Verdeckte Gewinnausschüttung privat genutzte Räume

Private Nutzung eines Dachgeschosses im Rahmen einer Betriebsaufspaltung

BFH Urteil vom 9.12.2009, X R 52/06

Begründung:

 Zwischen dem Kläger und der GmbH bestand eine Betriebsaufspaltung so dass das an die GmbH vermietete Gebäude Betriebsvermögen des Besitzunternehmens (Einzelunternehmen) sein konnte. Ein Gebäude kann aus mehreren Wirtschaftsgütern bestehen; maßgebend ist der jeweilige Nutzungs- und Funktionszusammenhang  wird ein Gebäude teils eigenbetrieblich, teils fremdbetrieblich, teils zu eigenen Wohnzwecken, teils zu fremden Wohnzwecken genutzt, ist jeder der vier unterschiedlich genutzten Gebäudeteile ein besonderes Wirtschaftsgut.

 Im Streitfall ist das Dachgeschoss betrieblich genutzt, da es –unabhängig von der tatsächlichen privaten Mitbenutzung– an die GmbH im Zuge einer Betriebsaufspaltung gewerblich vermietet wurde. Die private Nutzung des Dachgeschosses ist eine verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH an den Kläger, die der Kläger nach § 15 EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Abs. 3 EStG im Rahmen seines Besitzunternehmens zu versteuern hat. Die private Nutzung der Dachgeschossräume lässt die betriebliche Veranlassung der Vermietung an die GmbH unberührt, ist aber als gesellschaftlich veranlasste Vorteilsgewährung der GmbH an den Kläger zu erfassen.

Eine verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die verdeckte Gewinnausschüttung beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt. Eine gesellschaftliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil unter sonst gleichen Umständen einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte.

Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Die unentgeltliche Überlassung betrieblich angemieteter Räume an einen Gesellschafter zur privaten Nutzung ist gesellschaftlich veranlasst; einem Nichtgesellschafter wäre ein solcher Vorteil nicht eingeräumt worden

. Selbstbindung der Finanzverwaltung bei der Bewertung von Immobilien

Zwischen Dach und abgehängten Decken des Obergeschosses existierender Raum als "nicht ausgebauter Dachraum"

Eine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung.

BFH Urteil vom 4.2.2010, II R 1/09

Begründung:

Angesichts der Tatsache, dass das BewG keine weiteren Vorgaben zur Ermittlung des Gebäudewerts enthält, hat die Bundesregierung bereits am 19. September 1966 mit Zustimmung des Bundesrates auf der Grundlage des Art. 108 Abs. 6 des Grundgesetzes (GG) in der damaligen Fassung die BewRGr erlassen, welche das Bewertungsrecht betreffende Zweifels- und Auslegungsfragen von allgemeiner Bedeutung behandeln und primär der einheitlichen Anwendung des Bewertungsrechts durch die Finanzbehörden dienen. Nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 1 BewRGr ist der umbaute Raum nach DIN 277 in der Fassung aus November 1950 zu berechnen, wozu ausweislich des Satzes 5 der Vorschrift im Einzelnen auf die in Anlage 12 zu den BewRGr enthaltenen, aus der DIN 277 entnommenen Zeichnungen verwiesen wird. Nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 2 BewRGr werden unter anderem "ausgebaute Dachgeschosse" mit dem vollen Rauminhalt angesetzt, während nach Satz 3 der Vorschrift "nicht ausgebaute Dachräume" mit einem Drittel ihres Rauminhalts berücksichtigt werden. Letzteres gilt nach Abschn. 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr auch dann, wenn die Decke über dem obersten Vollgeschoss nicht begehbar ist, wie dies nach den dortigen Ausführungen "z.B." bei "unterhalb des Daches aufgehängte(n) Staubdecken" der Fall sein soll.

Der Senat ist zwar an die Wertungen in Abschn. 37 Abs. 1 BewRGr nicht gebunden, weil er nur dem Gesetz unterworfen ist (Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 GG) und Verwaltungsvorschriften (Richtlinien, Erlasse, Verfügungen) nur die nachgeordneten Verwaltungsdienststellen binden. Eine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung besteht allerdings als Ausfluss von Art. 3 Abs. 1 GG ausnahmsweise in dem Bereich der der Verwaltung vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit, also im Bereich des Ermessens, der Billigkeit und der Typisierung oder Pauschalierung. Damit wird der Bedeutung Rechnung getragen, die den BewRGr für die Gewährleistung einer möglichst gleichmäßigen Besteuerung, für die Rechtssicherheit sowie für die Praktikabilität des Bewertungsverfahrens zukommt.

