Zur Aussetzung der Vollziehung bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an den Regelungen zur Zinsschranke

Trotz ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke (des § 4h EStG i.V.m. § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 KStG)  und damit an der Rechtmäßigkeit des vorgenannten Bescheides lehnt das FG Münster die Aussetzung der Vollziehung aus Gründen des öffentlichen Interesses ab.

FG Münster 29.04.2013;  9 V 2400/12 K

Begründung:

An der Verfassungsmäßigkeit des § 4h EStG i.V.m. § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 KStG bestehen ernstliche Zweifel und damit auch an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheides 2008.

Nach der in den vorgenannten Normen geregelten sog. Zinsschranke sind Zinsaufwendungen eines Betriebes nur in Höhe des verrechenbaren EBITDA, d.h. in Höhe von 30 % des um Zinsaufwendungen und bestimmte Abschreibungen erhöhten Einkommens abziehbar. Danach verbleibende nicht abziehbare Zinsaufwendungen sind in die folgenden Wirtschaftsjahre vorzutragen. Die vorgenannte Abzugsbeschränkung greift allerdings gem. § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a) bis c) EStG nicht, falls der Betrag der Zinsaufwendungen, soweit er den Betrag der Zinserträge übersteigt, weniger als 3 Mio. € beträgt, der Betrieb nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehört oder der Betrieb zu einem Konzern gehört und seine Eigenkapitalquote (annähernd) gleich hoch oder höher ist als die des Konzerns (Eigenkapitalvergleich).

Die Vorgaben des § 4h Abs. 1 EStG hat das FA in dem angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 2008 zutreffend umgesetzt. Die Voraussetzungen einer der Ausnahmen des § 4h Abs. 2 Buchst. a)-c) EStG liegen nicht vor, weil die Zinsaufwendungen die Zinserträge um mehr als 3 Mio. € übersteigen, die Antragstellerin Muttergesellschaft eines Konzerns ist und ihre Eigenkapitalquote nicht (annähernd) gleich hoch oder höher als die des Konzerns ist. § 8a KStG führt zu keinem anderen Ergebnis; in seinem Abs. 1 finden sich lediglich abweichende Definitionen und in seinen Abs. 2 und 3 Einschränkungen zu den Ausnahmen des § 4h Abs. 2 EStG. Die Anwendung der Zinsschranke ausgehend vom Wortlaut der vorgenannten Normen ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig; im vorliegenden summarischen Verfahren bedarf es deshalb dazu weder weiterer Ausführungen noch über den Akteninhalt hinausgehender Überprüfungen (etwa zum Eigenkapitalvergleich).

Der Senat hat im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Zinsschrank. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung zudem folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürften eines besonderen sachlichen Grundes. Liegen gewichtige Gründe vor, kann der Gesetzgeber auch das objektive Nettoprinzip durchbrechen und sich dabei generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen. Die Missbrauchsbekämpfung ist als Rechtfertigungsgrund grundsätzlich anerkannt.

Mit den Regelungen zur sog. Zinsschranke (§ 8a KStG i.V.m. § 4h EStG) ist der Gesetzgeber von seiner Grundentscheidung abgewichen, dass Betriebsausgaben in dem Jahr abziehbar sein sollen, in dem sie angefallen sind und den Steuerpflichtigen belasten. Hierdurch will er die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen in Abhängigkeit vom Gewinn zur Sicherung inländischen Steuersubstrats sowie zur Vermeidung von missbräuchlichen Steuergestaltungen beschränken. Aufgrund der weiten Auslegung der unionsrechtlichen Marktfreiheiten durch den Europäischen Gerichtshof (bzw. jetzt den Gerichtshof der Europäischen Union – EuGH –) werden speziell grenzüberschreitend verbundene Unternehmen in die Lage versetzt, mittels Gesellschafterfremdfinanzierungen inländische Gewinne in das abkommensbegünstigte Ausland zu verlagern und andererseits ohnehin entstehenden Aufwand wie Zinsen gezielt im Inland anfallen zu lassen. Der Zweck der Zinsschranke, die steuerlichen Auswirkungen speziell konzerninterner Gestaltungen zur Gewinnverlagerung zu beschränken, kommt insbesondere durch die sog. Stand-alone-Klausel des § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG zum Ausdruck, nach der Betriebe, die nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehören, insoweit folgerichtig nicht von der Zinsschranke erfasst werden.

Konzerninterne Gestaltungen zur Gewinnverlagerung sind allerdings nicht von vornherein auf Gesellschafterfremdfinanzierungen beschränkt. Auch über die Entscheidung, welche Konzerngesellschaft stärker mittels Eigenkapital und welche in erster Linie durch Fremdkapital finanziert wird, lässt sich beeinflussen, in welcher Gesellschaft vorrangig Gewinne anfallen sollen. An einer derartigen Gestaltung zu Lasten eines konzernangehörigen Betriebs fehlt es allerdings, wenn dessen Eigenkapitalquote höher oder zumindest annähernd gleich hoch ist wie die des Konzerns. Diesem Gesichtspunkt wollte der Gesetzgeber erkennbar durch die sog. Escape-Klausel in § 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG Rechnung tragen.