Unentgeltliche Anteilsübertragung

§ 17 Abs. 1 Satz 5 a.F./§ 17 Abs. 1 Satz 4 n.F. EStG greift nur bei unentgeltlicher Übertragung von bereits verstrickten Anteilen ein.

BFH Urteil vom 24.1.2012, IX R 8/10

Begründung:

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG a.F./§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG n.F. gilt § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG entsprechend, wenn der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben hat und der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich (Streitjahr 2000) bzw. i.S. von Satz 1 (Streitjahr 2001) beteiligt war.

§ 17 Abs. 1 Satz 5 EStG a.F./§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG n.F. erfassen ihrem Wortlaut nach nur solche –veräußerten– Anteile, die der selbst nicht wesentlich beteiligte Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich von einem Rechtsvorgänger erworben hat, der seinerseits innerhalb dieses Zeitraums wesentlich beteiligt gewesen ist. Der jeweilige Tatbestand erfasst also –anders als § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG– nicht alle Anteile einer Beteiligung ("von Anteilen"), sondern nur die in besonders qualifizierter Weise erlangten Anteile. Er verweist ("so gilt Satz 1 entsprechend") auch nicht allgemein auf § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, sondern lediglich entsprechend auf die Rechtsfolge des Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift, wonach der Gewinn/Verlust aus der Veräußerung zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört. Die Beteiligung bleibt eine unwesentliche Beteiligung. Es handelt sich um eine Rechtsfolgen- und nicht um eine Rechtsgrundverweisung. Der Veräußerer muss sich lediglich die Verhältnisse seines Rechtsvorgängers bezüglich der in § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG a.F./§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG n.F. bestimmten Anteile zurechnen lassen. Die Vorschrift ist objektbezogen sie dient dem Zweck, Anteile eines wesentlich Beteiligten nicht aus der Steuerverhaftung allein dadurch zu entlassen, dass sie unentgeltlich übertragen werden. In einem solchen Fall muss sich der spätere Veräußerer als Rechtsnachfolger die Besitzzeit des wesentlich beteiligten Rechtsvorgängers anrechnen lassen. So soll vermieden werden, dass ein wesentlich/ maßgeblich i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG Beteiligter seine Beteiligung aufteilen und unentgeltlich auf mehrere Personen übertragen kann, die diese dann ohne Versteuerung des Gewinns veräußern könnten.

Im Streitfall greift § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG a.F./§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG n.F. nicht ein; die genannten Regelungen sind dahingehend auszulegen, dass sie den Streitfall, in dem der unwesentlich/nicht maßgeblich i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG beteiligte Kläger erst nach der unentgeltlichen Übertragung qua Gesetzesänderung wesentlich/maßgeblich beteiligt wird, nicht erfassen.

Dieser Zweck von § 17 Abs. 1 Satz 5 a.F./Satz 4 n.F. EStG spricht dafür, dass die wesentliche/maßgebliche Beteiligung des Übertragenden bereits vor dem unentgeltlichen Erwerb des späteren Veräußerers bestanden haben muss. Denn nur die unentgeltliche Weitergabe eines Teils eines steuerverhafteten Anteils kann dazu dienen, eine steuerbare Anteilsveräußerung zu vermeiden. In "besonders qualifizierter Weise erlangt"  sind nur Anteile aus einer wesentlichen Beteiligung. Soll sich der spätere Veräußerer als Rechtsnachfolger die Besitzzeit seines wesentlich/maßgeblich beteiligten Rechtsvorgängers anrechnen lassen, setzt dies voraus, dass diese wesentliche Beteiligung im Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung bereits bestand. Andernfalls kommt eine Rechtsnachfolge in einen bereits steuerverhafteten Anteil nicht in Betracht. Demgegenüber würde eine Auslegung, die auch denjenigen unentgeltlichen Erwerber in die Steuerverhaftung seines unwesentlichen Anteils brächte, der diesen von einem –zu diesem Zeitpunkt– unwesentlich/maßgeblich Beteiligten erworben hat, der ratio legis nicht gerecht; sie würde zudem in nicht gerechtfertigter Weise Vertrauensschutzinteressen des unentgeltlichen Erwerbers verletzen. Denn die Steuerverhaftung seiner Anteile hinge von der Erlangung einer wesentlichen/maßgeblichen Beteiligung durch den unentgeltlich Übertragenden ab, die der unentgeltliche Erwerber typischerweise nicht beherrschen oder auch nur kennen kann. Abzustellen ist danach auf die Wesentlichkeit der Beteiligung des Klägers im Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung.

Nach der Gesetzesfassung 1998 war der Kläger nicht wesentlich beteiligt. Hieran ändert auch die Senkung der Wesentlichkeitsgrenze ab 1999 bzw. 2001 nichts. § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG a.F./§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG n.F. ist insoweit veranlagungszeitraumbezogen auszulegen. Nur so kann dem Interesse des unentgeltlichen Erwerbers an Planungssicherheit Rechnung getragen werden. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Gesetzesfassung von § 17 Abs. 1 Satz 5 EStG a.F., wenn gerade nicht wie in § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG n.F. auf § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG n.F. wörtlich Bezug genommen wird (vgl. dazu Strahl in Korn, § 17 EStG Rz 66); die Formulierung des letzten Halbsatzes "wesentlich beteiligt war" legt eine veranlagungszeitraumbezogene Auslegung nahe. Dies gilt unabhängig davon, dass § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG keinen entsprechenden Veranlagungszeitraumbezug aufweist. Auch § 17 Abs. 2 Satz 4 Buchst. b EStG hat der Senat veranlagungszeitraumbezogen betrachtet