Im Streitfall steht der einschränkenden Auslegung des Abschn. 37 Abs. 1 BewRGr durch das FA der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung entgegen. Die Verwaltung hat in Abschn. 37 Abs. 1 BewRGr eine die Berechnung des umbauten Raumes betreffende Typisierung vorgenommen, welche nach dem Grad der Raumnutzbarkeit differenziert und weder sachfremd ist noch den ohnehin nur kursorischen Vorgaben in §§ 85 ff. BewG widerspricht. Der zwischen dem geneigten Dach des streitbefangenen Gebäudes und den als Deckenabschluss vorhandenen abgehängten Decken in den Büroräumen des Obergeschosses existierende Raum stellt sich danach als "nicht ausgebauter Dachraum" i.S. des Abschn. 37 Abs. 1 Satz 3 BewRGr dar.

Nach Abschn. 37 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BewRGr können Dachräume nämlich nur entweder "ausgebaut" i.S. des Satzes 2 oder "nicht ausgebaut" i.S. des Satzes 3 der Vorschrift sein. Dabei setzt ein "ausgebauter Dachraum" –wie sich aus der Aufzählung in Satz 2 ergibt– Ausbaumaßnahmen in einem Umfang voraus, welche die Nutzung des Dachgeschossraumes nach Art eines Vollgeschosses oder Kellers ermöglichen. Nur diejenigen Dachgeschossräume sind also vollständig in die Ermittlung des umbauten Raumes einzubeziehen, die gerade durch ihren Ausbau mit Blick auf die Nutzbarkeit den ansonsten voll anzusetzenden Vollgeschoss- und Kellerräumen gleichstehen, während nicht ausgebaute Dachgeschosse wegen ihrer den vorgenannten Räumlichkeiten nicht vergleichbaren Nutzbarkeit nur vermindert einzubeziehen sind.

Die Auffassung des FA, die abgehängte Decke diene lediglich der Aufnahme verkleideter Versorgungsleitungen und ihre Nichtbegehbarkeit führe nicht zu einem darüber liegenden Dachraum, widerspricht den von der Finanzverwaltung selbst geschaffenen Vorgaben des Abschn. 37 Abs. 1 Satz 4 BewRGr. Danach gelten die Ausführungen in Satz 3 auch, wenn die Decke über dem obersten Vollgeschoss nicht begehbar ist, womit jede nicht begehbare Decke über dem obersten Vollgeschoss erfasst wird. Auf die Frage, ob eine abgehängte Decke einer in Satz 4 beispielhaft aufgezählten, unterhalb des Daches aufgehängten Staubdecke entspricht, kommt es danach nicht an.

Einreihung trinkbarer Nahrungsergänzungsmittel als Getränke mit 19 %

Die Einreihung eines Erzeugnisses in die Position 2202 KN ("andere nichtalkoholhaltige Getränke") setzt voraus, dass es sich um eine Flüssigkeit handelt, die zum unmittelbaren menschlichen Genuss geeignet und auch bestimmt ist .

Lebensmittelzubereitungen, die als Nahrungsergänzungsmittel gekennzeichnet sind, in flüssiger Form in Trinkfläschchen vertrieben werden und sich unmittelbar zum Trinken eignen, sind in die Position 2202 KN einzureihen, auch wenn sie nach den Empfehlungen des Herstellers nur in kleinen Mengen oder mit einer bestimmten Menge Wasser verdünnt einzunehmen sind .

In Bezug auf solche Lebensmittelzubereitungen ist die Position 2202 KN im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 3a genauer als die Position 2106 KN .

