Steuerliche Behandlung eines Sterbegelds aus einem Versorgungswerk

Auch ein einmaliges Sterbegeld, das ein berufsständisches Versorgungswerk neben der laufenden Hinterbliebenenrente an den überlebenden Ehegatten des Mitglieds zahlt, unterliegt als “andere Leistung” (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG) mit dem Besteuerungsanteil der Einkommensteuer.
In Bezug auf das Sterbegeld ist der für “Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten” geltende ermäßigte Steuersatz nicht zu gewähren.
BFH Urteil vom 23.11.2016 – X R 13/14 BFH/NV 2017, 445
Sachverhalt:
Der im Streitjahr 2008 verstorbene Ehemann (E) der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) war Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Im Streitjahr zahlte das Versorgungswerk an die Klägerin neben der laufenden Hinterbliebenenrente ein Sterbegeld in Höhe von 3.097,20 EUR aus, das auf § 26 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerks beruhte. Diese –vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene– Satzungsregelung lautet: “Anspruch auf Sterbegeld hat der überlebende Eheteil, wenn die Ehe bis zum Tode des Teilnehmers fortbestanden hat. Ist kein überlebender Eheteil vorhanden, so haben den Anspruch die ehelichen, für ehelich erklärten, nichtehelichen und an Kindes Statt angenommenen Kinder; durch Zahlung an eines der anspruchsberechtigten Kinder wird die Versorgungsanstalt befreit.”
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) erfasste im Einkommensteuerbescheid 2008 –mit dem er die Klägerin letztmals mit E zusammenveranlagte– neben den laufenden Renteneinnahmen auch das Sterbegeld mit dem Besteuerungsanteil (56 %) als sonstige Einkünfte aus der Basisversorgung (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Einkommensteuergesetzes –EStG–). Nach erfolglosem Einspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, das Sterbegeld sei zweckgebunden zur Deckung der Sterbefallkosten bestimmt und daher nicht steuerbar. Ihr seien Beerdigungskosten in einer Höhe entstanden, die den Betrag des Sterbegelds überstiegen.
Begründung:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Das Sterbegeld aus dem berufsständischen Versorgungswerk unterliegt als “andere Leistung” gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG mit dem Besteuerungsanteil der Einkommensteuer (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19. August 2013, BStBl I 2013, 1087, Rz 204).
Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass eine Besteuerung als “andere Leistung” i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a EStG nicht zugleich das Vorliegen “wiederkehrender Bezüge” nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG erfordert. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die genannte Entscheidung Bezug genommen.
Entgegen der Auffassung des FG dient diese Auslegung nicht lediglich der “Missbrauchsvermeidung” (Verhinderung der Umwandlung laufender Rentenleistungen in einmalige Kapitalzahlungen), sondern stellt allgemein die systemgerechte Umsetzung des Konzepts der nachgelagerten Besteuerung sicher, das der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Vorsorgeaufwendungen und Altersbezügen seit 2005 zugrunde liegt. Das FA weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages in seinem Bericht zum Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) die von einigen Versorgungswerken eingeräumte Möglichkeit von Teilkapitalisierungen nur als Beispiel für eine “andere Leistung” angeführt hat (BTDrucks 15/3004, S. 19), den Anwendungsbereich dieses gesetzlichen Tatbestands aber ersichtlich nicht auf diese Fallgestaltungen hat beschränken wollen.
Auch die grundlegenden Wertungen, die mit der Neugestaltung der Rentenbesteuerung durch das AltEinkG verbunden waren, sprechen für eine Einbeziehung sämtlicher Auszahlungen aus der Basisversorgung in die nachgelagerte Besteuerung; ihnen lässt sich eine Beschränkung auf kapitalisierte Rentenansprüche nicht entnehmen. Da der Gesetzgeber sich mit dem AltEinkG grundsätzlich von seiner früheren Sichtweise (Altersbezüge als nicht steuerbare Vermögensumschichtung) gelöst hat, trägt der –auch von der Klägerin vorgebrachte– Einwand, es handele sich um die Rückzahlung einer Kapitalanlage, nicht mehr. Die Steuerbarkeit sämtlicher Leistungen der Basisversorgung gilt nicht nur für den Endzustand der nachgelagerten Besteuerung, der erst für die Renteneintrittsjahrgänge ab dem Jahr 2040 erreicht sein wird, sondern bereits für die gegenwärtig laufende Übergangsphase.
Aus dem Zweck des Sterbegelds, eine finanzielle Hilfestellung für die Aufbringung der Sterbefallkosten zu bieten, folgt nichts anderes. Eine rechtliche Zweckbindung ist hiermit nicht verbunden. Nach § 26 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerks wird das Sterbegeld unabhängig davon gezahlt, ob bzw. in welcher Höhe dem überlebenden Ehegatten Sterbefallkosten entstehen. Auch ist die Zahlung unabhängig davon, ob der überlebende Ehegatte überhaupt Erbe –und damit gemäß § 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Tragung der Beerdigungskosten verpflichtet– ist.
