Verpflegungsmehraufwendungen eines Kraftsportlers

Der physiologisch bedingte Ernährungsmehrbedarf eines Sportlers kann steuerlich nicht berücksichtigt werden.

Die Totalgewinnprognose richtet sich nach einkommensteuerrechtlichen Maßstäben.

BFH Urteil vom 09.04.2014 – X R 40/11 (BFHNV 2014 S.1359)

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben war er für einen Sportverein (V) Mitglied der ersten Bundesligamannschaft in der Sparte “Gewichtheben”.

Mit der Revision macht der Kläger weiter geltend, der erhöhte Aufwand für Nahrungsmittel sei als Betriebsausgabe abziehbar, ggf. auch als Werbungskosten. Auf die Einkunftsart komme es nicht an. Die Berücksichtigung von Mehraufwand für Verpflegung sei dem Einkommensteuerrecht nicht grundsätzlich fremd. Das Aufteilungsverbot sei fortgefallen. Es sei nicht einsichtig, warum ein erhöhter Nahrungsmittelbedarf nicht abziehbar sei, wenn dieser durch die Eigenart des Berufs verursacht werde. Aufwendungen, die dem Aufbau der notwendigen Muskelmasse des Sportlers und damit der Sportlertätigkeit dienten, hätten ihre Ursache nicht in der privaten Sphäre. Nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip sei es nicht gerechtfertigt, den Mehraufwand nicht zu berücksichtigen.

Die Überlegung, es fehle an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung, treffe nicht zu. Der durchschnittliche Kalorienverbrauch eines Menschen sei anhand von Größe, Geschlecht und Alter statistisch feststellbar, ebenso der durchschnittliche Kalorienverbrauch von Gewichthebern. Damit lasse sich der Mehraufwand feststellen. Unsicherheiten sei mittels Schätzung nach § 162 der Abgabenordnung (AO) zu begegnen. Auch die Pauschalen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG im Falle von Dienstreisen beruhten auf Schätzungen. Es sei nicht folgerichtig, in anderen Fällen unstreitig beruflich veranlassten Mehraufwandes den Abzug auszuschließen.

  • 12 Nr. 1 EStG greife demgegenüber nicht ein, da gerade der Mehraufwand Betriebsausgabe und damit definitionsgemäß kein Aufwand für die Lebensführung sei.

Begründung:

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Die Sache wird daher nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, damit das FG die erforderlichen Feststellungen nachholen kann.

Zwar ist eine einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung des durch die sportliche Betätigung des Klägers bedingten Nahrungsmittelmehrbedarfs nicht möglich (dazu unten 1.), ohne dass hiergegen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen (unten 2.). Die Sache geht aber an das FG zurück, weil der Senat anhand der bisherigen Feststellungen nicht beurteilen kann, ob der Kläger für Auswärtstätigkeiten in Zusammenhang mit seiner sportlichen Betätigung Mehraufwendungen für Verpflegung geltend machen kann, und die Einkunftserzielungsabsicht des Klägers erneut zu prüfen ist (unten 3.).

Der durch die sportliche Betätigung bedingte Nahrungsmittelmehrbedarf ist einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigungsfähig. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG dürfen die “folgenden Betriebsausgaben” den Gewinn nicht mindern. Zu diesen gehörten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen, soweit in den folgenden Sätzen nichts anderes bestimmt ist. Die folgenden Sätze 2 bis 6 EStG sahen Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen bei Dienstreisen, Einsatzwechseltätigkeit oder Fahrtätigkeit vor. Nach § 9 Abs. 5 EStG galt u.a. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG sinngemäß.

Das FG geht zu Recht davon aus, dass die dem Grunde nach unstreitigen Mehraufwendungen des Klägers für Verpflegung nicht deshalb als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG bzw. Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abgezogen werden können, weil sie auf einem aufgrund des Sports in Quantität und Qualität erhöhten Nahrungsbedarf beruhen.

Der Senat hat keine Zweifel, dass die Regelung verfassungsgemäß ist, auch soweit sie einen tatsächlichen beruflichen bzw. betrieblichen Aufwand entgegen dem Prinzip der Leistungsfähigkeit vom Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug ausschließt. Der Gesetzgeber besitzt im Steuerrecht einen weiten Spielraum, zur Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit zu typisieren und zu pauschalieren und dabei ggf. auch die Besonderheiten des einzelnen Falles zu vernachlässigen, sofern die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen und die Typisierung sich realitätsgerecht am typischen Fall orientiert

Nach diesen Maßstäben ist die von dem Gesetzgeber gewählte Regelung nicht zu beanstanden. Verpflegungsaufwendungen sind auch dann, wenn sie eine betriebliche oder berufliche Komponente enthalten, ausnahmslos gemischt veranlasst, da jede Nahrungsaufnahme für sich genommen jedenfalls zu einem gewissen Teil auch den –privaten– Grundbedarf des Menschen deckt.

Es bereitet prinzipiell erhebliche Schwierigkeiten, diese Aufwendungen eindeutig der privaten oder der betrieblichen bzw. beruflichen Sphäre zuzuordnen. Selbst bei Aufwendungen, die für sich genommen ganz überwiegend letzterer Sphäre zuzuordnen sind, werden regelmäßig private Aufwendungen erspart. Dies rechtfertigt eine Typisierung in vergleichsweise weitem Umfang.

Es entspricht auch dem typischen Regelfall, dass die Aufwendungen für die Ernährung erst und nur dann signifikant ansteigen, wenn eine Auswärtstätigkeit es dem Steuerpflichtigen unmöglich macht, die Verpflegung selbst zu organisieren, und er darauf angewiesen ist, sich in der Erwerbsgastronomie mit entsprechend erhöhten Kosten zu verpflegen. Aus diesem Grunde ist es gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen –in Form von Pauschalen– an die Auswärtstätigkeit mit bestimmten Abwesenheitszeiten vom gewohnten Umfeld geknüpft und im Übrigen ausgeschlossen hat.

Die Sache ist gleichwohl nicht zur Entscheidung reif, weil das FG-Urteil keine Feststellungen dazu enthält, inwieweit der Kläger zur Ausübung seiner –mit der Erzielung von Einnahmen verbundenen– sportlichen Betätigung in einem Umfang auswärts tätig war, der gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG den Abzug von Mehraufwendungen für Verpflegung rechtfertigt (dazu unten a). Ferner wird das FG erneut prüfen müssen, ob der Kläger in den Streitjahren überhaupt mit Einkunftserzielungsabsicht handelte.

Es liegt nahe, dass der Kläger als Mitglied einer Bundesligamannschaft nicht nur in den Anlagen seines eigenen Vereins, sondern bundesweit mit entsprechenden Abwesenheitszeiten Wettkämpfe bestritten hat. Unter diesen Umständen kommt die Berücksichtigung der gesetzlichen Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen in Betracht. Die Sache wird zurückverwiesen, damit das FG die notwendigen Feststellungen zu dem Umfang etwaiger Abwesenheitszeiten treffen kann, an denen es bisher fehlt.

Zu den zu berücksichtigenden Aufwendungen gehören auch etwaige Verpflegungsmehraufwendungen, die nach Maßgabe der Ausführungen unter a) anzusetzen sind. Die Berücksichtigung der durch sportlich bedingten Mehrbedarf tatsächlich entstandenen Verpflegungsmehraufwendungen über § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 2 bis 6 EStG hinaus kommt indes auch in diesem Zusammenhang nicht in Betracht.