BFH Urteil vom 30.3.2010, VII R 35/09

Begründung:

Zu Unrecht hat das FG der Vorinstanz die von der Klägerin in flüssiger Form vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel in die Pos. 2106 KN eingereiht und damit gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung in Verbindung mit Nr. 33 der Anlage zu dieser Vorschrift dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterworfen. Vielmehr sind die streitgegenständlichen Erzeugnisse in die Pos. 2202 KN einzureihen, so dass auf sie nach § 12 Abs. 1 UStG der Regelsteuersatz anzuwenden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH, der sich der Senat angeschlossen hat, ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der KN –AV– 1 und 6). Dazu gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und Einreihungsavise (Tarifavise), die ebenso wie die Erläuterungen zur KN ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. zuletzt: EuGH-Urteil vom 27. November 2008 C-403/07 –Metherma–, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2009, 15, und Senatsurteil vom 17. November 1998 VII R 50/97, BFH/NV 1999, 688). Auf den sich aus den objektiven Merkmalen und Eigenschaften ergebenden Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. EuGH-Urteil vom 18. April 1991 C-219/89 –WeserGold–, Slg. 1991, I-1895 Rz 9, und Senatsurteil vom 5. Oktober 1999 VII R 42/98, BFHE 190, 501, m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei dem Ausdruck "andere Getränke" der Tarifnr. 22.02 GZT um einen Gattungsbegriff, mit dem alle zum menschlichen Genuss geeigneten und bestimmten Flüssigkeiten gemeint sind, soweit sie nicht von einer anderen spezifischen Einteilung erfasst werden. Der Inhalt dieses Begriffes ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen, ohne dass es auf die Art und Weise der Einnahme, die eingenommene Menge oder die besonderen Zwecke ankommt, denen die verschiedenen Arten genießbarer Flüssigkeiten dienen können (EuGH-Urteil in Slg. 1981, 895, 903).

Die flüssige Beschaffenheit der Ware und ihre Bestimmung zum menschlichen Genuss müssen als die objektive Beschaffenheit der Ware bestimmende Eigenschaften im Zeitpunkt der Überführung der Ware in den zollrechtlich freien Verkehr vorhanden und feststellbar sein.

Ein Erzeugnis könne nur dann als nicht trinkbar angesehen werden, wenn es jedem Durchschnittsverbraucher unmöglich wäre, aus gesundheitlichen oder geschmacklichen Gründen das Erzeugnis unmittelbar, ohne Verdünnung oder sonstige Beigabe zu trinken.

Liegt aufgrund der objektiven Beschaffenheit der Ware ein Getränk vor, verbleibt die Ware zolltariflich somit jedenfalls in Pos. 2202 KN, selbst wenn man eine Konkurrenzlage zu Pos. 2106 KN grundsätzlich für möglich hielte. Im Streitfall handelt es sich um Getränke. Den Feststellungen des FG ist nicht zu entnehmen, dass trotz der Verwendungshinweise der Klägerin ein unmittelbarer, unverdünnter Verzehr ausgeschlossen ist. Entgegen der Auffassung des FG wird die objektive Beschaffenheit –insbesondere die unmittelbare Trinkbarkeit– nicht durch die Verzehrempfehlungen aufgehoben. Dies gilt insbesondere für die Empfehlung in Bezug auf das als Y-Drink bzw. Y-Saft bezeichnete Erzeugnis, täglich 25 ml zu sich zu nehmen. Die Eigenschaft als Getränk bleibt auch bei der empfohlenen Aufnahme einer geringen Menge unberührt.

 

 

 

 

Verdeckte Gewinnausschüttung bei Pensionszusagen

Zusage einer Pension ohne ausreichende Erprobung als vGA

BFH Beschluss vom 17.3.2010, I R 19/09

Begründung:

Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahe stehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte.

Wie der Senat wiederholt entschieden hat, ist davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer GmbH deren Geschäftsführer eine Pension erst dann zusagen wird, wenn er die Leistungsfähigkeit des neu bestellten Geschäftsführers zuverlässig abzuschätzen vermag. Ohne Erprobung des Geschäftsführers würde eine Pension nicht zugesagt werden.

Allerdings hat der Senat das Erfordernis einer Probezeit bei solchen Unternehmen für verzichtbar gehalten, die aus eigener Erfahrung Kenntnisse über die Befähigung des Geschäftsleiters haben. Diese Kriterien sind bei einem Unternehmen als erfüllt angesehen worden, das seit Jahren tätig war und lediglich sein Rechtskleid ändert, wie beispielsweise bei Begründung einer Betriebsaufspaltung oder einer Umwandlung. Gleichermaßen verhält es sich bei einem sog. Management-buy-out, wenn bisherige leitende Angestellte eines Unternehmens dieses "aufkaufen" und sodann in Gestalt eines anderen Unternehmens fortführen.

