Keine Teilwertabschreibung wegen Unverzinslichkeit einer Forderung

Die auf der Unverzinslichkeit einer im Anlagevermögen gehaltenen Forderung (hier: Darlehensforderung gegen eine Tochtergesellschaft) beruhende Teilwertminderung ist keine voraussichtlich dauernde Wertminderung und rechtfertigt deshalb keine Teilwertabschreibung.

BFH Urteil vom 24.10.2012, I R 43/11

Begründung:

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002 sind die nicht in § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 genannten Wirtschaftsgüter –u.a. nicht der Abnutzung unterliegende Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wie die streitgegenständliche Darlehensforderung– grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Diese entsprechen bei einer Forderung auch dann deren Nominalbetrag, wenn das Darlehen unverzinslich ist (Senatsurteil vom 24. Oktober 2006 I R 2/06, BFHE 215, 230, BStBl II 2007, 469). Jedoch kann an Stelle jener Kosten der Teilwert i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG 2002 angesetzt werden, wenn er aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 2002). Eine solche Teilwertabschreibung macht die Klägerin im Streitfall geltend.

Der Teilwert entspricht dem Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG 2002). Der Teilwert einer unverzinslichen oder niedrig verzinsten Forderung, mit deren Befriedigung erst in geraumer Zeit gerechnet werden kann, liegt in der Regel unterhalb ihres Nominalwerts. Sie ist weniger wert als eine nominal gleich hohe Forderung, die kurzfristig eingezogen werden kann. Das gilt nicht nur aus Sicht des Erwerbers einer Einzelforderung, sondern in gleicher Weise auch aus der des Erwerbers eines gesamten Unternehmens, zu dessen Vermögen die Forderung gehört. Der Teilwert unverzinslicher Darlehen ist deshalb grundsätzlich durch Abzinsung der künftigen Rückzahlung zu ermitteln (Senatsurteil in BFHE 215, 230, BStBl II 2007, 469).

Ob dem zu folgen ist, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn selbst wenn die Unverzinslichkeit des Gesellschafterdarlehens eines Alleingesellschafters zu einer Minderung des Teilwerts der Darlehensforderung führen könnte, wäre eine solche Wertminderung jedenfalls nicht "voraussichtlich dauernd" i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 2002 und dürfte deshalb nicht berücksichtigt werden.

Der Begriff "voraussichtlich dauernde Wertminderung" ist weder im Handelsgesetzbuch noch im Steuerrecht definiert. Er bezeichnet im Grundsatz eine Minderung des Teilwerts (handelsrechtlich: des beizulegenden Werts), die einerseits nicht endgültig sein muss, andererseits aber nicht nur vorübergehend sein darf. Ob eine Wertminderung "voraussichtlich dauernd" ist, muss unter Berücksichtigung der Eigenart des jeweils in Rede stehenden Wirtschaftsguts beurteilt werden.

In Bezug auf gesunkene Wechselkurse von festverzinslichen Wertpapieren hat der erkennende Senat die Dauerhaftigkeit der Wertminderung mit der Begründung verneint, dass der Inhaber eines solchen Papiers unabhängig vom Verlauf des Wechselkurses das gesicherte Recht hat, am Ende der Laufzeit des Wertpapiers dessen Nominalwert zu erhalten (Senatsurteil in BFHE 234, 137, BStBl II 2012, 716). Diese Überlegung ist auf eine Wertminderung, die auf der Unverzinslichkeit einer noch nicht fälligen Forderung beruht, zu übertragen: Auch in diesem Fall ist zwar der aktuelle Wert der Forderung zu den Bilanzstichtagen, die vor dem Fälligkeitszeitpunkt liegen, gemindert. Jedoch steigt der Wert in der Folge zwangsläufig sukzessive an und erreicht im Fälligkeitszeitpunkt den Nominalbetrag der Forderung. Der Forderungsinhaber hat mithin auch in diesem Fall die gesicherte Aussicht, zum Fälligkeitszeitpunkt den Nominalwert der Forderung zu erhalten. Die mit dem Fehlen der Fälligkeit einer unverzinslichen Forderung verbundene Wertminderung erweist sich somit unter dem zeitlichen Blickwinkel jedenfalls dann, wenn sich darin nicht ein Risiko hinsichtlich der Rückzahlung widerspiegelt, als nur vorübergehend und folglich als nicht dauerhaft.