Maßstäbe für die Zusammenballung von Einkünften nach § 34 EStG

Eine Entschädigung führt zu außerordentlichen Einkünften nach § 34 Abs. 2 EStG, wenn sie zusammengeballt zufließen, weil der Steuerpflichtige infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einschließlich der Entschädigung in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge erhalten würde (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung) .

Was der Steuerpflichtige bei normalem Ablauf der Dinge erhalten würde, kann nur aufgrund einer hypothetischen und prognostischen Beurteilung ermittelt werden; dabei ist nicht auf die Verhältnisse des Vorjahres abzustellen, wenn die Einnahmesituation durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt ist und sich daraus keine Vorhersagen für den (unterstellten) normalen Verlauf bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ableiten lassen .

BFH Urteil vom 27.1.2010, IX R 31/09

 Begründung:

 Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die auf außerordentliche Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG (Fünftelregelung) zu berechnen. Als außerordentliche Einkünfte kommen nur die in § 34 Abs. 2 EStG aufgeführten Einkünfte in Betracht. Das bedeutet aber nicht, die –hier im Streitjahr vereinnahmte– Entschädigung (§ 24 Nr. 1 EStG) sei ohne weiteres ermäßigt zu besteuern. Vielmehr ist der Wortlaut des § 34 Abs. 2 EStG entsprechend dem Normzweck, die Auswirkungen des progressiven Tarifs abzuschwächen, auf solche Einkünfte zu beschränken, die "zusammengeballt" zufließen. Davon ist auszugehen, wenn der Steuerpflichtige infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum einschließlich der Entschädigung insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge erhalten hätte.

 Die dafür notwendige, hypothetische und prognostische Betrachtung orientiert sich grundsätzlich an den Verhältnissen des Vorjahres, die dem Veranlagungszeitraum, in dem die Entschädigung zufließt, am nächsten liegen. Eine darauf aufbauende Vergleichsberechnung lediglich am Maßstab des Vorjahres ist aber keineswegs zwingend. Sie gilt nur für den Normalfall, in dem die Verhältnisse des Vorjahres –z.B. im Zuge einer normalen Gehaltsentwicklung– auch diejenigen des Folgejahres mit großer Wahrscheinlichkeit abbilden. Sie gilt aber dann nicht, wenn die Einnahmesituation des Vorjahres durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt ist und sich daraus keine Vorhersagen für den (unterstellten) normalen Verlauf bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ableiten lassen. So beanstandet es der BFH insbesondere bei variablen Gehaltskomponenten nicht, wenn im Wege einer Prognoseentscheidung (auch) auf die Vorjahre zurückgegriffen wird.

 

 

Reisekosten eines Unternehmers

Die bei einer Auslandsreise beabsichtigte Anbahnung von Kontakten zu Politikern und Unternehmern in den besuchten Ländern geht im Sinne einer betrieblichen Veranlassung der Reise zumindest dann über ein bloß allgemeines Interesse an politischen oder wirtschaftspolitischen oder gesellschaftspolitischen Informationen hinaus, wenn nicht auszuschließen ist, dass der Teilnehmer die erwarteten Informationen und Kontakte für seine unternehmerischen Ziele nutzen kann .

Bei Delegationsreisen mit hochgestellten Politikern kann aufgrund der Vorauswahl der Teilnehmer durch das zuständige Ministerium im Regelfall davon ausgegangen werden, dass es sich um Repräsentanten von Unternehmen handelt, die international ausgerichtet sind oder dies anstreben.

BFH Urteil vom 9.3.2010, VIII R 32/07

Erläuterungen:

Nimmt ein Unternehmer an offiziellen Delegationsreisen von Regierungsmitgliedern und am World Economic Forum teil, so können die dafür anfallenden Reisekosten als Betriebsausgaben abziehbar sein. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 9. März 2010 VIII R 32/07 entschieden.

