Einzelnen dargetan habe, über welche steuerlich erheblichen Tatsachen er bereits Kenntnis habe und welche Informationen er noch zur Erstellung der Steuererklärungen benötige.