Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung

Fordert die Finanzbehörde den Steuerpflichtigen zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung auf, so ist er gemäß § 149 Abs. 1 Satz 2 AO hierzu gesetzlich verpflichtet mit der Folge, dass sich der Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO richtet.
Eine Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung liegt auch dann vor, wenn das FA zusätzlich ausführt, der Steuerpflichtige möge das Schreiben mit einem entsprechenden Hinweis zurücksenden, falls er seiner Auffassung nach nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sei.
BFH Urteil vom 04.10.2017 – VI R 53/15 BFH/NV 2018, 254

Sachverhalt:
Streitig ist, ob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) zur Einkommensteuer 2006 zu veranlagen ist.
Der Kläger reichte mit Schreiben vom 29. Dezember 2011 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–), eingegangen am 30. Dezember 2011, seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 ein. Neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit einem Werbungskostenüberschuss von mehr als 5.000 EUR.
Ein vom 20. September 2007 datierendes Schreiben des FA hat den folgenden Wortlaut:
“Sehr geehrter…,
nach dem Stand vom 10.09.2007 ist die folgende Steuererklärung hier bisher nicht eingegangen:
Art der abzugebenden Steuererklärung Zeitraum/Zeitpunkt
Einkommensteuer 2006
Ich bitte, die Steuererklärung spätestens bis 22.10.2007
bei dem oben bezeichneten Finanzamt abzugeben. Sollte dies zwischenzeitlich bereits geschehen sein, betrachten Sie dieses Schreiben bitte als gegenstandslos.

Falls Sie die Steuererklärung allerdings vor mehr als zwei Wochen abgegeben haben oder der Auffassung sind, zur Abgabe einer Steuererklärung nicht verpflichtet zu sein, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie dieses Schreiben mit einem kurzen Hinweis auf der Rückseite an das Finanzamt zurücksenden würden.
Vorsorglich weise ich darauf hin, dass das Finanzamt berechtigt ist, weitere Maßnahmen (z.B. Festsetzung von Zwangsgeld nach § 328 AO oder Schätzung nach § 162 AO) zu ergreifen, wenn ihm die Steuererklärung nicht bis zum oben genannten Termin vorliegt. Wegen einer bereits eingetretenen Verspätung oder wegen Nichtabgabe der Steuererklärung kann im Übrigen nach § 152 AO ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Finanzamt”.

Das FA lehnte die Bearbeitung der Einkommensteuererklärung ab, weil bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Es handele sich um eine Antragsveranlagung, da keiner der Tatbestände des § 46 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt sei.
Das FA wies anschließend den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, das Urteil des FG Hamburg vom 30. April 2015 1 K 264/13 aufzuheben und das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 9. Januar 2012 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 11. September 2013 zu verpflichten, den Kläger durch Bescheid ordnungsgemäß zur Einkommensteuer 2006 zu veranlagen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Begründung:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FA hat es zu Unrecht abgelehnt, den Kläger zur Einkommensteuer 2006 zu veranlagen.

Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ist eine Steuerfestsetzung unzulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist.
Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO in der für das Streitjahr geltenden Fassung beginnt die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung, Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Entstehen der Steuer folgt.
Eine gesetzliche Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung wird auch dann begründet, wenn das FA den Steuerpflichtigen nach § 149 Abs. 1 Satz 2 AO auffordert, eine Steuererklärung abzugeben.

Teilweise wird der Regelungsgehalt einer Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung und damit das Vorliegen eines Verwaltungsakts allerdings verneint, wenn sich die Steuererklärungspflicht als solche bereits aus dem Gesetz ergibt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt indes auch eine gesetzeskonkretisierende Aufforderung zur Einreichung von Unterlagen einen Verwaltungsakt dar. Denn das für die Unterscheidung zwischen einem Verwaltungsakt und einer bloßen Vorbereitungshandlung maßgebliche Kriterium ist im Steuerrecht die Erzwingbarkeit einer Maßnahme nach den Vorschriften der §§ 328 ff. AO.

Die abstrakte Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen kann nicht bereits als solche mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden; sie bedarf vielmehr einer Konkretisierung und Individualisierung durch einen Verwaltungsakt, der erst die Grundlage für den Einsatz von Zwangsmitteln darstellen kann.

