Verpächterwahlrecht bei teilentgeltlicher Veräußerung

Wird ein im Ganzen verpachteter Betrieb teilentgeltlich veräußert, setzt sich das Verpächterwahlrecht beim Erwerber fort.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 6.4.2016, X R 52/13

Sachverhalt:

Die Mutter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), Frau A, war Eigentümerin eines bebauten Grundstücks (Grundstück). In dem Gebäude, das aus einem straßenseitigen Gebäudetrakt und einem Anbau besteht, befanden sich ein Pensionsbetrieb, vermietete Ladenräume und Wohnungen sowie privat genutzte Wohnräume. A führte bis zum 30. April 1970 den Pensionsbetrieb selbst. Anschließend verpachtete sie ihn und nur diesen durchgehend an verschiedene Pächter, zuletzt im Zeitraum April 1980 bis 1. Mai 2001 an den Ehemann der Klägerin. A erklärte die Einkünfte aus dem Pensionsbetrieb sowie der Vermietung der Ladenräume und Wohnungen unter der Bezeichnung “Fremdenheim-Verpachtung” als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Die Klägerin (Käuferin) erklärte die Einkünfte aus der Verpachtung des Pensionsbetriebs ebenso wie die Vermietungseinkünfte zunächst weiterhin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und führte die Buchwerte der A fort. Den betrieblich genutzten Anteil des Gebäudes gab sie entsprechend dem Verhältnis der Nutzflächen mit 76,65 % an. Erstmals im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2000, die am 21. Mai 2002 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) einging, erklärte sie diese Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung. Mit notariellem Kaufvertrag vom 20. November 2001 veräußerte sie das Grundstück einschließlich des betrieblichen Inventars zu einem Gesamtkaufpreis von 1.800.000 DM an einen fremden Dritten. Nutzen und Lasten gingen für den Pensionsbetrieb sofort, im Übrigen mit Kaufpreiszahlung (im Folgejahr) über. Das FA vertrat die Auffassung, es habe sich bei dem verpachteten Pensionsbetrieb bis 2001 um einen fortgeführten Gewerbebetrieb gehandelt.

Begründung:

Durch die mit Kaufvertrag vom 20. November 2001 bewirkte Veräußerung eines verpachteten Gewerbebetriebs ist bei der Klägerin ein Veräußerungsgewinn entstanden, der nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1, 2 EStG dem Grunde nach zu versteuern ist. Der Senat vermag anhand der Feststellungen des FG jedoch nicht zu beurteilen, in welcher Höhe und in welchem Jahr mit welchem Anteil dieser Gewinn zu erfassen ist.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat die Verpachtung eines Betriebs regelmäßig noch nicht dessen Aufgabe und damit auch nicht die Versteuerung der stillen Reserven zur Folge. Die Verpachtung des Gewerbebetriebs ohne Überführung der Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen stellt für den Verpächter grundsätzlich die Fortführung des Gewerbebetriebs in anderer Form dar und bewirkt einkommensteuerlich keine Änderung der Einkunftsart. Dahinter steht die Überlegung, dass die Verpachtung noch keine endgültige Aufgabe der gewerblichen Tätigkeit ist. Vielmehr ist es im Falle einer Betriebsverpachtung häufig ungewiss, ob sich der Betriebsinhaber endgültig aus dem Erwerbsleben zurückziehen oder den Betrieb nur zeitweise durch Verpachtung nutzen will, um ihn später wieder selbst zu führen. Mit Rücksicht auf diese Ungewissheit hat der Steuerpflichtige sich zu erklären, wie er sich den weiteren Fortgang denkt. Eine Betriebsaufgabe findet nur im Falle einer entsprechenden ausdrücklichen Erklärung statt, die der Steuerpflichtige entweder mit der Verpachtung oder auch zu einem späteren Zeitpunkt abgeben kann. Fehlt eine solche Erklärung, gilt der Betrieb als fortbestehend.

Eine Betriebsverpachtung in diesem Sinne unter Fortbestand des Betriebs setzt voraus, dass sich die Verpachtung entweder auf den Betrieb im Ganzen als geschlossenen Organismus oder zumindest auf alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs bezieht. Wirtschaftsgüter, die nicht wesentliche Betriebsgrundlagen sind, aber vor der Verpachtung zum ggf. gewillkürten Betriebsvermögen gehörten, bleiben gleichwohl nach der Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn sie nicht mitverpachtet werden, Betriebsvermögen des Verpächters, solange keine Entnahmehandlung (z.B. durch Nutzungsänderung) vorliegt.

Geht ein bereits verpachteter Betrieb auf einen Rechtsnachfolger über, hängt die Frage, ob das Verpächterwahlrecht auf diesen übergeht, von der (Un-)Entgeltlichkeit des Vorgangs ab. Klarstellend weist der Senat indes darauf hin, dass die im Streitfall maßgebende Frage, welche Regeln bei dem Übergang eines verpachteten Betriebs gelten, von der im Streitfall nicht maßgebenden Frage zu unterscheiden ist, ob dem entgeltlichen oder unentgeltlichen Erwerber eines nicht verpachteten Betriebs sogleich nach Erwerb das Verpächterwahlrecht zusteht.

