Keine Opfergrenze, aber Berücksichtigung des Kindesunterhalts bei Unterhalt an Lebensgefährtin

Unterhaltsleistungen eines Steuerpflichtigen an seine mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebende, mittellose Lebenspartnerin sind ohne Berücksichtigung der sog. Opfergrenze als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG abziehbar.

Gehört der Haushaltsgemeinschaft ein unterhaltsberechtigtes Kind an, sind die für Unterhaltsleistungen zur Verfügung stehenden Mittel um den nach § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG bemessenen Mindestunterhaltsbedarf des Kindes zu kürzen.

Der Mindestunterhalt ist in Höhe des doppelten Freibetrags für das sächliche Existenzminimum des Kindes anzusetzen. § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB kommt entsprechend zur Anwendung.

BFH Urteil vom 17. Dezember 2009 VI R 64/08

Begründung:

Aufwendungen für den Unterhalt einer gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigten Person können nach § 33a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf Antrag bis zu einem bestimmten Betrag (im Streitjahr 7.680 €) vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Den gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen ist nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG eine Person gleichgestellt, wenn ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden.

Unterhaltsaufwendungen für andere als gemäß § 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorrangig unterhaltsberechtigte Personen können nach der ständigen Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen nur dann als zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs für sich sowie ggf. für seine Ehefrau und seine Kinder verbleiben (sog. Opfergrenze). Denn nach § 1603 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

Der gesetzgeberische Grund der Gleichstellung in § 33a Abs. 1 EStG liegt darin, dass der Unterhalt Leistende sich in einer vergleichbaren –sittlichen, nicht rechtlichen– Zwangslage wie der gesetzlich zum Unterhalt Verpflichtete befindet, wenn der Unterhaltsbedürftige durch Versagung von Sozialleistungen de facto auf das Einkommen seines Lebenspartners verwiesen wird. Nach Auffassung des III. Senats des BFH ist dies aber anders, wenn zusammen lebende Partner eine sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft bilden und daher gemeinsam wirtschaften müssen. Erzielt nur einer der Partner Einkünfte oder Bezüge, so ist es praktisch unumgänglich, daraus die größten Ausgaben wie Miete samt Nebenkosten, Nahrungsmittel und Kleidung für beide zu begleichen. In derartigen Fällen wäre es, so der BFH, auch sittlich nicht zu billigen, den bedürftigen Partner, welchem mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen öffentliche Mittel verweigert werden, nur unzureichend zu unterstützen. Vielmehr ist in einem solchen Fall von der gleichmäßigen Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel zwischen dem verdienenden und dem bedürftigen Partner auszugehen.

Nach dieser Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, ist auch im Streitfall davon auszugehen, dass der Kläger und E das ihnen gemeinsam zur Verfügung stehende Nettoeinkommen gleichmäßig aufgeteilt haben. Da hier aber ein gegenüber dem Kläger gemäß § 1615l Abs. 3 Satz 3 BGB des Streitjahrs bevorrechtigt unterhaltsberechtigtes Kind zur Haushaltsgemeinschaft gehört, ist bei der Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens der Mindestunterhaltsbedarf dieses Kindes in Abzug zu bringen.

Der Mindestunterhalt ist in Höhe des doppelten Freibetrags für das sächliche Existenzminimum des Kindes gemäß § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG (3.648 €) anzusetzen. Eine vergleichbare Regelung findet sich für das zivilrechtliche Unterhaltsrecht in § 1612a Abs. 1 BGB in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung. Da erfahrungsgemäß ältere Kinder höhere Kosten als jüngere Kinder verursachen, ist der Mindestunterhalt altersabhängig zu gestalten. Insoweit kann die Altersstufenregelung in § 1612a Abs. 1 Satz 3 BGB in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung entsprechend herangezogen werden.

Dem verdienenden Partner muss auch kein verfügbares Einkommen in Höhe des steuerrechtlichen Existenzminimums verbleiben, da im Rahmen einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft das zur Verfügung stehende Nettoeinkommen gleichmäßig aufzuteilen ist.