Einer tatsächlichen Verwendung des Sterbegelds zur Begleichung von Beerdigungskosten im Einzelfall wird im System des Einkommensteuerrechts im Übrigen dadurch Rechnung getragen, dass diejenigen Beerdigungskosten, die den Wert des erhaltenen Nachlasses übersteigen, als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können und auf diese Weise steuerlich entlastet werden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es auch nicht zu einer zweimaligen einkommensteuerlichen Belastung des Sterbegelds. Die Klägerin bringt insoweit vor, eine Besteuerung des Sterbegelds müsse schon deshalb ausscheiden, weil es im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen auf die Beerdigungskosten angerechnet werde und dadurch den abziehbaren Betrag mindere. Indes hat der BFH eine derartige Anrechnung nur in Bezug auf solche Sterbegeldleistungen bejaht, die nicht einkommensteuerpflichtig sind. Demgegenüber hat der BFH bereits entschieden, dass Bezüge, die als solche einkommensteuerpflichtig sind, nicht auf den nach § 33 EStG abziehbaren Betrag anzurechnen sind.
Auch sind Altersbezüge von ihrem Charakter her generell und typischerweise zur Sicherung des Lebensunterhalts –d.h. zur Begleichung existenzsichernder und zu einem großen Teil unvermeidbarer Aufwendungen– bestimmt, ohne dass dies ihrer Besteuerung grundsätzlich entgegenstünde.
Ebenso wenig vermag der Einwand der Klägerin zu überzeugen, die Besteuerung des an den überlebenden Ehegatten gezahlten Sterbegelds sei gleichheitswidrig, weil Sterbegeld, das das Versorgungswerk an ein Kind des verstorbenen Mitglieds (Waise) zahle, nicht der Einkommensteuer unterliege.
Der Senat kann schon die Prämisse, die der Argumentation der Klägerin zugrunde liegt –die fehlende Einkommensteuerbarkeit des an Waisen gezahlten Sterbegelds– nicht teilen. Er hat bereits entschieden, dass Einmalzahlungen aus der Basisversorgung auch dann gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG einkommensteuerbar und -steuerpflichtig sind, wenn daneben keine laufenden Leistungen gezahlt werden. Ebenso hat er erkannt, dass auch eine einmalige Todesfallleistung an ein hinterbliebenes Kind des Versicherten steuerpflichtig ist.
Aus den vom FA in der Revisionsbegründung genannten Erwägungen ist die für “Leistungen aus einer Krankenversicherung” geltende Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG für die rechtliche Beurteilung des Streitfalls ohne Bedeutung. Sie war zwar –solange Sterbegelder zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehört haben– auch auf diese Leistungen anwendbar, ist aber weder auf Sterbegelder zugeschnitten noch enthält sie eine umfassende Steuerfreistellung für Sterbegelder. Zu Recht weist das FA darauf hin, dass Sterbegelder, die an die Hinterbliebenen von Pensionären oder Abgeordneten gezahlt werden, nach § 19 EStG bzw. § 22 Nr. 4 EStG steuerpflichtig sind, ohne dass hier die Vorschrift des § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG herangezogen würde.
Der für “Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten” geltende ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG ist in Bezug auf das Sterbegeld nicht zu gewähren. Zwar hat der erkennende Senat den ermäßigten Steuersatz auf solche Leistungen angewendet, die die Kapitalisierung von an sich laufend auszuzahlenden Bezügen darstellten. Tragend dafür war aber, dass derartige Kapitalisierungen zum einen atypisch für die Basisversorgung sind und zum anderen aufgrund ihrer außerordentlichen Höhe typischerweise zu einer Zusammenballung steuerpflichtiger Einkünfte und damit zu Progressionsnachteilen führen.
Diese Erwägungen lassen sich auf Sterbegelder nicht übertragen. Sie stellen lediglich untergeordnete Zusatzleistungen zu den laufenden Rentenbezügen dar und sind daher –anders als Kapitalauszahlungen– nicht als Fremdkörper im Leistungskatalog der Basisversorgung anzusehen. Hinzu kommt, dass Sterbegelder aus der Basisversorgung typischerweise nicht so hoch ausfallen, dass sie zu Progressionsnachteilen führen.
Die von E im Streitjahr geleisteten Beiträge zum Versorgungswerk sind zwar ihrer Rechtsnatur nach vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften, allerdings durch die Regelungen in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3 EStG spezialgesetzlich den Sonderausgaben zugewiesen. Der von der Klägerin hilfsweise begehrte Werbungskostenabzug ist daher nicht zu gewähren.