Das FG hat diese Grundsätze auf den Streitfall angewandt. Es hat dennoch ausgeschlossen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter den Gegebenheiten des Streitfalles auch einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer bereits am 1. Dezember 2000 –knapp sechs Wochen nach der Bestellung zum Geschäftsführer– eine vergleichbare Pension zugesagt hätte. E habe zwar bereits längere Zeit für die Klägerin gearbeitet, jedoch nicht in führender Stellung, sondern als Büroangestellte und damit weisungsgebunden. Die Klägerin habe keine Umstände dargetan, die erkennbar auf die Eignung der E als Geschäftsführerin hinwiesen. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte daher auf eine angemessene Probezeit nicht verzichtet.

Fehlgeschlagene GmbH-Vorgesellschaft nicht körperschaftsteuerpflichtig

Eine GmbH-Vorgesellschaft, die später nicht als GmbH eingetragen wird, ist nicht körperschaftsteuerpflichtig.

BFH vom 18.3.2010, IV R 88/06

Begründung:

Gesellschaftsrechtlich wird zwischen der GmbH-Vorgesellschaft und der in das Handelsregister eingetragenen GmbH unterschieden. Die Vorgesellschaft ist die durch Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrags errichtete und noch nicht in das Handelsregister eingetragene Kapitalgesellschaft. Zwischen der GmbH-Vorgesellschaft und der in das Handelsregister eingetragenen GmbH besteht grundsätzlich Identität. Steuerrechtlich wird die GmbH-Vorgesellschaft als Kapitalgesellschaft behandelt, sofern sie später als GmbH in das Handelsregister eingetragen wird.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) erlischt eine Einmann-Gründungsgesellschaft, wenn der Gründer die Eintragungsabsicht endgültig aufgibt. Da mit der Aufgabe der Eintragungsabsicht der Gründungszweck entfalle, bestehe grundsätzlich kein Anlass mehr, bei der Einmann-Gründungsgesellschaft die Vermögenstrennung zwischen Gesellschaftsvermögen und Privatvermögen des Gründers aufrechtzuerhalten.

Eine Vorgesellschaft, die später nicht als GmbH eingetragen wird, ist nicht körperschaftsteuerpflichtig. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG knüpft die Steuerpflicht für Kapitalgesellschaften an ihre Rechtsform. Entscheidend für die Einordnung eines Rechtsgebildes in die Gruppe der Kapitalgesellschaften des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991 ist allein, ob es die zivilrechtliche Rechtsform einer AG, einer KGaA, einer GmbH oder einer anderen der dort aufgeführten Kapitalgesellschaften hat. Fehlt einer Personenvereinigung die zivilrechtliche Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, dann besteht auch keine Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG.

 

Doppelte Haushaltsführung: sog. Wegverlegungsfälle

Doppelte Haushaltsführung: sog. Wegverlegungsfälle

BFH Urteil vom 10.3.2010, VI R 47/09

Begründung:

Der erkennende Senat hat seine Rechtsprechung zur doppelten Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes) in sog. Wegverlegungsfällen geändert (s. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10. Dezember 2009 IV C 5-S 2352/0, 2009/0813056, BStBl I 2009, 1599).

Nach neuerer Rechtsprechung des erkennenden Senats kann eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung auch dann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer seinen Haupthausstand aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt und er darauf in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen Zweithaushalt begründet, um von dort seiner bisherigen Beschäftigung weiter nachgehen zu können. Zur Begründung im Einzelnen verweist der Senat auf die Urteilsgründe in den beiden angeführten Entscheidungen.

 

 

 

Änderung der Bemessungsgrundlage beim Verkauf einer Gewerbeimmobilie

Die Minderung der Bemessungsgrundlage setzt einen unmittelbaren Zusammenhang einer Zahlung mit der erbrachten Leistung voraus.

Hat der Verkäufer einer vermieteten Gewerbeimmobilie dem Käufer im Kaufvertrag aus den bereits abgeschlossenen Mietverträgen Mieterträge garantiert, deren Höhe durch die tatsächlich erzielten Mieten nicht erreicht werden, und zahlt er hierfür an den Käufer einen Ausgleich, steht diese Zahlung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lieferung der Immobilie und mindert deren Bemessungsgrundlage    .

