Untätigkeitsklage, Aussetzung des Verfahrens

Auch eine nach Ablauf der Regel-Sperrfrist von sechs Monaten erhobene Untätigkeitsklage ist nicht ohne weiteres zulässig; sie kann jedoch in die Zulässigkeit hineinwachsen.

Bei einer verfrüht erhobenen Untätigkeitsklage hat das Finanzgericht eine befristete Aussetzung des Klageverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen. Angesichts der in § 46 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO aufgeführten unbestimmten Rechtsbegriffe wird eine Aussetzung regelmäßig geboten sein.

Weist das Finanzgericht die Untätigkeitsklage gleichwohl als unzulässig ab, so hat es in der Urteilsbegründung seine leitenden Ermessenserwägungen hinsichtlich der versagten Aussetzung des Klageverfahrens offen zu legen. Geschieht dies nicht, kann ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorliegen.

BUNDESFINANZHOF Beschluß vom 7.3.2006, VI B 78/04

Nach § 46 Abs. 1 FGO ist eine Klage –abweichend von § 44 FGO– ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Zeit sachlich nicht entschieden worden ist. Die Klage kann grundsätzlich nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FGO). Nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO kann das Verfahren bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist, die verlängert werden kann, ausgesetzt werden.

Nach der gesetzlichen Intention steht dem FA regelmäßig eine Bearbeitungszeit für den Einspruch von sechs Monaten zu. Indessen verliert die Tatbestandsvoraussetzung “in angemessener Zeit” durch diese (Regel-)Sperrfrist auch nach Ablauf von sechs Monaten nicht ihre Bedeutung.
Das FG ist deshalb im Grundsatz zu Recht davon ausgegangen, dass eine sog. Untätigkeitsklage auch nach Ablauf von sechs Monaten nicht zwangsläufig zulässig ist. Vielmehr ist nach den gesamten Umständen des Falles zu beurteilen, ob eine Bearbeitungszeit, die über sechs Monate hinausreicht, noch “angemessen” ist. Dabei sind auf der einen Seite der Umfang und die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und auf der anderen Seite das Interesse des Rechtsbehelfsführers an baldiger Entscheidung gegeneinander abzuwägen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) handelt es sich bei den in § 46 Abs. 1 FGO angeführten Tatbestandsvoraussetzungen nicht um Zugangsvoraussetzungen mit der Folge, dass bei ihrem Nichtvorliegen von einer unheilbar unzulässigen Klage auszugehen ist; vielmehr handelt es sich hierbei um Sachentscheidungsvoraussetzungen, die erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erfüllt sein müssen. Demzufolge hat der BFH in ständiger Rechtsprechung angenommen, auch eine Untätigkeitsklage könne in die Zulässigkeit hineinwachsen. Nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO kann das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen. Diese Aussetzung kommt nicht nur bei einer zulässigen Untätigkeitsklage, die die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO erfüllt, sondern auch bei einer unzulässigen (verfrüht erhobenen) Untätigkeitsklage in Betracht. Denn auch diese kann während der Aussetzung in die Zulässigkeit hineinwachsen.

Weist das FG gleichwohl eine –verfrüht erhobene– Untätigkeitsklage als unzulässig ab, so hat es in der Urteilsbegründung seine leitenden Ermessenserwägungen nach Maßgabe der vorgenannten Ausführungen offen zu legen. Das Rechtsmittelgericht muss erkennen können, warum das FG von der Möglichkeit, das Verfahren befristet auszusetzen, keinen Gebrauch gemacht hat.