Maßgebliche Straßenverbindung bei straßenverkehrsrechtlichen Benutzungsverboten und bei der Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren

Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG ist diejenige Verbindung, die von Kraftfahrzeugen mit bauartbestimmter Höchstgeschwindigkeit von mehr als 60 km/h befahren werden kann.

Für die Entfernungspauschale ist die kürzeste Straßenverbindung auch dann maßgeblich, wenn diese mautpflichtig ist oder mit dem vom Arbeitnehmer tatsächlich verwendeten Verkehrsmittel straßenverkehrsrechtlich nicht benutzt werden darf.

BFH Urteil vom 24.9.2013, VI R 20/13

 Begründung:

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG können Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen.

Für die Entfernungspauschale ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG). Insoweit sind die kürzeste und die vom Arbeitnehmer regelmäßig für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzte Straßenverbindung zu vergleichen. Als "Straßenverbindung" i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG ist die kürzeste Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf öffentlichen Straßen i.S. des § 2 des Straßenverkehrsgesetzes, die dem allgemeinen Kraftfahrzeugverkehr dienen, zugrunde zu legen. Dies gilt auch dann, wenn diese über eine Bundesstraße führt, die gemäß § 18 der Straßenverkehrsordnung nur von Fahrzeugen befahren werden darf, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt. Denn die "kürzeste Straßenverbindung" ist unabhängig vom tatsächlich benutzten Verkehrsmittel für alle Fahrzeuge einheitlich zu bestimmen.

Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 2 und 4 EStG, die allein auf die "Entfernung" und die "kürzeste Straßenverbindung" zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte des Arbeitnehmers abstellen, unabhängig davon, welches Verkehrsmittel benutzt wird. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass für die Bestimmung der Entfernung diejenige Straßenverbindung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte maßgebend ist, die nach dem vom Arbeitnehmer gewählten Verkehrsmittel die kürzeste ist, hätte er dies so ins Gesetz aufgenommen.

Auch die Gesetzesmaterialien zeigen, dass der Gesetzgeber die "kürzeste Straßenverbindung" für alle Verkehrsmittel einheitlich bestimmen wollte. Denn danach soll es unerheblich sein, ob die tatsächliche Kilometerentfernung bei Benutzung eines Fahrrads oder eines öffentlichen Verkehrsmittels geringer oder größer als die kürzeste Straßenverbindung ist. Die einmal festgestellte Entfernung für die Verbindung zwischen einer bestimmten Wohnung und Arbeitsstätte sei damit grundsätzlich unabhängig von einem Wechsel des Verkehrsmittels (BTDrucks 14/4242, S. 6; BTDrucks 14/4435, S. 9). Ist aber die konkret mit einem Fahrrad oder einem öffentlichen Verkehrsmittel zurückgelegte Entfernung ohne Bedeutung und hat der Wechsel des Verkehrsmittels keinen Einfluss auf die festgestellte Entfernung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG, kann es auch nicht darauf ankommen, ob der Steuerpflichtige wegen des von ihm benutzten Verkehrsmittels nicht die kürzeste Straßenverbindung zu seiner Arbeitsstätte fahren kann, sondern einen Umweg nehmen muss. Andernfalls würde das gesetzgeberische Ziel verfehlt, eine verkehrsmittelunabhängige Entfernungspauschale zu schaffen.

Eine andere als die kürzeste Straßenverbindung ist auch nicht allein deshalb "offensichtlich verkehrsgünstiger", weil die kürzeste Straßenverbindung nicht mit dem vom Steuerpflichtigen gewählten Verkehrsmittel befahren werden darf. Vielmehr müssen die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sein, unter denen eine Straßenverbindung als "offensichtlich verkehrsgünstiger" anzusehen ist. Die von dem Arbeitnehmer tatsächlich benutzte Straßenverbindung ist dann verkehrsgünstiger als die kürzeste Straßenverbindung, wenn mit ihrer Benutzung eine Zeitersparnis oder sonstige Vorteile aufgrund von Streckenführung, Schaltung von Ampeln o.Ä. verbunden sind.

Für die Beurteilung der Verkehrsgünstigkeit der anderen Straßenverbindung ist insbesondere unerheblich, dass bei der Benutzung der kürzesten Strecke Straßenbenutzungsgebühren anfallen.

 

Übernahme von Schutzbrief und Autobahnvignette ist

Übernimmt der Arbeitgeber die Straßenbenutzungsgebühren (Vignetten, Mautgebühren) für die mit einem Firmenwagen unternommenen Privatfahrten seines Arbeitnehmers, liegt darin die Zuwendung eines geldwerten Vorteils, der nicht von der Abgeltungswirkung der 1 v.H.-Regelung erfasst wird.

Urteil vom 14. September 2005 VI R 37/03