Der Kläger hatte als Mitglied einer Wirtschaftsdelegation an Auslandsreisen des Ministerpräsidenten und des Wirtschaftsministers seines Bundeslandes und – zusammen mit seiner Ehefrau – auch an Tagungen des Weltwirtschaftsforums in Davos teilgenommen. Er ist Alleingesellschafter einer Aktiengesellschaft und ebenso wie sein Ehefrau auch deren Vorstand. Die Kosten der jeweiligen Reisen hatte die Aktiengesellschaft übernommen.

Das Finanzgericht (FG) war der Meinung, die Reisen seien überwiegend privat veranlasst. Die von den Klägern erhoffte Anbahnung geschäftlicher Kontakte sei zu unsicher gewesen, um von einem betrieblichen Interesse ausgehen zu können. Das FG hat deshalb verdeckte Gewinnausschüttungen in Höhe der Reisekosten angenommen.

Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Im Streitfall kam eine Aufteilung der Reisekosten nach den beruflichen und privaten Zeitanteilen der Reise nicht in Betracht. Den Reisen lag auch kein unmittelbarer betrieblicher Anlass zugrunde. Deshalb war die betriebliche Veranlassung anhand einer umfassenden Abwägung aller für und gegen sie sprechenden Umstände zu prüfen.

Die vom FG vorgenommene Abwägung beurteilte der BFH als fehlerhaft. Deshalb muss es nun im zweiten Rechtsgang noch einmal prüfen, ob die Reisen beruflich veranlasst waren. Nach Auffassung des BFH ist aufgrund der Auswahl der Reiseteilnehmer durch das zuständige Ministerium im Regelfall die von den Klägern in Anspruch genommene Aussicht auf Anbahnung von Geschäftskontakten als hinreichendes betriebliches Interesse anzuerkennen. Eine private Veranlassung der Reisen sei aufgrund des Programmablaufs grundsätzlich ausgeschlossen gewesen.

 

Fortbildung zur Handelsfachwirtin als Berufsausbildung

Fortbildung zur Handelsfachwirtin als Berufsausbildung

BFH Urteil vom 24.2.2010, III R 3/08

Begründung:

In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind.

Das FG ist in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei der Fortbildung der T um eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG handelt, da der mit der GmbH abgeschlossene Fortbildungsvertrag der Erlangung der angestrebten beruflichen Qualifikation der Handelsfachwirtin gedient und der Ausbildungscharakter im Vordergrund gestanden habe. Diese Entscheidung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden

Keine Aufteilung von Reisekosten bei untergeordnetem betrieblichem Anteil

Keine Aufteilung von Reisekosten bei untergeordnetem betrieblichem Anteil

BFH Beschluss vom 17.12.2009, X B 115/09

Begründung:

Auch der Vorlagebeschluss geht davon aus, dass –wie bisher– eine Aufteilung der Aufwendungen bei gemischt veranlassten Reisen nur in Betracht komme, wenn die beruflich/betrieblich veranlassten Zeitanteile gegenüber den privat veranlassten Zeitanteilen ins Gewicht fielen. Ob im Einzelfall die beruflich/betrieblich veranlassten Zeitanteile nicht nur von untergeordneter Bedeutung seien, sei eine Frage der tatrichterlichen Würdigung, die grundsätzlich dem FG obliege.

Die Entscheidung des FG beruht auf diesen Grundsätzen. Das FG hat (ab Seite 11 des Urteils) die Gesamtumstände dahin gewertet, dass der betrieblich veranlasste Teil der Reise von ganz untergeordneter Bedeutung gewesen sei. In Bezug auf diese Würdigung haben die Kläger keine Zulassungsrügen erhoben. Sie ist auch nicht offensichtlich fehlerhaft. Der nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist vorgebrachte Einwand, dem FG seien Fehler von so erheblichem Gewicht unterlaufen, dass ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung bestehe, ist daher ebenfalls unzutreffend.

Werbungskosten bei Teilnahme an einer Auslandsgruppenreise

Zur Klärung der Veranlassungsbeiträge bei Teilnahme an einer Auslandsgruppenreise gelten auch nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06 die früher von ihm entwickelten Abgrenzungsmerkmale grundsätzlich weiter .

Haben nicht nur berufliche Gründe den Steuerpflichtigen bewogen, die Reisekosten zu tragen, ist zu prüfen, ob die beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge voneinander abgrenzbar sind .

