Generationen- und betriebsübergreifende Totalgewinnprognose bei Übertragung eines Forstbetriebs unter Nießbrauchsvorbehalt

Bei einem Forstbetrieb ist die Totalgewinnprognose grundsätzlich generationenübergreifend über den Zeitraum der durchschnittlichen Umtriebszeit des darin vorherrschenden Baumbestands zu erstrecken. Dies gilt zugleich betriebsübergreifend auch dann, wenn der Forstbetrieb zunächst unter Nießbrauchsvorbehalt an die nächste Generation übertragen wird. Die Totalgewinnprognose ist dann ungeachtet der Entstehung zweier Forstbetriebe für einen fiktiven konsolidierten Forstbetrieb zu erstellen.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 7.4.2016, IV R 38/13

Sachverhalt:

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war Eigentümer eines Hofes i.S. der Höfeordnung, der neben der Hofstelle land- und forstwirtschaftliche Flächen von etwa 86 ha umfasste. Durch notariellen Hofübergabe- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vom … 2002 übertrug der Kläger den Hof auf seinen Sohn S; er behielt sich jedoch auf Lebzeiten den unentgeltlichen Nießbrauch daran vor. Die Flächen bildeten am 30. Juni 2004 einen sog. Eigenjagdbezirk.

Auch nach der Hofübertragung ermittelte der Kläger den Gewinn aus der Bewirtschaftung der Forstflächen und der Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen durch Betriebsvermögensvergleich für das Normalwirtschaftsjahr für Landwirte (1. Juli bis 30. Juni). In den Wirtschaftsjahren 2002/2003 bis 2010/2011 ergaben sich Verluste von insgesamt … EUR.

Im Rahmen einer Außenprüfung legte der Kläger ein Gutachten vom … 2006 vor. Darin wurde prognostiziert, es könne mit dem Forstbetrieb über den Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis zum 30. Juni 2092 ein Totalgewinn von 798.020 EUR erzielt werden. Gleichwohl erkannte das FA den Verlust, soweit er auf die Forstflächen entfiel, mangels Gewinnerzielungsabsicht nicht mehr an. Dabei bezog es sich im Wesentlichen auf die gutachterliche Stellungnahme des Forstsachverständigen der Oberfinanzdirektion. Mit geändertem Einkommensteuerbescheid vom … 2007 erfasste das FA die Pachteinnahmen für die landwirtschaftlichen Flächen unter Berücksichtigung eines pauschalen Werbungskostenabzugs von 10 % als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Begründung:

Zu Unrecht hat das FG für die Beurteilung des Vorliegens der Gewinnerzielungsabsicht nur auf den Zeitraum des Bestehens des forstwirtschaftlichen Betriebs während der Zeit des Nießbrauchs abgestellt (dazu unter 1.). Der vom FG festgestellte Sachverhalt reicht jedoch nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob der Kläger die forstwirtschaftliche Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt hat.

Gewinne und Verluste, die einem Steuerpflichtigen aus einer Betätigung erwachsen, sind nur dann bei der Bemessung seiner Einkommensteuer zu berücksichtigen, wenn sie sich einer der in § 2 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Einkunftsarten zurechnen lassen. Deshalb setzt die Berücksichtigung der von dem Kläger geltend gemachten Verluste voraus, dass sie aus der Unterhaltung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs i.S. von § 13 Abs. 1 EStG entstanden sind. Ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb erfordert eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird. Das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht als Voraussetzung für eine einkommensteuerrelevante betriebliche Tätigkeit ergibt sich aus § 15 Abs. 2 EStG, der auch auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i.S. des § 13 EStG anzuwenden ist.