Im Einzelfall ist durch Auslegung zu ermitteln, ob ein behördliches Handeln als Verwaltungsakt anzusehen ist. Entscheidend ist, ob eine Äußerung des FA mit einem für den Adressaten unmittelbar erkennbaren Erklärungswert mit unmittelbarer Wirksamkeit nach außen vorliegt. Bei der Prüfung der Frage, ob der Inhalt einer behördlichen Erklärung einen Verwaltungsakt darstellt, ist das Revisionsgericht nicht an eine Wertung durch das Tatsachengericht gebunden, da es sich hierbei nicht um eine Tat-, sondern um eine Rechtsfrage handelt.
Nach diesen Grundsätzen stellt das Schreiben vom 20. September 2007 eine Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung in Form eines Verwaltungsakts dar. Der Kläger wird darin unter Setzung eines Termins unmissverständlich aufgefordert, die Steuererklärung für 2006 einzureichen, weil sie dem FA bisher nicht vorliege. Das FA weist zudem darauf hin, dass es berechtigt sei, zu Zwangsmitteln zu greifen, sollte die Steuererklärung bis zum genannten Termin nicht vorliegen. Mithin gibt die Behörde zu erkennen, dass sie sich für berechtigt hält, die Abgabe der angeforderten Steuererklärung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs durchzusetzen. Da –wie ausgeführt– das maßgebliche Unterscheidungskriterium zwischen einem Verwaltungsakt und einer sonstigen behördlichen Maßnahme die Erzwingbarkeit ist, spricht dies entscheidend für das Vorliegen einer Aufforderung in Form eines Verwaltungsakts. Dieser Auslegung steht auch der Hinweis des FA nicht entgegen, wonach der Kläger das Schreiben mit einem entsprechenden Vermerk zurücksenden solle, falls er die Auffassung vertrete, er sei zur Abgabe einer Steuererklärung nicht verpflichtet. Hierdurch wurde die Abgabe der Einkommensteuererklärung nicht in das Belieben des Klägers gestellt, sondern nur in Aussicht gestellt, die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung zu widerrufen oder zurückzunehmen, wenn der Kläger hinreichende Gründe benenne, dass ihn keine diesbezügliche Pflicht treffe. Auch kann aus dem Fehlen einer Begründung bzw. einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht geschlossen werden, dass keine Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung i.S. des § 149 Abs. 1 Satz 2 AO vorliegt.

Da der Kläger demnach für das Streitjahr 2006 zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet war, war die vierjährige Verjährungsfrist infolge der Anlaufhemmung nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO bei Einreichung der Steuererklärung im Dezember 2011 noch nicht abgelaufen.

Das FG ist teilweise von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil hat daher keinen Bestand. Die Sache ist nicht spruchreif. Denn das FG hat keine Feststellungen zur Höhe der vorzunehmenden Steuerfestsetzung, insbesondere hinsichtlich der erklärten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, getroffen. Die Sache war deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Berliner Zweitwohnsteuer ist keine Verbrauchsteuer

Die Berliner Zweitwohnungsteuer ist keine Verbrauchsteuer i.S. von § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO.

BFH Beschluss vom 21.4.2016, II B 4/16

Sachverhalt:

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller), ein Fachanwalt für Steuerrecht, und seine Ehefrau (E), die Antragstellerin und Beschwerdeführerin im Verfahren II B 5/16, haben ihren Hauptwohnsitz in … Sie sind zudem seit vielen Jahren je zur Hälfte Miteigentümer von zwei 3nebeneinander liegenden Eigentumswohnungen in Berlin (Wohnungen Nr. 19 und Nr. 20). Die Wohnung Nr. 20 diente dem Antragsteller bis zum Juni 2009 zu freiberuflichen Zwecken und wird seither ebenso wie die Wohnung Nr. 19 seit Fertigstellung privat genutzt. Eine Erklärung zur Zweitwohnungsteuer gaben die Eheleute erst im Jahr 2014 ab.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) setzte gegen den Antragsteller und E mit Bescheiden vom 14. Juli 2015 je zur Hälfte Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2003 bis 2017 (Wohnung Nr. 19) und für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 2017 (Wohnung Nr. 20) fest. Das FA ging dabei vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung aus. Über die auf die Besteuerungszeiträume bis 2013 bezogenen Einsprüche hat das FA noch nicht entschieden. Den Antrag, insoweit die Vollziehung der Steuerbescheide auszusetzen, lehnte das FA ab. Das von der Bußgeld- und Strafsachenstelle des zuständigen Finanzamts gegen den Antragsteller und E eingeleitete Strafverfahren wurde für die Jahre 2003 bis 2010 wegen Strafverfolgungsverjährung und für die Jahre 2011 bis 2014 wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hinsichtlich der Wohnung Nr. 19 für die Besteuerungszeiträume bis 2006 statt und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Zur Begründung führte das FG aus, entgegen der Ansicht des Antragstellers betrage die regelmäßige Festsetzungsfrist für die Steuer nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) vier Jahre. Bei der Steuer handle es sich nicht um eine Verbrauchsteuer i.S. des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Anwendbar sei auch die Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, weil die Erklärung zur Zweitwohnungsteuer entgegen der Verpflichtung aus § 8 des Berliner Zweitwohnungsteuergesetzes (BlnZwStG) erst im Jahr 2014 abgegeben worden sei. Festsetzungsverjährung sei auch für das Jahr 2007 nicht eingetreten. Die Festsetzungsfrist habe sich nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf fünf Jahre verlängert, da dem Antragsteller eine leichtfertige Steuerverkürzung zur Last falle. Er habe leichtfertig gehandelt, weil er seinen melderechtlichen Pflichten nicht nachgekommen sei und dadurch die Steuer verkürzt habe. Ihn habe gemäß § 135 Abs. 2 AO als Wohnungsinhaber die Mitwirkungspflicht getroffen.

Begründung:

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die regelmäßige Festsetzungsfrist für die Berliner Zweitwohnungsteuer vier Jahre beträgt und die in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO vorgesehene Anlaufhemmung anwendbar ist.

Die Festsetzungsverjährung für die Berliner Zweitwohnungsteuer richtet sich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Berliner Gesetzes über den Anwendungsbereich der Abgabenordnung (AOAnwG) nach den Vorschriften der AO. Die regelmäßige Festsetzungsfrist beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Bei der Steuer handelt es sich nicht um eine Verbrauchsteuer i.S. des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, für die die regelmäßige Festsetzungsfrist lediglich ein Jahr beträgt.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) definiert Verbrauchsteuern als Warensteuern, durch die der Verbrauch vertretbarer, in der Regel zur kurzfristigen Verwendung bestimmter Güter besteuert wird. Regelmäßig sind sie dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht direkt beim Verbraucher, sondern bei dem Vertreiber der Waren ansetzen, aber vom Steuerschuldner über den Preis auf den Endverbraucher abgewälzt werden. Dadurch belasten sie indirekt den Verbrauch. Sie knüpfen an den Übergang einer Sache aus der steuerlichen Gebundenheit in den freien Verkehr an und sind regelmäßig durch mengenbezogene Bemessungsmaßstäbe gekennzeichnet. Aufwandsteuern stellen dagegen auf den Gebrauch von –in der Regel nicht verbrauchsfähigen– Gütern und Dienstleistungen ab und besteuern die durch den Gebrauch oder die Innehabung dieser Gegenstände zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Mit der in § 169 Abs. 2 Satz 1 AO vorgenommenen Unterscheidung zwischen zwei Gruppen von Steuern knüpft die AO an eine abgabenrechtliche Tradition an, deren erkennbares systematisches Konzept darin besteht, dass für das allgemeine Abgabenrecht nicht so sehr die Eigenart der Steuern als vielmehr die Art ihrer Festsetzung und ihrer sonstigen verwaltungstechnischen Behandlung entscheidend ist. Im Geltungsbereich der Reichsabgabenordnung 1919 wurde der rechtfertigende Grund für die unterschiedliche Behandlung von Verbrauchsteuern und damals auch Zöllen einerseits und den übrigen Steuern andererseits darin gesehen, dass die erstgenannten Abgaben mehr summarisch, rechnerisch und oft durch untergeordnete Stellen, bei fehlender bzw. unerheblicher Mitwirkung des Betroffenen, die anderen Steuern dagegen im Rahmen eines formalisierten, unter weitgehender Mitwirkung des Steuerpflichtigen auf erschöpfende Sachverhaltsermittlung ausgerichteten Veranlagungsverfahrens ermittelt werden.