Im Fall der Abgrenzbarkeit sind die Reisekosten in Werbungskosten und Aufwendungen für die private Lebensführung aufzuteilen. Als sachgerechter Aufteilungsmaßstab kommt vor allem das Verhältnis der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile in Betracht .

BFH Urteil vom 21.4.2010, VI R 5/07

 Begründung:

 Auch Aufwendungen für der beruflichen Fortbildung dienende Reisen sind demnach dann als Werbungskosten abziehbar, wenn sie durch den Beruf bzw. den Betrieb veranlasst sind. Ob dies zutrifft, ist durch die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Der Abzug der Reisekosten setzt nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen/betrieblichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist zum einen der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher bzw. betrieblicher Anlass zugrunde liegt (z.B. das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrages auf einem Fachkongress, die Durchführung eines Forschungsauftrages) und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet. Gleiches gilt, wenn die berufliche bzw. betriebliche Veranlassung bei weitem überwiegt und die Befriedigung privater Interessen, wie z.B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist. Anderenfalls sind die gesamten Reisekosten nicht abziehbar, soweit sich nicht ein durch den Beruf/Betrieb veranlasster Teil nach objektiven Maßstäben sicher und leicht abgrenzen lässt.

 Zur Begründung hat sich die bisherige Rechtsprechung im Wesentlichen auf § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG berufen. Danach verbietet diese Vorschrift zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und damit den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der privaten Lebensführung dienen als auch den Beruf fördern. Mit Beschluss vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1) hat der Große Senat des BFH diese Rechtsprechung aufgegeben. Nach seiner Auffassung normiert § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot. Die Vorschrift steht somit einer Aufteilung von gemischt veranlassten, aber anhand ihrer beruflichen und privaten Anteile trennbaren Reisekosten nicht entgegen. Enthält eine Reise abgrenzbare berufliche und private Veranlassungsbeiträge, die jeweils nicht von völlig untergeordneter Bedeutung sind, so erfordert es das objektive Nettoprinzip grundsätzlich, den beruflich veranlassten Teil der Reisekosten zum Abzug zuzulassen. Reisekosten, die sowohl den beruflichen als auch den privaten Reiseteil betreffen (z.B. Kosten der Hin- und Rückreise zu einem Auslandsaufenthalt, der berufliche und private Teile umfasst), sind zur Umsetzung des Nettoprinzips ebenfalls aufzuteilen. Als sachgerechter Aufteilungsmaßstab kommt das Verhältnis der beruflichen und privaten Zeitanteile der Reise in Betracht. Das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder von einer Aufteilung ganz abzusehen.

 Erläuterungen:

Mit Urteil vom 21. April 2010 VI R 5/07 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Reisekosten nur dann in Werbungskosten und Aufwendungen für die private Lebensführung aufzuteilen sind, wenn die beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge objektiv voneinander abgegrenzt werden können. Als sachgerechter Aufteilungsmaßstab kommt dafür vor allem das Verhältnis der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile in Betracht.

 Im Streitfall ging es um den Abzug der Aufwendungen, die einer Gymnasiallehrerin für Englisch und Religion anlässlich einer achttägigen Fortbildungsreise für Englischlehrer nach Dublin, Irland, entstanden waren. Die Reise, die von der Englischlehrervereinigung angeboten und durchgeführt wurde und für die die Klägerin Dienstbefreiung erhalten hatte, lief nach einem festen Programm ab, das kulturelle Vortragsveranstaltungen und Besichtigungstermine, sowie einen Tagesausflug nach Belfast umfasste. Finanzamt und Finanzgericht (FG) lehnten den Abzug der Aufwendungen in vollem Umfang ab.

