Wirtschaftliches Eigentum bei Teilamortisationsleasing einer Immobilie

Ob Substanz und Erträge eines Leasingguts während der gesamten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer nicht dem Leasinggeber und Eigentümer, sondern vollständig dem Leasingnehmer zustehen, so dass der Leasingnehmer als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist, muss in jedem Einzelfall nach den konkreten Umständen beurteilt werden.

Ist die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer länger als die Grundmietzeit, kann wirtschaftliches Eigentum des Leasingnehmers vorliegen, wenn diesem ein Recht auf Verlängerung der Nutzungsüberlassung oder eine Kaufoption zu so günstigen Konditionen zusteht, dass bei wirtschaftlich vernünftiger Entscheidungsfindung mit der Ausübung des Rechts zu rechnen ist.

BFH Urteil vom 02.06.2026 – IV R 23/13BFH/NV 2016, 1433

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, deren Gesellschaftszweck der Erwerb des Erbbaurechts an bestimmten, im Eigentum der Stadt… stehenden Grundstücken sowie die Errichtung einer Tiefgarage auf diesen Grundstücken und deren Vermietung oder Veräußerung ist. Mit notariellem Erbbaurechtsvertrag vom 6. Oktober 1989 bestellte die Stadt der Klägerin für die Dauer von 50 Jahren ein Erbbaurecht an den betreffenden Grundstücken A. Die Klägerin verpflichtete sich darin zum Bau einer Tiefgarage, die bei Beendigung des Erbbaurechts durch Zeitablauf entschädigungslos auf die Stadt übergehen sollte. Am selben Tag schlossen die Klägerin und die Stadt einen notariell beurkundeten “Mietvertrag mit einem Angebot auf Abschluß eines Kaufvertrages” (MV) über die zu errichtende Tiefgarage. Das Mietverhältnis sollte mit der Übernahme des Mietobjekts durch die Mieterin, spätestens zum 1. Juli 1991, beginnen und war für 22 Jahre fest vereinbart. Zugleich bot die Klägerin der Stadt unwiderruflich den Abschluss eines Kaufvertrags über das Erbbaurecht mit Tiefgarage an. Das Angebot konnte von der Stadt zum Ablauf des Mietverhältnisses angenommen werden; als Kaufpreis wurden die noch nicht durch die Mieten amortisierten Gesamtkosten einschließlich etwaiger rückständiger Leistungen zum Zeitpunkt des Verkaufs vereinbart.

Begründung:

Die zulässige Revision ist teilweise begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils, soweit dieses ausspricht, dass AfA als Betriebsausgaben Berücksichtigung finden und die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 5 GewStG gewährt wird. Im Übrigen wird die Revision gemäß § 126 Abs. 2 FGO unter Präzisierung des Urteilsausspruchs des FG als unbegründet zurückgewiesen, indem klargestellt wird, dass der Klägerin das Erbbaurecht sowie die Tiefgarage auf dem Grundstück A nach § 39 AO zuzurechnen sind.

Die Entscheidung über die Klage gegen den Bescheid über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag hängt von der Klärung mehrerer Rechtsfragen ab, sowohl solchen, die den Gewerbesteuermessbetrag nach dem Gewerbeertrag betreffen, als auch Rechtsfragen in Bezug auf den Messbetrag nach dem Gewerbekapital. Bei Beantwortung der hier entschiedenen Rechtsfragen in Bezug auf den Messbetrag nach dem Gewerbeertrag ist der Rechtsstreit noch nicht insgesamt entscheidungsreif.

Die entschiedenen Rechtsfragen betreffend den Messbetrag nach dem Gewerbeertrag sind je für sich entscheidungserheblich. Der Gewerbesteuermessbetrag ist herabzusetzen, wenn der Klägerin die Tiefgarage zuzurechnen ist. Die Klägerin kann dann Betriebsausgaben in Gestalt von AfA abziehen, wodurch der Gewerbeertrag i.S. des § 7 GewStG in einem solchen Umfang sinkt, dass sich der Messbetrag nach dem Gewerbeertrag und der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag mindern.

Der Messbetrag nach dem Gewerbeertrag ist auch herabzusetzen, wenn die Klägerin die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 5 GewStG in Anspruch nehmen kann, weil diese den gesamten Ertrag aus der Vermietung der Tiefgarage erfasst. Dass die Kürzung keine Auswirkung auf den Gewerbesteuermessbetrag hat, wenn die Klägerin die geltend gemachten Betriebsausgaben abziehen kann, weil sich dadurch ein Verlust ergibt und kein zu kürzender Betrag mehr verbleibt, ändert an der Entscheidungserheblichkeit nichts. Denn im Hinblick auf den Beschleunigungs- und Vereinfachungszweck des § 99 Abs. 2 FGO  reicht es aus, wenn eine Vorfrage zumindest dann Entscheidungserheblichkeit erlangen kann, wenn eine andere zur Entscheidung gestellte Vorfrage in einem bestimmten Sinn entschieden wird.

