Steuersatz bei Überlassung digitaler oder elektronischer Sprachwerke im Sinne des UrhG

Digitale oder elektronische Sprachwerke (E-Books) sind keine Bücher i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 2 UStG i.V.m. Anlage 2 Nr. 49 Buchst. a zum UStG.

Die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG), erfassen nicht „elektronisch erbrachte Dienstleistungen”.

BFH Urteil vom 03.12.2015 – V R 43/13 BFH/NV 2016, 517

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, erbrachte im Streitjahr (2011) Leistungen im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Vertrieb von Bibliotheken in digitalisierter Form (virtuelle Bibliotheken). Ihr Ziel war es, Bibliotheksnutzern Medien einer Bibliothek (z.B. Bücher) in digitalisierter Form räumlich und zeitlich unabhängig über das Internet zur Verfügung zu stellen. Dazu ließ sich die Klägerin Nutzungsrechte an geistig geschützten Werken einräumen. Diese berechtigten sie, die Werke zu digitalisieren, sie auf ihrer technischen Plattform (Servern) in handelsüblichen Formaten zu speichern und über das

In den monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen für 2011 unterwarf die Klägerin die Umsätze aus der Bereitstellung der digitalisierten Inhalte aufgrund der Bestellungen durch die Bibliotheken dem ermäßigten Steuersatz (7 %).

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 und Abs. 4 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Leistungen der Klägerin nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

Die Leistungen der Klägerin unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 UStG i.V.m. Anlage 2 Nr. 49 Buchst. a UStG. Danach ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Vermietung der in der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände. Nach Nr. 49 dieser Anlage gehören hierzu auch „Bücher”. Digitale (elektronische) Sprachwerke (E-Books) sind aber keine Bücher.

Die Steuerermäßigung für die Vermietung von Büchern beruht unionsrechtlich auf Art. 98 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL). Danach können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden (Abs. 1), allerdings nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien (Abs. 2). Nach Anhang III Nr. 6 MwStSystRL können die ermäßigten Steuersätze i.S. des Art. 98 MwStSystRL auf die Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern, einschließlich des Verleihs durch Büchereien, angewandt werden. Die ermäßigten Steuersätze sind nicht anwendbar auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen (Abs. 2). Das Überlassen elektronischer Bücher ist eine elektronisch erbrachte Dienstleistung i.S. des Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSystRL. Zudem fehlt es an dem von Anhang III Nr. 6 MwStSystRL vorausgesetzten physischen Träger. Die Mitgliedstaaten sind deshalb nicht ermächtigt, einen ermäßigten Steuersatz auf die Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern anzuwenden.

Dementsprechend ist § 12 Abs. 2 Nr. 2 UStG i.V.m. Anlage 2 Nr. 49 Buchst. a UStG richtlinienkonform einschränkend auszulegen. Das Tatbestandsmerkmal „Bücher” setzt einen physischen Träger voraus, auf dem das Buch materialisiert ist; digitale oder elektronische Sprachwerke fallen nicht unter die Steuerermäßigung. Die Einschränkung des Begriffes „Bücher” auf Schriftwerke, die auf einem physischen Träger materialisiert sind, ist mit dem Wortlaut der Norm vereinbar. Bei der Einführung der Steuerermäßigung für „Bücher” waren nur Bücher in Papierform, also solche auf einem physischen Träger, im Handel. Der Wortlaut der Norm zwingt deshalb nicht dazu, aufgrund einer technischen Entwicklung neue Erscheinungsformen von Schriftwerken unter diesen Begriff zu fassen.

Die Leistungen der Klägerin unterliegen als elektronische Dienstleistungen auch nicht der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG. Wenn sich danach die Steuer auf 7 % ermäßigt für die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben, so gilt dies nicht für elektronisch erbrachte Dienstleistungen.

Unionsrechtlich beruht diese Vorschrift auf Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Nr. 9 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten eine Steuersatzermäßigung auf Dienstleistungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie diesen geschuldete urheberrechtliche Vergütungen anwenden. Nach Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSysRL sind die ermäßigten Steuersätze wiederum nicht auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen anwendbar, wie sie von der Klägerin erbracht wurden. Dementsprechend ist § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG einschränkend auszulegen.. Daher bedarf es nicht der Entscheidung des EuGH, ob Anhang III Nr. 9 MwStSystRL dahingehend auszulegen ist, dass diese Bestimmung Nutzungsrechtseinräumungen in urheberrechtlichen Lizenzketten umfasst oder ob sie der nationalen Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG für eine urheberrechtliche Lizenzkette entgegensteht.