 Der BFH hob die Vorentscheidung auf und forderte das FG auf, erneut zu prüfen, ob die Kosten der Bildungsreise als beruflich veranlasste Aufwendungen ganz oder zumindest teilweise als Werbungskosten zu berücksichtigen seien. Zur Klärung der Veranlassungsbeiträge bei Teilnahme an einer Auslandsgruppenreise gelten nach Auffassung des BFH auch nach der geänderten Rechtsprechung des Großen Senats des BFH die früher von ihm entwickelten Abgrenzungsmerkmale grundsätzlich weiter. Haben nicht nur berufliche Gründe den Steuerpflichtigen bewogen, die Reisekosten zu tragen, so ist zu prüfen, ob die beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge objektiv voneinander abgrenzbar sind.

Reisekosten sind nur dann als Werbungskosten steuerlich abziehbar, wenn sie beruflich veranlasst sind. Sind diese Aufwendungen sowohl beruflich als auch privat veranlasst (sog. gemischte Aufwendungen), so können sie nach der geänderten Rechtsprechung des Großen Senats des BFH (Beschluss vom 21. September 2009 GrS 1/06) grundsätzlich in abziehbare Werbungskosten und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind.

Zahlungen im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Erbausgleich sind keine außergewöhnlichen Belastungen

Zahlungen im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Erbausgleich des nichtehelichen Kindes nach § 1934d BGB sind unabhängig von den Vermögensverhältnissen des Vaters nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen .

Die Frage, ob das Grundgesetz nach Beitritt der neuen Bundesländer außer Kraft getreten sei und es deshalb an Grundlagen für die Verabschiedung von Steuergesetzen und den Erlass von Steuerbescheiden fehle, erlaubt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht. Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, da die Fortgeltung des Grundgesetzes nach dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland nicht ernstlich zweifelhaft ist.

BFH Beschluss vom 28.4.2010, VI B 167/09

 

 

Ernstliche Zweifel an Gewinnrealisierung bei Übertragung eines Wirtschaftsguts zwischen Schwesterpersonengesellschaften

Auch nach Ergehen des BFH-Urteils vom 25. November 2009 I R 72/08 (DStR 2010, 269) ist ernstlich zweifelhaft, ob die Übertragung eines Wirtschaftsguts des Gesamthandsvermögens einer Personengesellschaft auf eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft zur Aufdeckung stiller Reserven führt.

BFH Beschluss vom 15.4.2010, IV B 105/09

Begründung:

Das FG hat zwar zutreffend ausgeführt, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG die Übertragung zwischen den Gesamthandsvermögen von Schwestergesellschaften nicht regelt.

 Mit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG hat sich der Gesetzgeber für eine transparente Besteuerung von Personengesellschaften entschieden. Die Personengesellschaft ist danach Steuerrechtssubjekt bei der Qualifikation und der Ermittlung der Einkünfte. Subjekt der Einkünfteerzielung ist hingegen der Gesellschafter. Aus dem Subjektsteuerprinzip folgt, dass jeder Gesellschafter den auf ihn entfallenden Anteil an den erzielten Einkünften zu versteuern hat. Jedem Gesellschafter ist auch sein Anteil an den stillen Reserven der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens zuzuordnen.

 Eine Verschiebung stiller Reserven zwischen den Gesellschaftern entspricht nicht dem Subjektsteuerprinzip. Gleichwohl lässt das Gesetz in verschiedenen Fällen zu, dass stille Reserven auf andere Gesellschafter derselben Personengesellschaft übergehen. Dies gilt insbesondere bei Übertragungen von Einzelwirtschaftsgütern in den von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG geregelten Fällen.

Folgerichtig ist es demgegenüber, wenn ein Steuersubjekt die ihm zuzuordnenden stillen Reserven ungeachtet dessen beibehält, in welchem Betriebsvermögen sich das betreffende Wirtschaftsgut befindet. Diesen Grundsatz regelt systemkonform § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG, der den Ansatz des Buchwerts bei der Überführung zwischen zwei Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen anordnet. Ebenfalls dem System entspricht es dann, wenn § 6 Abs. 5 Satz 2 EStG die Beibehaltung des Buchwerts bei Überführungen von Wirtschaftsgütern zwischen Einzel- und Sonderbetriebsvermögen bzw. zwischen zwei verschiedenen Sonderbetriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen verlangt.