Für die Beurteilung ist insbesondere von Bedeutung, ob der Betrieb bei objektiver Betrachtung nach seiner Art der Gestaltung der Betriebsführung und den gegebenen Ertragsaussichten einen “Totalgewinn” in dem beschriebenen Umfang erwarten lässt. Für diese Prognose können die Verhältnisse der bereits abgelaufenen Zeiträume wichtige Anhaltspunkte bieten. Ist danach bei objektiver Betrachtung ein positives Ergebnis nicht zu erwarten, kann der Steuerpflichtige gleichwohl nachweisen, dass er die objektiven Gegebenheiten verkannt und erwartet habe, dass zunächst angefallene Verluste im Laufe der weiteren Entwicklung des Betriebs durch Gewinne ausgeglichen würden und insgesamt ein positives Gesamtergebnis erzielt werden könne. Der Beweis, dass ein über Jahre hin mit Verlusten arbeitender Betrieb nicht mit der Absicht der Gewinnerzielung geführt wird, der Steuerpflichtige vielmehr aus nicht wirtschaftlichen, persönlichen Gründen diese ständige finanzielle Belastung trägt, kann aber in der Regel dann als erbracht gelten, wenn feststeht, dass der Betrieb nicht nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird und nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinnen arbeiten kann.

Zu Unrecht hat das FG den Beurteilungszeitraum für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht für den Forstbetrieb und die damit verbundene Totalgewinnprognose aber auf die Dauer des Nießbrauchsverhältnisses beschränkt. Der für die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht maßgebliche erzielbare Totalgewinn setzt sich aus den in der Vergangenheit erzielten und künftig zu erwartenden laufenden Gewinnen/Verlusten und dem sich bei Betriebsbeendigung voraussichtlich ergebenden Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn/-verlust zusammen. Kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Betrieb veräußert wird, so ist der Schätzung des Totalgewinns ein (fiktiver) Aufgabegewinn/-verlust gemäß § 16 Abs. 3 EStG zu Grunde zu legen.

Für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Totalgewinnperiode objektbezogen ist und deshalb mehr als eine Generation umfassen muss. Diese Rechtsprechung soll insbesondere den in der Land- und Forstwirtschaft üblichen Hofübergabeverträgen oder anderen Gestaltungen zur Hofübergabe an die nächste Generation (sog. Generationennachfolge) Rechnung tragen. Sie ist jedoch nicht dahin zu verstehen, dass die generationenübergreifende und damit objektive Sicht der Totalgewinnperiode faktisch zu einem zeitlich unbefristeten, weil mehrere Generationen umfassenden Beurteilungszeitraum führt. Vielmehr hat der Senat ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht gleichwohl notwendigerweise auf den einzelnen Steuerpflichtigen und damit primär auch auf dessen Betrieb bezogen ist. Die Einbeziehung der betrieblichen Betätigung des Rechtsnachfolgers in den Beurteilungszeitraum der Totalgewinnperiode hat der Senat insbesondere bei nachhaltig wirtschaftenden forstwirtschaftlichen Betrieben angenommen. Dort muss die lange Umtriebszeit zwischen Aufforstung und Ernte von oft mehr als 100 Jahren Berücksichtigung finden. Anderenfalls, also ohne eine generationenübergreifende Totalgewinnprognose, blieben insbesondere im Fall eines Neuaufbaus eines Forstbetriebs die Aufwendungen für die Anschaffung, Aufforstung und Durchforstung der Baumbestände steuerlich regelmäßig unberücksichtigt, da diesen angesichts der langen Zeitdauer bis zur Hiebsreife der Baumbestände beim investierenden Forstwirt keine entsprechenden Erträge gegenüberstehen. Die im Forstbetrieb aufgelaufenen Verluste werden daher jedenfalls im Fall der Neugründung eines Forstbetriebs regelmäßig nicht mehr von dem investierenden Forstwirt, sondern erst von der nachfolgenden Forstwirtgeneration durch Erträge kompensiert. Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist eine auf den konkreten Einzelfall bezogene wirtschaftliche Betrachtung, wenn bereits der aktuell zu beurteilende Steuerpflichtige die wirtschaftliche Grundlage des späteren Erfolgs in Form von positiven Einkünften bei seinem unentgeltlichen Rechtsnachfolger gelegt hat. Die Annahme einer generationenübergreifenden Totalgewinnperiode setzt daher auch die Identität der Betriebe des Rechtsvorgängers und des Rechtsnachfolgers voraus.

