Zur Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehung

Der Frage, ob bei Steuerhinterziehung zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme die allgemeinen strafrechtlichen Grundsätze gelten, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, denn die Anwendung dieser Grundsätze auf § 370 AO ist hinreichend geklärt.

Beruft sich die Finanzbehörde auf die Anwendung der zehnjährigen Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO, trägt sie die objektive Beweislast für das Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 370 AO.

BFH Beschluss vom 21.08.2014 – VII B 191/13 BFHNV 2015 S.1

Begründung:

Entgegen der Behauptung der Beschwerde hat das FG nicht den Rechtssatz aufgestellt, eine Steuerhinterziehung i.S. des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO erfordere nicht zwangsläufig das Zusammentreffen von objektivem und subjektivem Tatbestand in einer Person. Vielmehr hat es lediglich darauf hingewiesen, es sei davon überzeugt, dass bei der Person, die den unzutreffenden Inhalt der Zollanmeldung veranlasst habe, zumindest ein bedingter Vorsatz vorliege. Diese Ausführungen lassen die Deutung zu, dass das FG von der Abgabe der Zollanmeldung bzw. von einer Veranlassung der Abgabe durch diejenige Person ausging, die auch für den unzutreffenden Inhalt der Anmeldung verantwortlich gewesen ist und mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Jedenfalls lässt sich den Ausführungen des FG der von der Klägerin behauptete Rechtssatz nicht entnehmen, so dass diesbezüglich auch keine Abweichung vom Urteil des BFH in BFHE 108, 286, BStBl II 1973, 273 vorliegen kann. Auch kommt der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfrage, die sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde, keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Soweit dem Vorbringen, aus den Urteilsgründen ergebe sich nicht, aufgrund welcher tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen das FG die Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestands einer Steuerhinterziehung angenommen habe, die Rüge einer mangelhaften Sachaufklärung entnommen werden könnte, genügen die Ausführungen nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Denn die schlüssige Darlegung des Verfahrensmangels einer Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) erfordert Angaben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines –insoweit maßgeblichen– Rechtsstandpunktes hätte aufdrängen müssen; schließlich, welches genaue Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können. Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin, die in der mündlichen Verhandlung keine Beweisanträge gestellt hat, nicht.

Sofern sich die Beschwerde dagegen wenden sollte, dass das FG die Feststellung der Erfüllung der objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 370 AO ohne eine Individualisierung des Täters hat ausreichen lassen, um zur Anwendung des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zu gelangen, rügt sie im Kern ihres Vorbringens die materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit des Urteils. Dieses Vorbringen kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision Denn das Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile umfassend zu gewährleisten.

Das FG hat den von der Klägerin gebildeten Rechtssatz nicht aufgestellt, dass es bei der Prüfung der Steuerhinterziehung im Rahmen der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auch bei erheblichen Zweifeln an der Erfüllung von Tatbestandsmerkmalen keiner weiteren Darlegung und auch keiner erhöhten Beweisanforderungen zu Lasten der Finanzbehörde bedarf. Erhebliche Zweifel des FG an der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 370 AO sind der Entscheidung nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das FG aufgrund seiner nach den Vorschriften der FGO vorgenommenen Überzeugungsbildung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, es sei im Zusammenhang mit der Entstehung der streitgegenständlichen Einfuhrabgabenschuld eine Steuerhinterziehung begangen worden. Daher ist im Streitfall auch die von der Klägerin aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig, inwieweit das Zollamt bei Anwendung des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO das Vorliegen objektiver und subjektiver Tatbestandsmerkmale beweisen und darzulegen hat. Denn nach der Überzeugungsbildung des FG würde sich diese Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Im Übrigen ist die Frage bereits dahingehend geklärt, dass die Finanzbehörde –wenn sie sich auf die zehnjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO beruft– die objektive Beweislast für das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung zu tragen hat.