Angesichts dessen bedürfte es einer besonderen Rechtfertigung dafür, stille Reserven der Besteuerung zu unterwerfen, wenn diese dadurch demselben Steuersubjekt zugeordnet bleiben, dass sie von dem Gesamthandsvermögen einer mitunternehmerischen Personengesellschaft unentgeltlich oder gegen Minderung und Gewährung von Gesellschaftsrechten in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen anderen mitunternehmerischen Personengesellschaft übertragen werden. Eine derartige Rechtfertigung ist nicht ersichtlich. Es ist auch nicht zu erkennen, dass sich der Gesetzgeber des UntStFG auf einen Rechtfertigungsgrund bezogen hätte. Die Aufdeckung stiller Reserven aufgrund einer derartigen Übertragung würde danach zu einer im Sinne des Folgerichtigkeitsgebots gleichheitswidrigen Besteuerung führen, denn sie kann sich weder auf die gesteigerte Leistungsfähigkeit des Gesellschafters noch auf eine Entstrickung und noch nicht einmal auf die erhöhte Gefahr einer späteren unbemerkten Entstrickung stützen.

 

 

Verdeckte Gewinnausschüttung privat genutzte Räume

Private Nutzung eines Dachgeschosses im Rahmen einer Betriebsaufspaltung

BFH Urteil vom 9.12.2009, X R 52/06

Begründung:

 Zwischen dem Kläger und der GmbH bestand eine Betriebsaufspaltung so dass das an die GmbH vermietete Gebäude Betriebsvermögen des Besitzunternehmens (Einzelunternehmen) sein konnte. Ein Gebäude kann aus mehreren Wirtschaftsgütern bestehen; maßgebend ist der jeweilige Nutzungs- und Funktionszusammenhang  wird ein Gebäude teils eigenbetrieblich, teils fremdbetrieblich, teils zu eigenen Wohnzwecken, teils zu fremden Wohnzwecken genutzt, ist jeder der vier unterschiedlich genutzten Gebäudeteile ein besonderes Wirtschaftsgut.

 Im Streitfall ist das Dachgeschoss betrieblich genutzt, da es –unabhängig von der tatsächlichen privaten Mitbenutzung– an die GmbH im Zuge einer Betriebsaufspaltung gewerblich vermietet wurde. Die private Nutzung des Dachgeschosses ist eine verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH an den Kläger, die der Kläger nach § 15 EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Abs. 3 EStG im Rahmen seines Besitzunternehmens zu versteuern hat. Die private Nutzung der Dachgeschossräume lässt die betriebliche Veranlassung der Vermietung an die GmbH unberührt, ist aber als gesellschaftlich veranlasste Vorteilsgewährung der GmbH an den Kläger zu erfassen.

Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die verdeckte Gewinnausschüttung beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt. Eine gesellschaftliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil unter sonst gleichen Umständen einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte.

Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Die unentgeltliche Überlassung betrieblich angemieteter Räume an einen Gesellschafter zur privaten Nutzung ist gesellschaftlich veranlasst; einem Nichtgesellschafter wäre ein solcher Vorteil nicht eingeräumt worden

. Selbstbindung der Finanzverwaltung bei der Bewertung von Immobilien

Zwischen Dach und abgehängten Decken des Obergeschosses existierender Raum als "nicht ausgebauter Dachraum"

Eine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung.

BFH Urteil vom 4.2.2010, II R 1/09

Begründung:

Angesichts der Tatsache, dass das BewG keine weiteren Vorgaben zur Ermittlung des Gebäudewerts enthält, hat die Bundesregierung bereits am 19. September 1966 mit Zustimmung des Bundesrates auf der Grundlage des Art. 108 Abs. 6 des Grundgesetzes (GG) in der damaligen Fassung die BewRGr erlassen, welche das Bewertungsrecht betreffende Zweifels- und Auslegungsfragen von allgemeiner Bedeutung behandeln und primär der einheitlichen Anwendung des Bewertungsrechts durch die Finanzbehörden dienen. Nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 1 BewRGr ist der umbaute Raum nach DIN 277 in der Fassung aus November 1950 zu berechnen, wozu ausweislich des Satzes 5 der Vorschrift im Einzelnen auf die in Anlage 12 zu den BewRGr enthaltenen, aus der DIN 277 entnommenen Zeichnungen verwiesen wird. Nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 2 BewRGr werden unter anderem "ausgebaute Dachgeschosse" mit dem vollen Rauminhalt angesetzt, während nach Satz 3 der Vorschrift "nicht ausgebaute Dachräume" mit einem Drittel ihres Rauminhalts berücksichtigt werden. Letzteres gilt nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr auch dann, wenn die Decke über dem obersten Vollgeschoss nicht begehbar ist, wie dies nach den dortigen Ausführungen "z.B." bei "unterhalb des Daches aufgehängte(n) Staubdecken" der Fall sein soll.