Ablaufhemmung nach Erstattung einer Selbstanzeige verjährungshemmende Wirkung einer Fahndungsprüfung

Ermittlungen der Strafsachen- und Bußgeldstelle des Finanzamts stellen keine Ermittlungen der mit "der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden" i.S. des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO dar und führen daher nicht zur Ablaufhemmung nach dieser Vorschrift.

Wurde die Einleitung des Steuerstrafverfahrens wegen des Verdachts bestimmter, in der Einleitungsverfügung ausdrücklich genannter Steuerstraftaten dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben, dann ist der Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 5 Satz 2 AO nur für diejenigen Steueransprüche gehemmt, wegen deren vermeintlicher Verletzung das Strafverfahren tatsächlich eingeleitet und die Einleitung dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben wurde.

Der zeitlich auf ein Jahr begrenzte Umfang der Ablaufhemmung, die durch die Erstattung einer Selbstanzeige gemäß § 171 Abs. 9 AO ausgelöst wird, kann durch Steuerfahndungsermittlungen, die erst nach Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist aufgenommen wurden, nicht mehr erweitert werden.

BFH Urteil vom 8. Juli 2009 VIII R 5/07

Begründung:

Die Änderung einer Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Frist beträgt für die hier in Rede stehende Einkommensteuer regulär vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Soweit die Steuer hinterzogen worden ist, greift die zehnjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ein.

Beginnen die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben worden ist (§ 171 Abs. 5 Satz 1 und 2 AO).

Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Fahndungsprüfung ist, dass Ermittlungshandlungen vor Ablauf der Festsetzungsfrist tatsächlich vorgenommen worden sind. Darüber hinaus muss für den Steuerpflichtigen erkennbar sein, dass in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird. Für Steueransprüche, die nicht Gegenstand der Fahndungsprüfung waren, kann keine Ablaufhemmung eintreten.

Die Ablaufhemmung endet nur dann, wenn aufgrund der Prüfung Steuerbescheide ergangen und diese unanfechtbar sind. Die zeitliche Grenze für den Erlass von Änderungsbescheiden im Anschluss an Fahndungsmaßnahmen wird durch den Eintritt der Verwirkung gezogen. Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach § 371 AO, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige (§ 171 Abs. 9 AO).

Ablaufhemmung nach Erstattung einer Selbstanzeige verjährungshemmende Wirkung einer Fahndungsprüfung

Ermittlungen der Strafsachen- und Bußgeldstelle des Finanzamts stellen keine Ermittlungen der mit "der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden" i.S. des § 171 Abs. 5 Satz 1 AO dar und führen daher nicht zur Ablaufhemmung nach dieser Vorschrift.

Wurde die Einleitung des Steuerstrafverfahrens wegen des Verdachts bestimmter, in der Einleitungsverfügung ausdrücklich genannter Steuerstraftaten dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben, dann ist der Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 5 Satz 2 AO nur für diejenigen Steueransprüche gehemmt, wegen deren vermeintlicher Verletzung das Strafverfahren tatsächlich eingeleitet und die Einleitung dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben wurde.

Der zeitlich auf ein Jahr begrenzte Umfang der Ablaufhemmung, die durch die Erstattung einer Selbstanzeige gemäß § 171 Abs. 9 AO ausgelöst wird, kann durch Steuerfahndungsermittlungen, die erst nach Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist aufgenommen wurden, nicht mehr erweitert werden.

BFH Urteil vom 8. Juli 2009 VIII R 5/07

Begründung:

Die Änderung einer Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Frist beträgt für die hier in Rede stehende Einkommensteuer regulär vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Soweit die Steuer hinterzogen worden ist, greift die zehnjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ein.

Beginnen die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die aufgrund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben worden ist (§ 171 Abs. 5 Satz 1 und 2 AO).

Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung der Fahndungsprüfung ist, dass Ermittlungshandlungen vor Ablauf der Festsetzungsfrist tatsächlich vorgenommen worden sind. Darüber hinaus muss für den Steuerpflichtigen erkennbar sein, dass in seinen Steuerangelegenheiten ermittelt wird. Für Steueransprüche, die nicht Gegenstand der Fahndungsprüfung waren, kann keine Ablaufhemmung eintreten.

Die Ablaufhemmung endet nur dann, wenn aufgrund der Prüfung Steuerbescheide ergangen und diese unanfechtbar sind. Die zeitliche Grenze für den Erlass von Änderungsbescheiden im Anschluss an Fahndungsmaßnahmen wird durch den Eintritt der Verwirkung gezogen. Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach § 371 AO, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige (§ 171 Abs. 9 AO).

Eigenheimzulag Immobilien im EU-Ausland trotz Verjährung

Beim Finanzgericht Köln sind mehrere Verfahren anhängig, in denen Eigenheimzulage für im EU-Ausland gelegene Immobilien beantragt wird, obwohl nach Auffassung der Finanzverwaltung teilweise bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Finanzgericht Köln 4 K 3724/08, 4 K 1669/09 und 4 K 1789/09

Erläuterungen:

Hintergrund der Verfahren ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (Rechtssache C-152/05), wonach unbeschränkt Steuerpflichtigen die Eigenheimzulage auch für eigene selbst bewohnte Immobilien im EU-Ausland zusteht. Die Finanzverwaltung wendet diese Grundsätze an, soweit noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. In den vorliegenden Verfahren begehren die Kläger jedoch Eigenheimzulage auch für nach Ansicht der Finanzverwaltung festsetzungsverjährte Zeiträume. Streitig ist, nach welchen Grundsätzen sich die Festsetzungsfrist berechnet und ob die Festsetzungsfrist überhaupt zur Anwendung kommt.

Verjährung von Lohnsteueransprüchen nach Betriebsprüfung

Die Festsetzungsfrist für einen Lohnsteuerhaftungsbescheid endet nicht vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die Lohnsteuer. Für den Beginn der die Lohnsteuer betreffenden Festsetzungsfrist ist die Lohnsteueranmeldung (Steueranmeldung) und nicht die Einkommensteuererklärung der betroffenen Arbeitnehmer maßgebend.

BFH, Urteil vom 06.03.2008, VI R 5/05 BFH – PR 2008 S. 345 f.

Begründung:
Zutreffend hebt der Bundesfinanzhof hervor, dass es für die Verjährung der Lohnsteuerhaftung grundsätzlich nicht auf die Verjährung der Einkommensteueransprüche des/der Arbeitnehmer ankommt. Entscheidend ist, ob und wann der Arbeitgeber die Lohnsteueranmeldung abgegeben hat.

Dessen ungeachtet kann allerdings ein Haftungsbescheid nach § 191 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AO nicht mehr ergehen, soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann.

Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs

Ein verbleibender Verlustabzug ist auch dann festzustellen, wenn die Einkommensteuer für diesen Veranlagungszeitraum aufgrund Verjährung nicht mehr festgesetzt werden kann.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 2.8.2006, XI R 65/05

Die Berechtigung zur Feststellung des zum 31. Dezember 1994 verbleibenden Verlustabzugs war nicht verjährt. Gemäß § 181 Abs. 5 Satz 1 AO 1977 kann eine Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung noch für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Diese Voraussetzung ist nach den Feststellungen des FG gegeben.

Gemäß § 10d Abs. 3 Satz 2 EStG ist der verbleibende Verlustabzug der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichene Verlust, vermindert um die nach Absatz 1 abgezogenen und die nach Absatz 2 abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten Verlustabzug.

Nach dem Urteil des erkennenden Senats des BFH vom 1. März 2006 XI R 33/04 (BFH/NV 2006, 1204) verlangt § 10d EStG nicht, dass ein erstmaliger Feststellungsbescheid nur dann ergehen kann, wenn für das Verlustentstehungsjahr noch ein Einkommensteuerbescheid erlassen werden könnte. In vergleichbarer Weise kann ein Verlustabzug vorgenommen werden, auch wenn der entsprechende Einkommensteuerbescheid wegen Verjährung nicht mehr ergehen kann.