Frage des tauschähnlichen Umsatzes zwischen der eine Zeitschrift herausgebenden Ärztekammer und dem von ihr beauftragten Verlag

Beauftragt eine Ärztekammer als Herausgeber einen Verlag mit der Herstellung und dem Versand eines Ärzteblatts (Kammerzeitschrift) für ihre Mitglieder und überlässt sie dabei dem Verlag das Recht, im eigenen Namen und für eigene Rechnung in dem Ärzteblatt Werbeanzeigen zu platzieren, liegt ein tauschähnlicher Umsatz vor.

Bemessungsgrundlage für die Überlassung des Anzeigenplatzierungsrechts durch die Ärztekammer sind die gesamten Kosten, die der Verlag für die Herstellung (einschließlich des Anzeigenteils) und den Versand der Ärzteblätter getragen hat.

BFH Urteil vom 11.7.2012, XI R 11/11

Begründung:

Ein steuerbarer Umsatz in Form einer Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet.

Der Gegenwert kann bei Tausch und tauschähnlichen Umsätzen i.S. von § 3 Abs. 12 UStG durch eine tatsächlich erhaltene Gegenleistung erbracht werden, die nicht in Geld bestehen, aber in Geld ausdrückbar sein muss. § 3 Abs. 12 UStG erfasst auch den Fall, dass als Entgelt für eine Leistung eine Barzahlung mit einer Lieferung oder sonstigen Leistung verbunden wird.

Voraussetzung für die Annahme einer tauschähnlichen Leistung ist, dass sich zwei entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegenüberstehen, die lediglich durch die Modalität der Entgeltvereinbarung (Tausch) miteinander verknüpft sind.

Danach liegt im Streitfall ein tauschähnlicher Umsatz vor (vgl. Baum, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1988, 66, 67). Die Klägerin erbrachte entgeltliche Leistungen gegenüber den Ärztekammern durch die Herstellung und Versendung der Ärzteblätter an die Mitglieder. Das Entgelt der Ärztekammern bestand –abgesehen von gezahlten Zuschüssen für Druck- und Portokosten– in der Überlassung der Rechte, Werbeanzeigen in den Zeitschriften zu platzieren.

Das FG hat u.a. ausgeführt, ein eigenes Anzeigenplatzierungsrecht der Klägerin im urheberrechtlich geschützten Werk der Ärztekammern (Sammelwerk i.S. von § 4 Abs. 1 UrhG) habe nicht bestanden. In den einzelnen Verträgen sei ausdrücklich geregelt worden, dass die Klägerin Werbeanzeigen auf eigene Rechnung und Risiko einwerbe und drucke, sofern diese nicht gegen die Interessen der Ärzte verstießen oder unangemessen erschienen. Hätte dieses Recht der Klägerin, wie diese meine, von vornherein bestanden, hätte es auch dieser vertraglichen Vereinbarungen nicht bedurft. Dass die Vertragsparteien von einem Austausch der Leistung durch die Klägerin –Herstellung und Vertrieb der Zeitschriften– und einer Überlassung des Rechts auf Platzierung von Anzeigen durch die Ärztekammern ausgingen, werde auch dadurch bestätigt, dass der Klägerin aus den Anzeigeneinnahmen auf jeden Fall die Beträge zustehen sollten, mit denen sie ihre Herstellungs- und Vertriebskosten decken konnte. Dementsprechend seien die Sockelbeträge bei der Verteilung dieser Einnahmen berechnet.

Dabei kann offenbleiben, ob sich im Streitfall aus dem Urheberrecht, insbesondere aus § 4 Abs. 1 UrhG, ein Anzeigenplatzierungsrecht ableiten lässt. Entscheidend ist die Würdigung des FG, dass sich aus den geschlossenen Verträgen –die nicht auf das Urheberrecht verweisen– ergibt, dass die Ärztekammern der Klägerin vertraglich ein Anzeigenplatzierungsrecht einräumen. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 der Verträge zwischen den Ärztekammern –denen nach § 2 Abs. 1 der geschlossenen Verträge die Herausgeber- und Titelrechte an den Zeitschriften zustehen– und dem Verlag werden die Werbeanzeigen vom Verlag auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko eingeworben, platziert und gedruckt. Durch diese vertragliche Regelung wird –nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des FG– der Klägerin von den Ärztekammern ein Anzeigenplatzierungsrecht in den Ärzteblättern überlassen, was durch die Regelung über die Verteilung der Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft in § 12 Abs. 1 der Verträge bestätigt werde.

 

Reinigung von Kundentoiletten

Reinigung von Kundentoiletten gegen Überlassung der von Nutzern freiwillig gezahlten Beträge als tauschähnlicher Umsatz steuerpflichtig – Aussetzung der Vollziehung – Ermittlungspflicht des Bundesfinanzhofs im Beschwerdeverfahren

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 30.9.2008, XI B 74/08

Begründung:
Im Streitfall hat das FA die Umsatzsteuer bei summarischer Prüfung im Ergebnis zu Recht festgesetzt. Der Senat neigt zu der Auffassung, dass ein Leistungsaustausch zwischen dem Antragsteller und den Betreibern der Kaufhäuser stattgefunden hat und die Bewirtschaftung und Reinigung der Toiletten durch den Antragsteller gegen die Einräumung der Möglichkeit, in den Toilettenräumen die freiwillig gezahlten Nutzungsentgelte oder “Trinkgelder” zu vereinnahmen, ein tauschähnlicher Umsatz ist. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Verträge als “Pachtvertrag” bezeichnet sind.

Nach § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG liegt ein tauschähnlicher Umsatz vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.
Aus allen vorgelegten Verträgen geht hervor, dass der Antragsteller sich zur Reinigung der Toiletten verpflichtet hat, weil die jeweiligen Betreiber der Kaufhäuser ein eigenes Interesse daran haben, ihren Kunden saubere Toiletten zur Verfügung zu stellen. Deshalb hat der Antragsteller mit der Bewirtschaftung und Reinigung der Toiletten gegenüber dem Betreiber des Kaufhauses eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG) erbracht und die Toiletten nicht nur im eigenen Interesse gereinigt, um höhere “Trinkgelder” oder freiwillige Nutzungsentgelte zu erzielen. Als Gegenleistung hat ihm der jeweilige Betreiber des Kaufhauses die Möglichkeit eingeräumt, die von den Kunden gezahlten “Trinkgelder” oder freiwillig gezahlten Nutzungsentgelte zu vereinnahmen (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 30. Mai 2008 2 U 26/08, juris).

Bemessungsgrundlage für die Reinigungsleistungen des Antragstellers sind die von ihm vereinnahmten freiwilligen Nutzungsentgelte oder “Trinkgelder”. Denn bei tauschähnlichen Umsätzen gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz (§ 10 Abs. 2 Satz 2 UStG). Als Entgelt für die Reinigungsleistung des Antragstellers ist danach der Wert der ihm eingeräumten Möglichkeit, die freiwilligen Zahlungen der Toilettennutzer zu vereinnahmen, anzusetzen. Dieser Wert entspricht den tatsächlichen Zahlungen der Toilettennutzer.