Unternehmenssitz an Anschrift der überlassenen Räumlichkeiten nicht ausreichend für Begründung einer Betriebsaufspaltung

Die für eine Betriebsaufspaltung unter anderem erforderliche sachliche Verflechtung durch Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen an eine Betriebsgesellschaft ist nicht alleine deshalb zu bejahen, weil diese (Aktien-)Gesellschaft an der Anschrift der überlassenen Büroräume ihren Sitz begründet hat.

Die Bestimmung der Wesentlichkeit der überlassenen Räumlichkeiten für die Betriebsgesellschaft bedarf einer Gesamtabwägung aller Umstände des Streitfalles. Für die Bestimmung der funktionalen Bedeutung der überlassenen Räumlichkeiten kann das Bestehen des gesellschaftlichen Sitzes nur ein Indiz sein.

BFH Urteil vom 29.07.2015-IV R 16/13 BFH/NV 2016, 19

Sachverhalt:

Die Eheleute M und F vermieteten im Streitzeitraum ein Büro mit WC mit einer Größe von 20 qm, einen Archivraum, zwei Garagen als Lager sowie zwei Garagen für betriebliche Kfz an die AG.

Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der Klägerin ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) davon aus, dass zwischen der Klägerin und der AG eine Betriebsaufspaltung vorliege. Die vermieteten Räumlichkeiten gehörten deshalb zu einem Betriebsvermögen der Klägerin. Dies treffe auch auf Anteile der Ehegatten M und F an der AG zu, die sich in deren Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin befänden.

Begründung;

Die Revision ist begründet. Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des FG kann nicht entschieden werden, ob eine Betriebsaufspaltung vorliegt. Das Vorliegen eines Gewerbebetriebs der Klägerin unterstellt, ist bereits zweifelhaft, ob für die Klägerin als zwischen den Ehegatten M und F zumindest konkludent begründete GbR  ein Gesamthandsgewinn auf der Grundlage der Einkünfte aus der streitbefangenen Vermietung gesondert und einheitlich festzustellen ist. Denn die streitbefangene Immobilie befindet sich im Miteigentum der Ehegatten. Vermieten Miteigentümer als Gesellschafter einer zumindest konkludent vereinbarten (Besitz-)GbR ein Grundstück an eine Betriebsgesellschaft, so sind die Miteigentumsanteile an diesem Grundstück Sonderbetriebsvermögen I der Bruchteilseigentümer bei der GbR. Einnahmen aus der Vermietung eines solchen Grundstücks führen deshalb –was das FA nicht berücksichtigt hat– bei den Miteigentümern zu Sonderbetriebseinnahmen.

Die bisherigen Feststellungen des FG tragen indes dessen Annahme eines Gewerbebetriebs der Klägerin nicht. Sie lassen keine hinreichende Grundlage für eine Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der AG erkennen. Das FG wird die erforderlichen Feststellungen zu der Frage, ob zwischen der Klägerin und der AG in den Streitjahren eine sachliche Verflechtung vorgelegen hat, im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn einem Betriebsunternehmen wesentliche Grundlagen für seinen Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden und die hinter dem Betriebs- und Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben; dieser ist anzunehmen, wenn die Person oder Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchsetzen.

Ob die damit umschriebenen Voraussetzungen einer sachlichen und personellen Verflechtung vorliegen, ist nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden. Ist aufgrund besonderer sachlicher und personeller Gegebenheiten eine so enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Besitzgesellschaft und dem Betriebsunternehmen zu bejahen, dass die Besitzgesellschaft durch die Vermietungs- oder Verpachtungstätigkeit über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, so ist die Besitzgesellschaft nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur Betriebsaufspaltung gewerblich.

Eine personelle Verflechtung liegt im Streitfall vor. Das FG hat diese Voraussetzungen für den Streitfall zu Recht bejaht. Da diese Frage zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist, sieht der Senat insoweit von weiteren Ausführungen ab. Ob im Streitfall auch eine sachliche Verflechtung zu bejahen ist, die Klägerin der AG also wesentliche Betriebsgrundlagen überlassen hat, lässt sich indes auf Grundlage der Feststellungen des FG nicht beantworten.