BFH Urteil vom 11.2.2010, V R 2/09

Begründung:

 Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug zu berichtigen.

 Bemessungsgrundlage i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG ist bei Lieferungen und sonstigen Leistungen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG das Entgelt. Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Maßgebend sind hierfür die zwischen Leistenden und Leistungsempfänger bestehenden Vereinbarungen. Dabei kann die zunächst vereinbarte Bemessungsgrundlage durch eine nachträgliche Vereinbarung und Rückzahlung mit umsatzsteuerrechtlicher Wirkung erhöht oder ermäßigt werden, so dass die Leistung des Unternehmers "letztendlich" nur mit der Bemessungsgrundlage besteuert wird, die sich aufgrund der von ihm wirklich vereinnahmten Gegenleistung ergibt.

 

Kapitalertragsteuereinbehalt (sog. Zinsabschlag) bei Tafelpapieren

Es ist nicht missbräuchlich (§ 42 AO), wenn eine inländische Bank ihre Kunden veranlasst, Zinsscheine von Inhaberschuldverschreibungen (sog. Tafelpapiere) über ein ausländisches Kreditinstitut einzulösen. Auszahlende Stelle i.S. von § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG 1997/2002 ist dann das ausländische Kreditinstitut, das nach § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG 1997/2002 nicht zum Einbehalt und zur Abführung von Kapitalertragsteuer verpflichtet ist .

Die Steuerabzugspflicht eines inländischen Kreditinstituts tritt bei der Einlösung solcher Tafelpapiere jedoch ein, wenn der Gegenwert der Zinsscheine zwar ausländischen Kreditinstituten gutgeschrieben wird, jene aber bei wertender Betrachtung als bloße "Auszahlstellen" des inländischen Kreditinstituts aufgetreten sind. Dies ist der Fall, wenn sich das inländische Kreditinstitut verpflichtet hatte, ihm von dem ausländischen Kreditinstitut vorgelegte Zinsscheine von Inhaberschuldverschreibungen nicht über die Landesbank oder eine andere sog. Clearingstelle, sondern direkt über sich selbst einzulösen .

BFH Urteil vom 17.2.2010, I R 85/08

Kein Abzug latenter Einkommensteuer bei der Erbschaftsteuer

Gehören zu einem erbschaftsteuerlichen Erwerb festverzinsliche Wertpapiere, sind die bis zum Tod des Erblassers angefallenen, aber noch nicht fälligen Zinsansprüche (sog. Stückzinsen) mit ihrem Nennwert ohne Abzug der Kapitalertragsteuer anzusetzen .

Fließen die Zinsen dem Erben zu, kann die dafür bei ihm entstehende Einkommensteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer abgezogen werden. Das gilt auch für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2008, in denen nach der Aufhebung des § 35 EStG a.F. und vor der Einführung des § 35b EStG die Doppelbelastung nicht durch eine Anrechnungsregelung bei der Einkommensteuer abgemildert wird .

Eine wegen der kumulativen Belastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer behauptete Übermaßbesteuerung (Art. 14 Abs. 1 GG) ist durch Rechtsbehelf gegen den Einkommensteuerbescheid geltend zu machen .

BFH Urteil vom 17.2.2010, II R 23/09

 Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 17. Februar 2010 II R 23/09 entschieden, dass die auf geerbten Forderungen ruhende latente Einkommensteuerlast des Erben bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden kann.

 Im vom BFH entschiedenen Fall erbte der Kläger u.a. festverzinsliche Wertpapiere. Die bis zum Tod des Erblassers angefallenen Zinsen wurden nach dem Tode des Erblassers dem Kläger ausbezahlt, der sie der Einkommensteuer unterwarf. Das Finanzamt setzte bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer neben dem Wert der Wertpapiere auch die Zinsforderung an und ließ die Einkommensteuerschuld des Klägers nicht zum Abzug als Nachlassverbindlichkeit zu. Der Kläger wehrte sich gegen die doppelte Belastung der Zinsen mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer. Er argumentierte, dass ohne den Abzug seiner Einkommensteuerschuld gegen das Bereicherungsprinzip verstoßen werde. Der doppelte Steuerzugriff führe außerdem zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung.