Davon ausgehend ist bei einem Forstbetrieb eine generationenübergreifende Totalgewinnprognose grundsätzlich über den Zeitraum der durchschnittlichen Umtriebszeit des darin vorherrschenden Baumbestands zu erstrecken. Werden im Rahmen einer Betriebsgründung bzw. eines Betriebserwerbs bereits hergestellte Baumbestände erworben, ist der Prognosezeitraum regelmäßig nach dem Zeitpunkt des Erwerbs bis zur Hiebsreife der Baumbestände zu bemessen. Die generationenübergreifende Totalgewinnprognose ist auch dann geboten, wenn der Forstbetrieb im Rahmen der Generationennachfolge an einen Rechtsnachfolger übertragen wird, der Rechtsvorgänger sich aber an dem überlassenen Betrieb den unentgeltlichen Nießbrauch auf Lebenszeit vorbehält und die Totalgewinnprognose deshalb auch zu einer betriebsübergreifenden wird.

Die hiernach gebotene generationen- und betriebsübergreifende Betrachtung führt bei dem hier vorliegenden Forstbetrieb dazu, dass in die Totalgewinnprognose sämtliche Forstbetriebe, d.h. der ursprüngliche, wirtschaftende Eigentümerforstbetrieb des Klägers, der ruhende Eigentümerforstbetrieb des Rechtsnachfolgers des Klägers, der Nießbrauchsbetrieb des Klägers und der zukünftige wirtschaftende Eigentümerforstbetrieb des Rechtsnachfolgers, einzubeziehen sind. Soweit während der Zeit der Nießbrauchsbestellung zwei Betriebe existieren, sind diese im Rahmen der Totalgewinnprogose fiktiv zu konsolidieren. Dies hat zur Folge, dass etwaige Leistungsbeziehungen zwischen diesen Betrieben zur Ermittlung eines Totalgewinns eliminiert werden.

Hotelbetrieb als Liebhaberei

Der für die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht maßgebliche erzielbare Totalgewinn setzt sich aus den in der Vergangenheit erzielten und künftig zu erwartenden laufenden Gewinnen/Verlusten und dem sich bei Betriebsbeendigung voraussichtlich ergebenden Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn/-verlust zusammen.

Der Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei wird nicht dadurch bestimmt, dass die aufgelaufenen Verluste die stillen Reserven übersteigen, sondern dadurch, dass der Steuerpflichtige keine Gewinnerzielungsabsicht (mehr) hat.

BFH Beschluss vom 13.04.2011 X B 186/10 NFHNV 2011 S. 1137

Begründung:

Gemäß § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) setzt eine gewerbliche Tätigkeit u.a. voraus, dass die Tätigkeit in der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird. Gewinnerzielungsabsicht als Tatbestandsmerkmal gewerblicher Tätigkeit ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns.

Angestrebt werden muss ein positives Ergebnis zwischen Betriebsgründung und Betriebsbeendigung, und zwar aufgrund einer Betätigung, die, über eine größere Zahl von Jahren gesehen, auf die Erzielung positiver Ergebnisse hin angelegt ist. Das für den Tatbestand der Einkünfteerzielung notwendige Gewinnstreben ist anhand äußerer Merkmale zu beurteilen. Zu den äußeren Kriterien, an denen die Gewinnerzielungsabsicht zu messen ist, gehört nicht nur der Erfolg, sondern auch die Art der auf diesen Erfolg hin ausgerichteten Tätigkeit. Dazu bedarf es einer in die Zukunft gerichteten, langfristigen Prognose, für die die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten.