Die Entscheidung durch Zwischenurteil ist allerdings nicht in Bezug auf alle vom FG entschiedenen Rechtsfragen sachdienlich.

Sachdienlich ist ein Zwischenurteil jedenfalls dann, wenn die Beteiligten über die betreffende Vorfrage streiten und nach deren Klärung von einer einvernehmlichen Klärung des Rechtsstreits im Übrigen auszugehen. Das ist hier in Bezug auf die vom FG entschiedene –wenn auch nicht ausdrücklich im Tenor des Urteils aufgeführte– Rechtsfrage der Fall, ob der Stadt das wirtschaftliche Eigentum an dem Erbbaurecht mit der Tiefgarage zuzurechnen ist. Die Entscheidung über das noch nicht abgeschlossene Einspruchsverfahren betreffend den Einheitswert des Betriebsvermögens, das seinerseits vorgreiflich für die Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags nach dem Gewerbekapital ist, hängt von dieser Rechtsfrage ab. Nach Entscheidung des hiesigen Rechtsstreits wird voraussichtlich Einvernehmen über den Einheitswert des Betriebsvermögens und damit über den Messbetrag nach dem Gewerbekapital erzielt werden können.

Nicht sachdienlich ist die Entscheidung über eine Rechtsfrage dann, wenn noch nicht alle für ihre abschließende Beantwortung im Urteilsfall erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen sind.

So verhält es sich im Streitfall zum einen mit der Rechtsfrage, in Bezug auf welche Wirtschaftsgüter und in welcher Höhe der Klägerin AfA zustehen. Tatsächliche Feststellungen zu der Bemessungsgrundlage der AfA hat das FG bisher noch nicht getroffen. Weder lässt sich dem Tatbestand des Zwischenurteils entnehmen, für welche abnutzbaren Wirtschaftsgüter im Einzelnen Anschaffungs- und Herstellungskosten entstanden sind, noch, wie hoch diese Kosten waren.

Zum anderen fehlen auch tatsächliche Feststellungen zum Umfang der Geschäftstätigkeit der Klägerin. Diese sind für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 5 GewStG erforderlich.

Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass das Erbbaurecht und die Tiefgarage der Klägerin nach § 39 Abs. 1 AO zuzurechnen sind und dass die Stadt nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Wirtschaftsgüter i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ist.

Wirtschaftsgüter sind nach § 39 Abs. 1 AO grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen. Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO). Ein wirtschaftlicher Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers in diesem Sinne wird u.a. angenommen, wenn der Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.

Ein schuldrechtlich oder dinglich Nutzungsberechtigter hat in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum in diesem Sinne an dem ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgut. Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Nutzungsberechtigte statt des Eigentümers die Kosten der Anschaffung oder Herstellung eines von ihm selbst genutzten Wirtschaftsguts trägt und ihm auf Dauer, nämlich für die voraussichtliche Nutzungsdauer, Substanz und Ertrag des Wirtschaftsguts wirtschaftlich zustehen. So verhält es sich etwa bei einer entgeltlichen Nutzungsüberlassung, wenn eine Nutzung über die gesamte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer vereinbart ist und die Summe der Nutzungsvergütungen die Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie die Finanzierungskosten und laufenden Kosten des Eigentümers abdeckt. Auch wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer länger als die Grundmietzeit ist, kann wirtschaftliches Eigentum des Nutzungsberechtigten vorliegen, wenn diesem ein Recht auf Verlängerung der Nutzungsüberlassung oder eine Kaufoption zu so günstigen Konditionen zusteht, dass bei wirtschaftlich vernünftiger Entscheidungsfindung mit der Ausübung des Rechts zu rechnen.

Diese Grundsätze finden insbesondere auf Leasingverträge Anwendung und gelten gleichermaßen für das Leasing von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern. Ob Substanz und Erträge des Leasingguts während der gesamten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer nicht dem Leasinggeber und Eigentümer, sondern vollständig dem Leasingnehmer zustehen, ist in jedem Einzelfall nach den konkreten Umständen zu beurteilen. Bestimmte typischerweise verwendete Vertragsbestandteile können dabei Indizwirkung entfalten. Soweit die Finanzverwaltung in Verwaltungsvorschriften Prüfkriterien formuliert und diesen Grenzen zuordnet, handelt es sich dabei um typisierte und zur Gewährleistung eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs geschaffene Abgrenzungsmerkmale, die als norminterpretierende Verwaltungsanweisungen Anhaltspunkte für die Gesetzesauslegung durch die Rechtsprechung bieten, eine abschließende Regelung aber weder beanspruchen noch enthalten können.