Ein Grundstück, das der Betriebsgesellschaft überlassen und von dieser genutzt wird, stellt eine wesentliche Betriebsgrundlage dar, wenn das Grundstück für die Betriebsgesellschaft wirtschaftlich von nicht nur geringer Bedeutung ist. So verhält es sich, wenn der Betrieb auf das Grundstück angewiesen ist, weil er ohne ein Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden könnte. Eine besondere Gestaltung für den jeweiligen Unternehmenszweck (branchenspezifische Herrichtung und Ausgestaltung) ist nicht erforderlich. Notwendig ist allein, dass das Grundstück die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bildet und es ihr ermöglicht, ihren Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben. Der Eigenschaft als wesentliche Betriebsgrundlage steht nicht entgegen, dass die Betriebsgesellschaft jederzeit am Markt ein für ihre Belange gleichermaßen geeignetes Gebäude mieten oder kaufen kann.

Für die Überlassung von Büro- oder Verwaltungsräumen gelten die gleichen Grundsätze. Einer spezifischen Ausstattung des Gebäudes bedarf es nicht, sodass auch die Vermietung von Räumen in einem Einfamilienhaus als Überlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage in Betracht kommen kann einem Büro in einem Einfamilienhaus, in dem sich der Sitz der Geschäftsleitung des Unternehmens und zudem auch sein einziges Büro, mithin der Mittelpunkt der Geschäftsleitung befand). Nach diesen Grundsätzen können auch Bürogebäude und Lagerhallen eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage darstellen, wenn sie eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für das Betriebsunternehmen haben

Bei der erforderlichen Beurteilung kann neben der funktionalen Bedeutung der überlassenen Gebäude auch das quantitative Verhältnis zwischen den überlassenen Flächen und den übrigen Nutzflächen des Betriebsunternehmens von Bedeutung sein. Dort war die Überlassung von nur 7,45 % der vorhandenen Bürofläche als zu gering erachtet worden).

Eine Gesamtbildbetrachtung muss schließlich darüber entscheiden, ob dem überlassenen Grundstück im Rahmen aller das Betriebsunternehmen kennzeichnenden Umstände eine nicht nur untergeordnete Bedeutung zukommt.

Das FG hat seine Annahme, dass die vermieteten Räumlichkeiten zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen der AG gehörten, im Wesentlichen darauf gestützt, dass die AG am Belegenheitsort dieser Räumlichkeiten ihren Sitz gehabt habe. Der Sitz einer AG hat indes lediglich Indizwirkung dahingehend, dass am Ort des Sitzes angemietete Räumlichkeiten für die AG von funktional wesentlicher Bedeutung sind. Denn nach § 5 Abs. 1 des Aktiengesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (AktG) ist Sitz der Gesellschaft der Ort, den die Satzung bestimmt. Nach Abs. 2 der Vorschrift hat die Satzung als Sitz „in der Regel” den Ort, wo die Gesellschaft einen Betrieb hat, oder den Ort zu bestimmen, wo sich die Geschäftsleitung befindet oder die Verwaltung geführt wird. Eine strenge Verknüpfung von Sitz, der neben der Firma der Individualisierung der Gesellschaft dient, und Geschäftsleitung sieht § 5 AktG demnach nicht vor. Vielmehr können tatsächlicher Sitz und Satzungssitz auseinanderfallen (näher dazu z.B. Ringe in K. Schmidt/Lutter, AktG, Kommentar, 3. Aufl., § 5 Rz 1). So kann die Bestimmung des Sitzes einer AG auch nur lediglich formalen Charakter haben, wobei sich die tatsächlichen Verhältnisse im Laufe der Zeit auch ändern können. Folglich rechtfertigt allein der Umstand, dass eine AG am Ort ihres Sitzes Räumlichkeiten angemietet hat, noch nicht die Annahme, dass diese für die AG stets von funktional wesentlicher Bedeutung sind.

Auch auf die weiteren Feststellungen des FG lässt sich die im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Umstände des Streitfalles zu treffende Annahme einer funktional wesentlichen Bedeutung der streitbefangenen Räumlichkeiten für die AG nicht stützen.

