EuGH-Vorlage zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung einer teilweise durch EU-Beihilfen subventionierten Lieferung

1. NV: Ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in denen eine Erzeugerorganisation im Sinne des Art. 11 Abs. 1, Art. 15 der VO Nr. 2200/96 an die ihr angeschlossenen Erzeuger Gegenstände liefert und hierfür von den Erzeugern eine nicht den Einkaufspreis deckende Zahlung erhält,
a) NV: vom Vorliegen eines Tauschs mit Baraufgabe auszugehen, weil sich die Erzeuger im Gegenzug für den Umsatz gegenüber der Erzeugerorganisation vertraglich verpflichtet haben, die Erzeugerorganisation für die Dauer der Zweckbindungsfrist mit Obst und Gemüse zu beliefern, so dass Besteuerungsgrundlage des Umsatzes der von der Erzeugerorganisation an die Vorlieferanten gezahlte Einkaufspreis für die Investitionsgüter ist?
b) NV: der Betrag, den tatsächlich der Betriebsfonds für den Umsatz an die Erzeugerorganisation zahlt, in voller Höhe eine “unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängende Subvention” im Sinne des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, so dass die Besteuerungsgrundlage auch die finanzielle Beihilfe im Sinne des Art. 15 der VO Nr. 2200/96 umfasst, die dem Betriebsfonds aufgrund eines operationellen Programms gewährt worden ist?
2. NV: Falls nach der Antwort auf Frage 1 als Besteuerungsgrundlage nur die von den Erzeugern geleisteten Zahlungen, nicht aber die Lieferverpflichtung und die finanzielle Beihilfe anzusetzen sind: Steht unter den in Frage 1 genannten Umständen Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG einer auf Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG gestützten nationalen Sondermaßnahme wie § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG entgegen, nach der die Besteuerungsgrundlage der Umsätze an die Erzeuger der von der Erzeugerorganisation an die Vorlieferanten gezahlte Einkaufspreis für die Investitionsgüter ist, weil die Erzeuger nahestehende Personen sind?
3. NV: Falls die Frage 2 verneint wird: Gilt dies auch dann, wenn die Erzeuger zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, weil die Investitionsgüter der Berichtigung der Vorsteuerabzüge (Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG) unterliegen?
BFH Beschluss (EuGH-Vorlage) vom 13.6.2018, XI R 6/17

Begründung (BFH):
Der Bundesfinanzhof (BFH) ersucht den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um Klärung, ob Subventionen der Europäischen Union (EU) mit Umsatzsteuer belastet werden dürfen. Die beiden Vorlagebeschlüsse vom 13. Juni 2018 XI R 5/17 und XI R 6/17 betreffen finanzielle Beihilfe im Rahmen der Gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse.

In den Streitfällen förderte die EU im Rahmen von sog. „Operationellen Programmen“ (u.a. z.B. zur Sicherstellung einer nachfragegerechten Erzeugung, zur Senkung von Produktionskosten oder zur Förderung umweltgerechter Wirtschaftsweisen) Investitionen in Einzelbetrieben von Mitgliedern der Klägerinnen, beide Erzeugerorganisationen für Obst und Gemüse. Es handelte sich um eine finanzielle Beihilfe i.S. des Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 2200/96 des Rates vom 28. Oktober 1996 über die gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse.
Plante ein Erzeuger, der Mitglied einer Erzeugerorganisation war, den Erwerb eines förderfähigen Investitionsguts, bestellte es die Erzeugerorganisation und übertrug dem Erzeuger daran zunächst nur das hälftige Miteigentum. Erst nach Ablauf der Zweckbindungsfrist (von 5 oder 12 Jahren) wurde der Erzeuger Alleineigentümer.

Die Erzeugerorganisation stellte dem Erzeuger für das Investitionsgut lediglich 50 % ihrer Nettoanschaffungskosten zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung. Die restlichen 50 % wurden von einem Betriebsfonds gezahlt, der je zur Hälfte aus Beiträgen der in der Erzeugerorganisation zusammengeschlossenen Erzeuger und der finanziellen Beihilfe gespeist wurde. Der Erzeuger verpflichtete sich daneben, die Erzeugerorganisation während der Zweckbindungsfrist mit Obst und Gemüse zu beliefern.
Finanzamt und das Finanzgericht gingen mit unterschiedlicher Begründung davon aus, dass der volle Einkaufspreis der Erzeugerorganisation Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer sei.
Diese Ansicht hat der BFH in seinem Vorlagebeschluss geteilt und außerdem die Ansicht vertreten, die Lieferverpflichtung der Erzeuger könne in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sein. Er hält es allerdings unionsrechtlich für zweifelshaft, ob all dies dazu führen dürfe, dass im Ergebnis die finanzielle Beihilfe der EU die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer erhöht und daher mit Umsatzsteuer belastet wird.

Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Mietereinbauten

Ein Mieter, der an einem gemieteten Gebäude auf eigene Kosten Ausbauten, Umbauten oder Einbauten (hier: Photovoltaikanlage) vornimmt und für Zwecke seines Unternehmens nutzt, verschafft die Verfügungsmacht hieran dem Vermieter jedenfalls dann, wenn er ihm nicht nur das zivilrechtliche Eigentum überträgt, sondern auch einen unmittelbar vom Vermieter tatsächlich genutzten wirtschaftlichen Vorteil zuwendet.
BFH Urteil vom 16.11.2016 – V R 35/16
Begründung:
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt seit 2010 mehrere Photovoltaikanlagen. Seine Umsätze versteuert er nach vereinnahmten Entgelten. Im Streitjahr (2011) erwarb er eine weitere Anlage. Die Anlage wurde auf einer im Eigentum einer GbR stehenden Reithalle errichtet; Gesellschafter der GbR waren je zur Hälfte der Kläger und seine Schwester. Die Reithalle wurde neben zwei weiteren Hallen von der GbR ab 15. Oktober 2010 zum Zwecke der Pferdehaltung und zur Erteilung von Reitunterricht für monatlich 250 EUR an einen Dritten vermietet. Dabei vereinbarten die Vertragsparteien, dass die Mängel der Hallendächer nicht zur Kürzung des Mietzinses berechtigten.
Begründung:
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass der Kläger mit der Dachsanierung keine Leistung an die GbR erbracht hat. Der Senat kann aber aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht erkennen, ob die Leistung entgeltlich erfolgt ist.
Ein Mieter, der Ausbauten, Umbauten und Einbauten auf eigene Kosten vornimmt oder auf dem gemieteten Grundstück ein Gebäude errichtet, führt ebenso wie der Unternehmer, der auf einem ihm nicht gehörenden Grundstück ein Gebäude errichtet und das Gebäude dem Grundstückseigentümer übergibt, grundsätzlich eine Werklieferung gemäß § 3 Abs. 4 UStG aus
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger mit der Sanierung des Daches der für ihn fremden Reithalle eine Werklieferung i.S. von § 3 Abs. 4 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) an die GbR erbracht. Zwar besteht kein allgemeiner Rechtssatz, dass ein Mieter, der auf dem gemieteten Grundstück ein Gebäude auf eigene Rechnung errichtet und für Zwecke seines Unternehmens nutzt, die Verfügungsmacht an dem Gebäude weiter überträgt. Maßgeblich ist vielmehr eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls.
Vorliegend hat der Kläger der GbR aber nicht nur das Eigentum an den durch die Dachsanierung erstellten Dachteilen verschafft (§ 946 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB–), was allein auch noch nicht zu einer Lieferung führen muss, weil der zivilrechtliche Eigentumsübergang nicht zwingend die von § 3 Abs. 1 UStG und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystemrichtlinie –MwStSystRL–) vorausgesetzte Verschaffung eigentümerähnlicher Verfügungsmacht bewirkt . Vielmehr hat der Kläger darüber hinaus –was das FG nicht hinreichend berücksichtigt hat– der GbR unmittelbar einen von dieser auch tatsächlich genutzten wirtschaftlichen Vorteil zugewandt. Denn neben dem Kläger, der das Dach zum Betrieb der Photovoltaikanlage benötigt, nutzt auch die GbR das Dach im Rahmen der Vermietung der Reithalle. Ob sie ihrerseits ihrem Mieter gegenüber zu den Sanierungsmaßnahmen verpflichtet war, spielt insoweit keine Rolle.
Der Senat kann aber nicht entscheiden, ob die Werklieferung entgeltlich ausgeführt wurde.
Der DNV sieht unmittelbar kein von der GbR für die Dachsanierung zu zahlendes Entgelt vor. Es ist auch weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich, dass die GbR tatsächlich ein Entgelt gezahlt hat.
Da aber das im DNV vereinbarte, vom Kläger für die Nutzung des Daches zu zahlende Entgelt von 1 EUR jährlich einen eher symbolischen Charakter hat, kommt ein tauschähnlicher Umsatz (§ 3 Abs. 12 UStG) in Betracht, der auch auf gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung beruhen kann. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt für einen Leistungsaustausch einen unmittelbaren, nicht aber einen inneren (synallagmatischen) Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt voraus; das gilt auch für Tausch und tauschähnliche Umsätze Das FG wird deshalb feststellen müssen, ob die GbR dem Kläger die Nutzung des Daches (nahezu) kostenlos überlassen hat und ob diese Überlassung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Dachsanierung steht.