Der Senat ist zwar an die Wertungen in Abschn. 37 Abs. 1 BewRGr nicht gebunden, weil er nur dem Gesetz unterworfen ist (Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 GG) und Verwaltungsvorschriften (Richtlinien, Erlasse, Verfügungen) nur die nachgeordneten Verwaltungsdienststellen binden. Eine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung besteht allerdings als Ausfluss von Art. 3 Abs. 1 GG ausnahmsweise in dem Bereich der der Verwaltung vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit, also im Bereich des Ermessens, der Billigkeit und der Typisierung oder Pauschalierung. Damit wird der Bedeutung Rechnung getragen, die den BewRGr für die Gewährleistung einer möglichst gleichmäßigen Besteuerung, für die Rechtssicherheit sowie für die Praktikabilität des Bewertungsverfahrens zukommt.

Im Streitfall steht der einschränkenden Auslegung des Abschn. 37 Abs. 1 BewRGr durch das FA der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung entgegen. Die Verwaltung hat in Abschn. 37 Abs. 1 BewRGr eine die Berechnung des umbauten Raumes betreffende Typisierung vorgenommen, welche nach dem Grad der Raumnutzbarkeit differenziert und weder sachfremd ist noch den ohnehin nur kursorischen Vorgaben in §§ 85 ff. BewG widerspricht. Der zwischen dem geneigten Dach des streitbefangenen Gebäudes und den als Deckenabschluss vorhandenen abgehängten Decken in den Büroräumen des Obergeschosses existierende Raum stellt sich danach als "nicht ausgebauter Dachraum" i.S. des Abschn. 37 Abs. 1 Satz 3 BewRGr dar.

Nach Abschn. 37 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BewRGr können Dachräume nämlich nur entweder "ausgebaut" i.S. des Satzes 2 oder "nicht ausgebaut" i.S. des Satzes 3 der Vorschrift sein. Dabei setzt ein "ausgebauter Dachraum" –wie sich aus der Aufzählung in Satz 2 ergibt– Ausbaumaßnahmen in einem Umfang voraus, welche die Nutzung des Dachgeschossraumes nach Art eines Vollgeschosses oder Kellers ermöglichen. Nur diejenigen Dachgeschossräume sind also vollständig in die Ermittlung des umbauten Raumes einzubeziehen, die gerade durch ihren Ausbau mit Blick auf die Nutzbarkeit den ansonsten voll anzusetzenden Vollgeschoss- und Kellerräumen gleichstehen, während nicht ausgebaute Dachgeschosse wegen ihrer den vorgenannten Räumlichkeiten nicht vergleichbaren Nutzbarkeit nur vermindert einzubeziehen sind.

Die Auffassung des FA, die abgehängte Decke diene lediglich der Aufnahme verkleideter Versorgungsleitungen und ihre Nichtbegehbarkeit führe nicht zu einem darüber liegenden Dachraum, widerspricht den von der Finanzverwaltung selbst geschaffenen Vorgaben des Abschn. 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr. Danach gelten die Ausführungen in Satz 3 auch, wenn die Decke über dem obersten Vollgeschoss nicht begehbar ist, womit jede nicht begehbare Decke über dem obersten Vollgeschoss erfasst wird. Auf die Frage, ob eine abgehängte Decke einer in Satz 4 beispielhaft aufgezählten, unterhalb des Daches aufgehängten Staubdecke entspricht, kommt es danach nicht an.