In die Totalgewinnprognose sind die Gewinne und Verluste eines Unternehmens von der Gründung bis zur Betriebsveräußerung oder -aufgabe einzubeziehen. Die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht maßgebliche erzielbare Totalgewinn setzt sich aus den in der Vergangenheit erzielten und künftig zu erwartenden laufenden Gewinnen/Verlusten und dem sich bei Betriebsbeendigung voraussichtlich ergebenden Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn/ -verlust zusammen. Kommt es nicht zu einer Veräußerung des Betriebs, ist der Schätzung des Totalgewinns ein (fiktiver) Aufgabegewinn/-verlust gemäß § 16 Abs. 3 EStG zugrunde zu legen.

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung, insbesondere der Festlegung, dass der zeitliche Maßstab für die Beurteilung des Totalerfolgs sich im Regelfall aus der Gesamtdauer der Betätigung ergibt, ist die Frage des Klägers, ob ein (Verlust-)Betrieb mit steuerlicher Anerkennung so lange weitergeführt werden kann, bis die stillen Reserven des Betriebs aufgezehrt worden sind, zu verneinen. Wäre nämlich eine Weiterführung des Betriebs mit entsprechender Anerkennung der aufgelaufenen Verluste bis zur Höhe der stillen Reserven möglich, wäre der zeitliche Maßstab der Totalgewinnprognose nicht die Gesamtdauer der wirtschaftlichen Betätigung, sondern der Verbrauch der stillen Reserven.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung setzt damit voraus, dass im Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei noch stille Reserven vorhanden sein können; dies wäre nicht der Fall, wenn die Rechtsfrage des Klägers bejaht würde. Grund ist, dass der Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei nicht dadurch bestimmt wird, dass die aufgelaufenen Verluste die stillen Reserven übersteigen, sondern dadurch, dass ein "Totalverlust" zu erwarten ist und der Steuerpflichtige keine Gewinnerzielungsabsicht (mehr) hat.

Zur Feststellung des Wegfalls der Gewinnerzielungsabsicht von Steuerpflichtigen, die eine gewerbliche Tätigkeit ausüben, die –wie der Hotelbetrieb der Ehefrau des Klägers– nicht typischerweise in der Nähe des Hobbybereichs anzusiedeln ist, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung folgende Kriterien entwickelt. Danach kann zwar die Gewinnerzielungsabsicht in diesen Fällen allein wegen der Tatsache langjähriger Erwirtschaftung von Verlusten und fehlender Reaktionen auf bereits eingetretene hohe Verluste nicht verneint werden. Das Unterlassen geeigneter Umstrukturierungsmaßnahmen im Hinblick auf das darin liegende nicht marktgerechte Verhalten kann aber als ein gewichtiges Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht zu werten sein, da ein solches Verhalten den Schluss darauf zulässt, dass die Betriebsführung nicht ernstlich darauf gerichtet war, erfolgreich am Markt tätig zu sein. An die Feststellung persönlicher Gründe oder Motive, die den Steuerpflichten trotz überwiegender Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind deshalb in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen.

Liebhaberei Totalgewinnprognose

In die Totalgewinnprognose sind Gewinne und Verluste eines Unternehmens von der Gründung bis zur Betriebsveräußerung einzubeziehen. Das Streben nach einem finanzwirtschaftlichen Überschuss (Cash-flow) reicht ebenso wenig wie das Streben nach Kostendeckung aus, eine Gewinnerzielungsabsicht zu begründen. Betriebswirtschaftliche Grundsätze einer gewinnorientierten Unternehmensführung können schon deshalb bei der Frage, ob ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht geführt wird, nicht übernommen werden, weil steuerlich die Aufwendungen der Vergangenheit nicht irrelevant sind. Über die Abschreibungen haben sie vielmehr Auswirkungen auch auf steuerliche Gewinne zukünftiger Veranlagungszeiträume. Fehlende Reaktionen auf bereits eingetretene hohe Verluste und das unveränderte Beibehalten eines verlustbringenden Geschäftskonzepts sind gewichtige Beweisanzeichen für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht. An die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, sind in diesen Fällen keine hohen Anforderungen zu stellen.

BFH Beschluss vom 24.09.2008 – X B 86/07 BFH/NV 2009 S. 18 ff.