Geht ein verpachteter Betrieb unter Fortbestand des Pachtvertrags unentgeltlich im Wege der Erbfolge oder der Schenkung auf einen Dritten über, so tritt dieser auch hinsichtlich des Wahlrechts, die Betriebsaufgabe zu erklären, in die Rechtsstellung des bisherigen Verpächters ein. In diesen Fällen kommt es nicht zur Gewinnrealisierung, da der Erwerber die Buchwerte des Betriebs fortführt. Vielmehr geht der Betrieb mit allen steuerlichen Konsequenzen und damit auch hinsichtlich des Wahlrechts, die Betriebsaufgabe zu erklären, auf den unentgeltlichen Erwerber. Andernfalls wäre es auch unmöglich, die Betriebsverpachtung zu erlauben, wenn der Verpächter die Wiederaufnahme durch einen unentgeltlichen Rechtsnachfolger in Erwägung zieht.

Geht ein verpachteter Betrieb hingegen entgeltlich auf einen Erwerber über, so erlischt das Verpächterwahlrecht. Der Erwerber hat von Beginn an Privatvermögen und erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Aus Sicht des Veräußerers handelt es sich bei der Veräußerung eines noch nicht aufgegebenen verpachteten Betriebs um eine Betriebsveräußerung i.S. des § 16 EStG, im Rahmen derer die im Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven realisiert werden.

Wird ein Betrieb teilentgeltlich übertragen, setzt der Erwerber das Verpächterwahlrecht fort. Bei teilentgeltlicher Veräußerung eines Betriebs ist der Veräußerungspreis niedriger als dessen gemeiner Wert. Erreicht das Entgelt höchstens den Buchwert des Betriebs, werden keinerlei stille Reserven aufgedeckt. Der Vorgang ist nach § 6 Abs. 3 EStG als unentgeltliche Übertragung zu behandeln. Liegt das Entgelt über dem Buchwert –aber unterhalb des gemeinen Wertes–, so werden die stillen Reserven teilweise, aber nicht vollständig aufgedeckt, da dann eine Buchwertfortführung und eine Realisation stiller Reserven zusammentreffen. Dies ist Folge der Einheitstheorie, die die Rechtsprechung auf die teilentgeltliche Übertragung betrieblicher Einheiten anwendet, um den Veräußerungsgewinn beim Veräußerer und die Anschaffungskosten respektive die anzusetzenden Buchwerte beim Erwerber zu ermitteln. Daran ändert der Sprachgebrauch nichts, bereits die Übertragung bei Entgelten über dem Buchwert des Betriebs als entgeltliche Übertragung zu bezeichnen. Die einheitliche Berechnung des Veräußerungsgewinns nach § 16 Abs. 2 EStG führt zwar in diesen Fällen zu einem Veräußerungsgewinn in Höhe der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis und den übertragenen Buchwerten abzüglich der Veräußerungskosten und insoweit zur Aufdeckung von stillen Reserven. Sie führt aber auch zur Übertragung und damit Nichtaufdeckung von stillen Reserven, soweit der Veräußerungspreis hinter dem gemeinen Wert zurückbleibt.

Die Beendigung des Verpächterwahlrechts im Falle teilentgeltlicher Übertragung widerspräche auch der in wirtschaftlicher Hinsicht mit der Betriebsverpachtung im Ganzen verfolgten Zielstellung, im Falle der möglichen Wiederaufnahme des Betriebs die Aufdeckung der nicht realisierten stillen Reserven zu vermeiden, sofern diese steuerverhaftet bleiben. Aus Letzterem folgt, dass die Steuerverstrickung nur enden kann, wenn die stillen Reserven aufgedeckt werden. Läge in der Beendigung der betrieblichen Aktivität und dem Übergang zur Verpachtung eine Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG und damit eine Überführung aller Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens in das Privatvermögen, so wären die zu diesem Zeitpunkt darin enthaltenen stillen Reserven zu versteuern, ohne dass dem ein tatsächlicher Mittelzufluss gegenüber stünde, aus dem die Steuer entrichtet werden könnte.

Diesen Überlegungen entspricht es, das Verpächterwahlrecht nur bei einem vollentgeltlichen Erwerb enden zu lassen. Bei voll unentgeltlicher Übertragung werden nach § 6 Abs. 3 EStG die Buchwerte fortgeführt und keinerlei stille Reserven aufgedeckt, so dass insoweit auch nichts zu versteuern ist. Bei voll entgeltlicher Übertragung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 EStG wird nach § 16 Abs. 2 EStG der Veräußerungsgewinn durch den Veräußerer versteuert, so dass es zur Aufdeckung aller stillen Reserven kommt. In dieser Situation geht aber das Ziel des Verpächterwahlrechts, die zwangsweise Aufdeckung der stillen Reserven zu vermeiden, ins Leere, da die stillen Reserven ohnehin aufgedeckt und durch den Veräußerer zu versteuern sind. Dann kann die Verpachtung wieder nach den Grundsätzen beurteilt werden, die allgemein für die Abgrenzung zwischen betrieblicher Tätigkeit und Vermietung und Verpachtung gelten. Danach ist sie als Verpachtung i.S. des § 21 EStG zu qualifizieren, der Betrieb aufgegeben.