Vertrag zwischen nahen Angehörigen

Haben einander nahe stehende Personen für die Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils keinen oder lediglich einen symbolischen Kaufpreis vereinbart, kann eine Veräußerung (ohne Gegenleistung) nur angenommen werden, wenn feststeht, dass der übertragene Anteil sowohl in den Augen der Vertragsparteien als auch objektiv wertlos war.

Die Feststellung der Wertlosigkeit eines Anteils ist eine Schlussfolgerung aus Tatsachen, die allein dem FG als Tatsacheninstanz obliegt. Die Antwort auf die Frage, ob dabei der Substanzwert des Unternehmens generell außer Betracht bleiben müsse, hat weder den Charakter eines Denkgesetzes noch eines Erfahrungssatzes.

BFH Urteil vom 08.04.2014 – IX R 4/13 (BFHNV 2014 S.1201) (veröffentlicht am 18.06.2014)

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob Übertragungen von GmbH-Gesellschaftsanteilen vom Vater auf die Kinder zu steuerlich beachtlichen Veräußerungsverlusten geführt haben oder mangels Entgeltlichkeit nicht unter § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) fallen.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Kläger war Alleingesellschafter der A-GmbH und der B-GmbH. Mit Verträgen vom 19. Dezember 2007 übertrug der Kläger sämtliche Geschäftsanteile an der A-GmbH auf seinen Sohn und sämtliche Geschäftsanteile an der B-GmbH auf seine Tochter. Der Kaufpreis betrug jeweils 1 EUR. In den Verträgen heißt es dazu, der Kaufpreis trage der dauerhaften Ertraglosigkeit der Gesellschaften Rechnung. Der Gewinn des laufenden Geschäftsjahres sollte dem jeweiligen Käufer zustehen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Anteilsübertragungen nicht entgeltlich und deshalb keine Veräußerungen waren.

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Veräußerung ist die Übertragung von Anteilen gegen Entgelt. Der Erwerber muss grundsätzlich eine Gegenleistung erbringen. Eine Veräußerung kann allerdings auch vorliegen, wenn ein Entgelt nicht oder lediglich in symbolischer Höhe von z.B. 1 EUR vereinbart und geleistet wird. Das ist der Fall, wenn der übertragene Anteil sowohl in den Augen der Vertragsparteien als auch objektiv wertlos ist.

Ob in einem solchen Fall eine Veräußerung (ohne Entgelt) oder eine Schenkung (ohne Bereicherung) vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtbild der objektiven Umstände sowie dem Willen und den Vorstellungen der Parteien. Bei der Übertragung eines wertlosen GmbH-Anteils ohne Entgelt zwischen fremden Dritten ist in der Regel eine Veräußerung anzunehmen. Diese Vermutung hat jedoch keine Grundlage für Verträge zwischen einander nahestehenden Personen, denn bei ihnen kann nicht unterstellt werden, dass sie Leistung und Gegenleistung im Regelfall nach kaufmännischen Gesichtspunkten ausgehandelt haben.

Haben einander nahestehende Personen für die Übertragung eines Anteils keinen oder lediglich einen symbolischen Kaufpreis vereinbart, kann eine Veräußerung (ohne Gegenleistung) nur angenommen werden, wenn feststeht, dass der übertragene Anteil sowohl in den Augen der Vertragsparteien als auch objektiv wertlos ist. Dies erfordert im Regelfall eine Bewertung des Anteils.

) Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Feststellung der Wertlosigkeit eines Anteils eine Schlussfolgerung aus Tatsachen, die allein dem FG als Tatsacheninstanz obliegt.In diesem Zusammenhang hat der BFH bislang keine rechtlichen Vorgaben dazu gemacht, welche Tatsachen das FG gegebenenfalls feststellen muss, welche Schlüsse es daraus ziehen darf  und nach welcher Methode der Wert eines Anteils zu bestimmen ist. Entscheidend kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an

Nach diesen Maßstäben, zu deren Fortentwicklung der vorliegende Fall keine Veranlassung bietet, ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden.

Ohne Rechtsverstoß ist das FG zu der Überzeugung gelangt, dass die übertragenen Geschäftsanteile nicht wertlos waren. Es hat dies zum einen aus Vertragsformulierungen geschlossen, die darauf hindeuten, dass nach der Vorstellung der Vertragsparteien beide Unternehmen fortgeführt werden sollten. Dass dies beabsichtigt war und auch so geschehen ist, wird auch von den Klägern nicht in Abrede gestellt. Das FG hat deshalb eine Bewertung mit den Zerschlagungswerten im Streitfall abgelehnt. Es hat weiter berücksichtigt, dass der Kläger beide Gesellschaften durch hohe Bareinlagen kurz vor der Übertragung im Außenverhältnis weitgehend entschuldet und dadurch zugleich eine bestehende bilanzielle Überschuldung beseitigt hat. Dabei hat es in Anlehnung an die Beurteilung durch das FA den positiven Substanzwert der Unternehmen (in Höhe des bilanziellen Eigenkapitals) als Indiz für eine Werthaltigkeit der Anteile im Streitfall höher bewertet als die unstreitig in beiden Unternehmen anhaltende negative Ertragssituation.

Diese Würdigung ist zumindest möglich. Sie bindet den Senat deshalb in tatsächlicher Hinsicht (§ 118 Abs. 2 FGO). Es liegt insbesondere weder ein Verstoß gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze vor. Die von den Klägern begehrte höchstrichterliche Aussage, dass eine Berücksichtigung des Substanzwerts bei der Bewertung von Unternehmen generell außer Betracht bleiben müsse, hat weder den Charakter eines Denkgesetzes noch eines Erfahrungssatzes. Es entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des BFH, dass der Substanzwert bei der Bewertung von Unternehmen nicht generell unbeachtlich ist.

Eine andere Bewertung hätten die Kläger vor dem FG nur erreichen können, wenn sie ihre Behauptung, dass beide Gesellschaften wegen anhaltender Verluste für einen Erwerber mit Null anzusetzen waren, substantiiert und nachvollziehbar (z.B. durch ein unabhängiges Sachverständigengutachten) dargelegt hätten. Die allgemeine Aussage, dass dauernde Verluste für eine Bewertung mit Null sprechen, ersetzt nicht den konkreten Vortrag, dass dies auch im Einzelfall so ist. Da das FG nicht festgestellt hat, dass eine Bewertung der übertragenen Gesellschaftsanteile nach Ertragswertgrundsätzen zu einer Bewertung mit Null geführt hätte, bedarf es keiner Entscheidung, ob der Ansatz des Substanzwerts als Untergrenze bei der Unternehmensbewertung rechtsfehlerhaft ist.

Da die Hauptbegründung des Urteils Bestand hat, muss der Senat nicht entscheiden, ob er sich auch der Hilfsbegründung des FG anschließen könnte. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das FG allerdings davon ausgegangen, dass auch Verträge über Anteilsveräußerungen i.S. des § 17 EStG dem Fremdvergleich unterliegen, wenn sie unter einander nahestehenden Personen geschlossen werden. Fraglich ist indes, ob die zu beurteilenden Verträge, wie das FG meint, schon deshalb nicht fremdüblich sind, weil die Beteiligten davon abgesehen haben, die Unternehmen vor der Übertragung sachverständig bewerten zu lassen. Insoweit kann aber jedenfalls nicht unwiderleglich von der fehlenden Fremdüblichkeit auf die Unentgeltlichkeit der Übertragung geschlossen werden. Vielmehr muss es den Beteiligten auch in einem solchen Fall möglich sein nachträglich darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der übertragene Anteil wertlos war.