Verlustverrechnung bei Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften von Ehegatten

Eine Verlustverrechnung bei Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften von Ehegatten ist möglich.

Finanzgericht Köln Urteil vom 20.04.2012,  4 K 1027/09

Begründung:

Zwar hat der Beklagte zu Recht die in den Jahren 2005 und 2006 erwirtschafteten Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften der Klägerin mit den in diesen Jahren erwirtschafteten Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften des Klägers verrechnet. Denn § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG bestimmt, dass Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäfte bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden dürfen. Zwar handelt es sich bei Eheleuten nicht um einen Steuerpflichtigen sondern um zwei verschiedene Steuerpflichtige. Die Befugnis zur Verrechnung von negativen Einkünften eines Ehegatten mit positiven Einkünften des anderen Ehegatten in ihrem Entstehungsjahr ergibt sich jedoch aus § 26b EStG. Nach § 26b EStG werden bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet und den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt. § 26b EStG regelt die Zusammenveranlagung in drei Abschnitten: Erstens die von Ehegatten erzielten Einkünfte werden unter Beachtung des Prinzips der Individualbesteuerung auch bei der Zusammenveranlagung als jeweils individuell erzielte Einkünfte anerkannt und als solche jeweils für sich ermittelt. Zweitens werden diese so ermittelten individuellen Einkünfte der jeweiligen Ehegatten zusammengerechnet und ihnen gemeinsam zugerechnet. Drittens werden die Ehegatten – wie es § 26b EStG im letzten Halbsatz formuliert – sodann als ein Steuerpflichtiger behandelt (Schneider in Kirchhof/Söhn, EStG, § 26b EStG Rz. B 2).

Im Streitfall erfolgte die Verrechnung der Gewinne der Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften mit den Verlusten des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften auf der zweiten Stufe der Zusammenveranlagung, die darin besteht, dass die Einkünfte den Ehegatten gemeinsam zugerechnet werden. Diese gemeinsame Zurechnung beinhaltete auch die Verrechnung von Verlusten des einen Ehegatten mit Gewinnen des anderen Ehegatten in ihrem jeweiligen Entstehungsjahr.

Zu Recht hat der Beklagte auch die verbleibenden Gewinne der Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften mit den zum 31.12. des jeweiligen Vorjahres festgestellten Verlustvorträgen aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet. Dies gilt jedenfalls insoweit, als er sie von den Verlustvorträgen der Klägerin abzog. Diese Verrechnung folgt unmittelbar aus § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG. Nach dieser Vorschrift mindern die Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 EStG erzielt hat.

Zu Unrecht hat der Beklagte jedoch die Gewinne der Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften auch anteilig von den für den Kläger festgestellten Verlustvorträgen aus privaten Veräußerungsgeschäften abgezogen. Da die für die Ehefrau zum 31.12. des jeweiligen Vorjahres festgestellten Verlustvorträge aus privaten Veräußerungsgeschäften höher als ihre im Folgejahr erwirtschafteten Gewinne waren, waren diese Gewinne vielmehr in vollem Umfang von den für die Klägerin festgestellten Verlustvorträgen abzuziehen. Die von dem Beklagten vorgenommene anteilige Verrechnung von Gewinnen der Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften mit für den Kläger festgestellten Verlustvorträgen aus privaten Veräußerungsgeschäften verstieß gegen den Grundsatz der Individualbesteuerung. Dieser besagt, dass Einkünfte derjenigen Person zuzurechnen sind, die sie erzielt hat. Dieser Grundsatz wird auch durch die Bestimmung des § 26b EStG nicht beeinträchtigt. Demgegenüber kann der Beklagte sich nicht auf § 62d EStDV berufen. Zwar bestimmt § 62d Abs. 2 Satz 2 EStDV, dass verbleibende negative Einkünfte aus einem Zeitraum der Zusammenveranlagung für den Verlustvortrag in Veranlagungszeiträume, in denen eine Zusammenveranlagung nicht stattfindet, auf die Ehegatten nach dem Verhältnis aufzuteilen sind, in dem die auf die einzelnen Ehegatten entfallenden Verluste im Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung zueinander stehen.

Diese Vorschrift betrifft aber nur den speziellen Fall, dass Ehegatten von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung übergehen. Sie beruht auf der Ermächtigung des § 26a Abs. 3 EStG. Ihr Anwendungsbereich ist entsprechend dieser Ermächtigung eng begrenzt. § 26a Abs. 3 EStG bestimmt, dass die Anwendung des § 10d EStG für den Fall des Übergangs von der getrennten Veranlagung zur Zusammenveranlagung und von der Zusammenveranlagung zur getrennten Veranlagung, wenn bei beiden Ehegatten nicht ausgeglichene Verluste vorliegen, durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates geregelt wird.Im Streitfall liegt kein derartiger Wechsel der Veranlagungsart vor. Sowohl in den Streitjahren als auch in den Jahren davor und danach wurden die Kläger zusammenveranlagt. Für eine Anwendung des § 62d Abs. 2 Satz 2 EStDV ist deshalb kein Raum.

Entgegen der Ansicht des Beklagten enthält § 62d Abs. 2 Satz 2 EStDV auch keinen allgemeinen Rechtsgedanken dergestalt, dass bei durchgehender Zusammenveranlagung verbleibende negative Einkünfte von Ehegatten für den Verlustvortrag nach dem Verhältnis aufzuteilen sind, in dem die auf die einzelnen Ehegatten entfallenden Verluste im Veranlagungszeitraum der Verlustentstehung zueinander stehen. Eine derartig weite Auslegung des Geltungsbereichs des § 62d EStDV ist nicht zulässig. Denn bei ihr würden die Grenzen der durch § 26a Abs. 3 EStG eingeräumten Ermächtigung (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) überschritten.