Diese Grundsätze hat das FG ohne Rechtsfehler auf den festgestellten Sachverhalt angewendet.

An die nicht mit Verfahrensrügen angegriffene Tatsachenfeststellung ist der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Dies gilt auch für die Würdigung der Tatsachen, die weder gegen Erfahrungssätze noch Denkgesetze verstößt und deshalb möglich ist.

Die Würdigung des FG, die Klägerin werde von der Stadt nicht während der gesamten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Gebäudes wirtschaftlich aus ihrer Stellung als Eigentümerin verdrängt, ist möglich und deshalb revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat zutreffend bezogen auf den maßgebenden Zeitpunkt des Abschlusses des MV (Oktober 1989) eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür verneint, dass die Stadt von der ihr eingeräumten Kaufoption Gebrauch machen oder eine Verlängerung des Mietvertrags bis zum Ende der Nutzungsdauer aushandeln würde.

Zutreffend hat das FG die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer weder anhand der von § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes vorgeschriebenen Abschreibung noch anhand amtlicher AfA-Tabellen bestimmt. Vielmehr ist die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer individuell zu bestimmen. Das FG konnte hierbei ohne Verstoß gegen die Denkgesetze und Erfahrungssätze zu einer Nutzungsdauer von 50 Jahren kommen. Zu Recht hat es sich hierfür auch darauf gestützt, dass im Erbbaurechtsvertrag eine Entschädigung für das Gebäude bei Auslaufen des Erbbaurechts nach 50 Jahren nicht vorgesehen war, allerdings bei vorzeitigem Heimfall nach § 11 des Vertrags eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswerts geleistet werden musste. Naheliegend war auch, dass sich das FG auf die Begutachtung durch den eigenen Bausachverständigen des FA bezogen hat, der eine Nutzungsdauer von 50 Jahren angenommen hatte.

Das FG konnte zu dem Ergebnis kommen, dass eine Ausübung der Kaufoption durch die Stadt nach Ablauf der Grundmietzeit nicht nahezu sicher war. Die vertragliche Ausgestaltung bewirkte aus Sicht der Stadt, dass sie während der Grundmietzeit nicht mehr aufwenden musste, als sie bei eigener Errichtung des Parkhauses mit einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 22 Jahren hätte aufwenden müssen. Nach Auslaufen des MV treffen die Stadt nach den getroffenen Feststellungen auch keine nachteiligen wirtschaftlichen Folgen. Für den Ankauf des Parkhauses zu dem festgelegten erheblichen Restbetrag bestand danach kein besonderer wirtschaftlicher Anreiz. Die folglich allein politischer Opportunität bei Auslaufen des MV obliegende Entscheidung über eine Ausübung der Kaufoption kann nicht vorhergesehen werden. Welche Nutzungsmöglichkeiten der Klägerin nach Auslaufen des MV zur Verfügung stehen, ist für die allein maßgebende Beantwortung der Frage, ob mit Sicherheit mit einem Ankauf durch die Stadt zu rechnen ist, ohne Bedeutung.

Der Stadt stand auch keine Mietverlängerungsoption zu. Sie hatte lediglich einen Anspruch auf Verhandlungen über eine Verlängerung. Eine dauerhafte Nutzung des Parkhauses konnte die Stadt mithin schon dem Grunde nach nicht erzwingen, ganz abgesehen davon, dass auch für eine Mietverlängerung ein wirtschaftlicher Anreiz nicht erkennbar ist.

Soweit sich das FA auf die Verpflichtungen der Stadt bezieht, im Fall der nicht durch die Klägerin vorsätzlich oder fahrlässig verursachten Zerstörung oder Beeinträchtigung der Nutzbarkeit der Garage alle vertraglichen Verpflichtungen weiter zu erfüllen, bei vorzeitiger Kündigung aus wichtigem Grund die Leasingraten weiter zu entrichten und bei Beschädigungen die nicht durch Versicherungsleistungen gedeckten Wiederherstellungskosten zu tragen, kann revisionsrechtlich nicht beanstandet werden, dass das FG aus diesen Bestandteilen des MV im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände nicht darauf geschlossen hat, dass die Substanz der Tiefgarage für die gesamte Nutzungsdauer der Stadt zugeordnet war.