Hinsichtlich der Büro- und Archivflächen liefert die Feststellung des FG, dass dort zumindest teilweise an Wochenenden Geschäftsleitungstätigkeiten für die AG ausgeübt worden seien, kein hinreichendes Indiz für die funktional wesentliche Bedeutung dieser Räume. Denn das FG hat zugleich ausgeführt, die Klägerin habe glaubhaft vorgetragen, dass die Geschäftsleitung ganz überwiegend von anderen Standorten (der AG) ausgeübt worden sei. Zwar mag es sein, dass sich Sitz und Geschäftsleitung der AG bei historischer Betrachtung zu einer früheren Zeit räumlich gedeckt haben. Der Umstand, dass im Laufe der Unternehmensentwicklung weitere Standorte hinzugekommen sind, gibt jedoch Anlass zu weiterer Aufklärung von Art, Ort und Umfang der tatsächlichen Geschäftsleitungstätigkeit in den Streitjahren und dabei einer Aufteilung und Gewichtung der in den streitbefangenen Räumen und in den übrigen (andernorts) von der AG genutzten Räumen durchgeführten Tätigkeiten. Eine wesentliche Bedeutung der zur Geschäftsleitung genutzten streitbefangenen Räume in wirtschaftlicher Hinsicht setzt insoweit voraus, dass die dort ausgeübten Tätigkeiten funktional bedeutsam sind. So genügt es regelmäßig nicht, wenn dort lediglich Hilfstätigkeiten ausgeübt werden, die etwa in der gelegentlichen Kontaktaufnahme mit dem andernorts befindlichen Betrieb oder der andernorts befindlichen Geschäftsleitung bestehen. Es ist für die Annahme einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage bei der Überlassung von Büroräumen zum Zwecke der Geschäftsleitung vielmehr erforderlich, dass ein nicht unbedeutender Teil des Tagesgeschäfts der Geschäftsleitung in diesen Räumlichkeiten stattfindet. Dabei ist im Streitfall auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die vermieteten Büroflächen im Zweifamilienhaus der Eheleute M und F der Unternehmensentwicklung der AG im Laufe der Zeit nicht mehr entsprochen haben und die Wochenendtätigkeit des „Unternehmensgründers” in den Streitjahren nur noch von untergeordneter Bedeutung für die AG gewesen ist. Hierfür könnte der Vortrag der Klägerin sprechen, dass die AG mittlerweile an drei Standorten über insgesamt 6 730 qm Fläche (davon 1 120 qm Verwaltungsfläche) verfüge, über 50 Mitarbeiter beschäftige und einen Umsatz von (jährlich) rund … EUR erziele. Schließlich wird auch der Frage nachzugehen sein, welche Bedeutung die in den streitbefangenen Räumen verrichtete Buchhaltertätigkeit einer –nach Angaben der Klägerin– „Teilzeitbuchhalterin” in den Streitjahren für die AG gehabt hat.

Hinsichtlich der nach den Feststellungen des FG als Lager bzw. für betriebliche Kfz vermieteten vier Garagen ist ebenfalls noch weiter aufzuklären, welche Bedeutung diese Räumlichkeiten in den Streitjahren für die AG gehabt haben. So wäre etwa zu prüfen, ob die beiden als Lager vermieteten Garagen über eine besondere Herrichtung und Ausstattung verfügt haben, die eine funktional wesentliche Bedeutung für die AG begründen könnten.

Die Feststellungen des FG lassen im Übrigen auch nicht den Schluss zu, dass die vermieteten Räumlichkeiten für die AG in den Streitjahren quantitativ von wesentlicher Bedeutung gewesen sind. Denn die nach Feststellung des FG der AG überlassenen Räume machen weniger als 2 % der für den Betrieb genutzten Flächen der AG aus. Allein die Feststellung des FG, dass die Wesentlichkeitsgrenze in § 8 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung nicht unterschritten wurde belegt im Streitfall noch keine quantitativ wesentliche Bedeutung.