Dem ist der BFH nicht gefolgt. Das erbschaftsteuerliche Stichtagsprinzip schließt eine Berücksichtigung der zukünftigen Einkommensteuerschuld des Erben aus, da diese beim Tod des Erblassers noch nicht absehbar ist, sondern insbesondere von dem weiteren Einkommen des Erben und seinen sonstigen für die Besteuerung maßgebenden Merkmalen abhängt. Der BFH verwies den Kläger zur Abwehr einer etwaigen Übermaßbesteuerung auf einen Rechtsbehelf gegen den Einkommensteuerbescheid, weil sich die tatsächliche Gesamtbelastung aus Erbschaftsteuer und Einkommensteuer erst mit der späteren Festsetzung der Einkommensteuer offenbart.

Die Entscheidung hat nur eine zeitlich beschränkte Bedeutung. Der Gesetzgeber milderte bis einschließlich 1998 die Doppelbelastung ab, indem er die Erbschaftsteuerlast bei der späteren Einkommensteuerfestsetzung anrechnete (§ 35 des Einkommensteuergesetzes – EStG – a.F.). Ab 2009 führte er die Vorschrift nahezu wortgleich wieder ein (§ 35b EStG), so dass die Doppelbelastung seitdem wieder deutlich entschärft wird.

 

 

Zwischenschaltung einer nicht funktionslosen GmbH grundsätzlich nicht missbräuchlich für den gewerblichen Grundstückshandel

IIm Hinblick auf einen gewerblichen Grundstückshandel ist die Zwischenschaltung einer GmbH grundsätzlich nicht missbräuchlich, wenn die GmbH nicht funktionslos ist, d.h. wenn sie eine wesentliche –wertschöpfende– eigene Tätigkeit (z.B. Bebauung des erworbenen Grundstücks) ausübt .

BFH Urteil vom 17.3.2010, IV R 25/08

Begründung:

Nach § 15 Abs. 2 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige und nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Darüber hinaus hat die Rechtsprechung das negative Erfordernis aufgestellt, dass es sich bei der Tätigkeit nicht um private Vermögensverwaltung handeln darf.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wird die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (z.B. durch Selbstnutzung oder Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt. Die typischen gewerblichen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Veräußerung von Grundstücken unterscheiden sich von der privaten Vermögensverwaltung durch die beim Erwerb oder zum Zeitpunkt der Bebauung bestehende Veräußerungsabsicht.

Die vom BFH für die Beurteilung der Gewerblichkeit von Grundstücksverkäufen aufgestellte Drei-Objekt-Grenze ist ein gewichtiges Indiz für oder gegen eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht. Sie besagt, dass kein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt, sofern weniger als vier Objekte veräußert werden. Werden innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs, in der Regel fünf Jahre  zwischen Anschaffung bzw. Errichtung und Verkauf mindestens vier Objekte veräußert, kann von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden. Dies gilt auch bei der Bebauung von Grundstücken.

Hierauf kommt es aber dann nicht an, wenn sich bereits aus anderen –ganz besonderen– Umständen zweifelsfrei eine von Anfang an bestehende oder aber fehlende Veräußerungsabsicht ergibt. So kann beispielsweise auf eine gewerbliche Betätigung geschlossen werden, wenn das im zeitlichen Zusammenhang mit der Bebauung und Veräußerung (ggf. auch durch Schenkung) erworbene Grundstück schon vor seiner Bebauung verkauft worden ist oder wenn ein solches Grundstück von vornherein auf Rechnung oder nach Wünschen des Erwerbers bebaut wird. In derartigen Gestaltungen kann die Wertung gerechtfertigt sein, dass es sich unabhängig von der Anzahl der Verkäufe um eine gewerbliche Tätigkeit handelt.

Demnach kommt es nicht darauf an, ob die Veräußerung des Miteigentums an die GmbH ausnahmsweise als Veräußerung von 45 Wohnungen anzusehen wäre. Denn selbst bei Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze steht aufgrund der Feststellungen des FG fest, dass die Klägerin den Grundbesitz nicht in unbedingter Veräußerungsabsicht erworben hat, sondern ihn vermieten wollte. Deswegen kommt es auch nicht darauf an, die entgeltliche Übertragung eines Objekts auf eine vom Steuerpflichtigen beherrschte GmbH vor Fertigstellung des Objekts ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer unbedingten Veräußerungsabsicht sein kann.