Niedersächsisches Finanzgericht hält Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig

Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hält die andauernde Erhebung des Solidaritätszuschlags für verfassungswidrig und legt das Klageverfahren mit dem Aktenzeichen 7 K 143/08 dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Ergänzungsabgabe nach dem Solidaritätszuschlagsgesetz spätestens ab dem Jahr 2007 ihre verfassungsrechtliche Berechtigung verloren hat. Eine Ergänzungsabgabe dient nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nur der Deckung vorübergehender Bedarfsspitzen. Mit dem Solidaritätszuschlag sollen die Kosten der deutschen Einheit finanziert werden. Hierfür besteht nach Auffassung des Gerichts kein vorübergehender, sondern ein langfristiger Bedarf. Dieser darf nicht durch die Erhebung einer Ergänzungsabgabe gedeckt werden.

Das Gericht hat das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem BVerfG zur verfassungsrechtlichen Überprüfung vorgelegt.

Ergänzender Hinweis: Das Bundesfinanzministerium hat mit Schreiben vom 7.12.2009 – IV A 3 – S 0338/07/10010 – darauf hingewiesen, dass im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten Festetzungen des Solidaritätszuschlags ab dem Veranlagungszeitraum 2005 hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 vorläufig gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorzunehmen sind. Solidaritätszuschlag verfassungsgemäß

Die steuerliche Neuregelung zum häuslichen Arbeitszimmer soll zumindest teilweise verfassungswidrig sein







Es soll eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt werden, ob durch die im Steueränderungsgesetz 2007 eine Regelung getroffen worden ist, die insoweit gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, als der Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann nicht mehr möglich ist, wenn für die betriebliche oder

berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Finanzgericht Münster Beschluß vom 08.05.2009,  1 K 2872/08 E

Begründung:

Die Neuregelung zum häuslichen Arbeitszimmer gilt seit 2007 und besagt, dass ein häusliches Arbeitszimmer nur abzugsfähig ist, wenn es den Mittelpunkt des Berufslebens darstellt. Dadurch werden eine Reihe von Arbeitnehmern nach Auffassung des Gerichts benachteiligt. Sie konnten bis 2006 ihr Arbeitszimmer von der Steuer absetzen, weil ihnen ihr Arbeitgeber keinen eigenen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hat. Dieses Arbeitszimmer  war bis zu 1250 Euro als Werbungskosten abzugsfähig.

Im aktuellen Fall hatte ein Lehrer am Finanzgericht in Münster geklagt (Az.: 1 K 2872/08 E) und einen Teilerfolg erzielt, denn der zuständige Senat setzte das Verfahren aus und gab die Frage an das Bundesverfassungsgericht weiter. Die Münsteraner Richter beurteilten die Neuregelung als teilweise verfassungswidrig, weil sie gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstößt. Es entspreche nicht der Verfassung, dass die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht berücksichtigt werden, obwohl im Falle des Lehrers für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Dadurch entstehe ein Nachteil gegenüber anderen Arbeitnehmern, die ein Arbeitszimmer außerhalb des Hauses nutzen oder gegenüber Arbeitnehmern, die ihren beruflichen Mittelpunkt zu Hause haben.

Entgegen der Entscheidung der Finanzgerichte in Rheinland-Pfalz und Berlin-Brandenburg hatten die Richter in Münster die Verfassungsmäßigkeit bezweifelt.



Mantelkaufregelungen teilweise verfassungswidrig

Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 54 Abs. 6 KStG insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, als § 8 Abs. 4 KStG 1996 für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität vor dem 1. Januar 1997 verloren haben, bereits 1997 anzuwenden ist, dagegen für Körperschaften, die ihre wirtschaftliche Identität erstmals im Jahr 1997 vor dem 6. August verloren haben, erst im Jahr 1998.
BFH Beschluss vom 8. Oktober 2008 I R 95/04
Erläuterungen:
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in zwei Entscheidungen mit der Verfassungsmäßigkeit der sog. Mantelkaufregelungen im Körperschaftsteuergesetz (KStG) beschäftigt und in einem der Fälle wegen einer verfassungswidrigen Rückwirkung das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen.
Verfügt eine Kapitalgesellschaft über Verlustvorträge und werden ihre Anteile veräußert, befürchtet der Gesetzgeber einen missbräuchlichen Handel mit den Verlusten, den sog. Mantelkauf. § 8 Abs. 4 und seit 2008 § 8c KStG blockieren deswegen den steuerlichen Abzug solcher Verluste wegen fehlender wirtschaftlicher Identität der Kapitalgesellschaft vor und nach dem Anteilseignerwechsel. Diese Paragraphen wurden in der Vergangenheit immer wieder verschärft, was gesetzliche Übergangsvorschriften erforderte. Bei der grundlegenden Regelungsverschärfung des § 8 Abs. 4 KStG 1996 im Jahr 1997 war danach (gemäß § 54 Abs. 6 KStG 1996) wie folgt zu unterscheiden:
• Für sog. Altverluste, welche vor 1997 aufgelaufen waren, galten die strengeren Neuregelungen erstmals vom Veranlagungszeitraum 1997 an.
• Gleiches galt auch für Verluste, welche im Jahre 1997 nach dem 6. August, dem Tag der Beschlussfassung über die Neuregelungen durch den Deutschen Bundestag, aufgelaufen waren.
• Für Verluste, welche im Jahre 1997 vor dem 6. August aufgelaufen waren, galten die Neuregelungen aus Gründen des Vertrauensschutzes hingegen erstmals vom Veranlagungszeitraum 1998 an.
Der BFH hatte nun zum einen über das Inkrafttreten der Neuregelungen für ‚Altverluste’ und zum anderen für solche Verluste zu entscheiden, die vor dem 6. August 1997 erwirtschaftet worden waren:
• Die Übergangsregelung für die Altverluste hält er für verfassungswidrig. Sie behandle die Altverluste für das Jahr 1997 ohne sachlichen Grund anders als jene Verluste, die im Jahre 1997 bis zum 6. August aufgelaufen sind. Darin liege ein Verstoß gegen das Verfassungsgebot, „folgerichtige“ Regelungen zu schaffen. Beide Sachverhalte verdienten denselben Vertrauensschutz. Der BFH hat deswegen in diesem Punkt durch Beschluss vom 8. Oktober 2008 I R 95/04 das BVerfG angerufen.
• Hinsichtlich derjenigen Verluste, die im Jahre 1997 vor dem 6. August entstanden waren, hält er die Übergangsregelung für die Neuregelung hingegen für verfassungsgemäß. Er beanstandet es im Urteil vom 27. August 2008 I R 78/01 nicht, dass die Verluste danach vom Jahre 1998 an nicht mehr steuerlich berücksichtigt werden dürfen. Insbesondere erkennt er darin keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot neuer Gesetze. Bei Vorschriften, die der Missbrauchsabwehr dienten, müsse jederzeit mit einem einschränkenden Eingreifen des Gesetzgebers gerechnet werden. Der Steuerpflichtige, der in der Vergangenheit entsprechend disponiert habe, könne deshalb nicht auf den Fortbestand der bisherigen Regelung für alle Zeiten vertrauen.
Dem Ausgang dieser Verfahren kommt für eine Vielzahl offener Fälle zum Mantelkauf im besonderen und für Übergangsregelungen im allgemeinen nach wie vor aktuelle Bedeutung zu.