Grundsätzlich kein steuerrechtliches Verwertungsverbot bei Belehrungsmängeln während einer Außenprüfung

Grundsätzlich bewirkt weder ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 393 Abs. 1 Satz 4 AO noch gegen die Unterbrechungspflicht des § 10 Abs. 1 Satz 3 BpO 2000, dass Erkenntnisse aus einer solchen Außenprüfung im Besteuerungsverfahren einem Verwertungsverbot unterliegen.

BFH Beschluss vom 08.01.2014-X B 112,113/13 BFHNV 2014 S. 487

Begründung:

Die Kläger meinen, die unterbliebene Belehrung bewirke nicht nur ein strafrechtliches, sondern auch ein steuerrechtliches Verwertungsverbot sowie die Nichtigkeit erlassener Steuerbescheide. Vertrete das FA zunächst die Auffassung, es gebe keine Anhaltspunkte für eine Steuerverkürzung, leite es danach aber gleichwohl ein Ermittlungsverfahren ein, würden die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen so erheblich verletzt, dass nicht erwartet werden könne, dies als verbindlich anzuerkennen.

Indes führt eine Verletzung der in § 393 Abs. 1 Satz 4 AO angeordneten Belehrungspflicht nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht dazu, dass ermittelte Tatsachen im Besteuerungsverfahren einem Verwertungsverbot unterliegen.

Erst recht muss diese Beurteilung für die von den Klägern gesehene Verletzung des § 10 Abs. 1 Satz 3 BpO 2000 gelten, da es sich herbei lediglich um eine –die Gerichte grundsätzlich nicht bindende– Verwaltungsvorschrift handelt.

Verwertungsverbot von Zufallserkenntnissen im Besteuerungsverfahren

Aus einer im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen angeordneten Telefonüberwachung gewonnene Erkenntnisse, die sich auf einen nicht in § 100a StPO aufgeführten Straftatbestand beziehen, dürfen von den Finanzbehörden im Besteuerungsverfahren nicht verwendet werden.

BFH Beschluss vom 24.4.2013, VII B 202/12

Begründung:

Zufallserkenntnisse, die bei einer gegen einen anderen Beschuldigten durchgeführten Telefonüberwachung gewonnen worden sind, dürfen in einem Besteuerungsverfahren gegen den Betroffenen (hier: Inanspruchnahme als Haftender wegen Begehung oder Beteiligung an einer Straftat) nicht verwendet werden (Verwertungsverbot), wenn die dem Betroffenen im Haftungsbescheid zur Last gelegte Straftat strafprozessrechtlich die Anordnung einer Telefonüberwachung nicht gerechtfertigt hätte. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) klargestellt (Beschluss vom 24. April 2013 VII B 202/12).

Das Hauptzollamt hatte den Kläger als Haftenden für Tabaksteuer in Anspruch genommen. Ihm wurde im Haftungsbescheid zur Last gelegt, den Verkauf von unverzollten und nicht versteuerten Zigaretten zwischen Dritten vermittelt zu haben. Der Verkäufer der Zigaretten war deshalb vom Amtsgericht wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilt worden. Dem Kläger konnte im Strafverfahren eine Beteiligung allerdings nicht nachgewiesen werden. Im Haftungsbescheid ging das Hauptzollamt gleichwohl davon aus, dass der Kläger den Verkauf vermittelt habe und stützte sich dabei auf die Protokolle einer (aus anderen Gründen angeordneten) Telefonüberwachung aus dem Jahr 2007. Nach damals geltendem Recht durfte eine Telefonüberwachung wegen des Verdachts der Begehung von Steuerstraftaten nicht angeordnet werden. Das Finanzgericht hat den Haftungsbescheid aufgehoben mit der Begründung, die zufälligen Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung dürften gegen den Kläger nicht verwertet werden.

Diese Rechtsansicht hat der BFH für offensichtlich zutreffend erklärt, ohne dass dies in einem Revisionsverfahren geprüft werden müsse. § 477 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) lasse die Verwertung in einem anderen Strafverfahren gewonnener Erkenntnisse nur zu, wenn diese durch die betreffende Maßnahme auch unmittelbar zur Aufklärung der dem Beschuldigten bzw. Haftungsschuldner vorgeworfenen Straftat hätten gewonnen werden können. Zufallserkenntnisse aus einer Telefonüberwachung dürften jedoch zu Beweiszwecken nur verwertet werden, wenn sich die Erkenntnisse auf Katalogtaten im Sinne des § 100a StPO bezögen. Selbst nach der inzwischen in Kraft getretenen Neufassung dieser Vorschrift gehört dazu die einfache (d.h. nicht gewerbs- oder bandenmäßig begangene) Steuerhehlerei nicht.

 

 

Verwertungsverbot von Prüfungsfeststellungen

Zwar sind an die Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern bei Rechtsanwälten und Steuerberatern unter Berücksichtigung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, des rechtlich geschützten Vertrauensverhältnisses zwischen dem Rechtsanwalt bzw. Steuerberater und dem Mandant sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besondere Anforderungen zu stellen. Eine solche Maßnahme kann aber durch den Ermittlungszweck gerechtfertigt sein.

Dies z.B. dann, wenn es angesichts des begründeten Verdachts einer engen Verschränkung der Tätigkeit des Verdächtigen (Steuerberater und zugleich faktischer Geschäftsführer der Geschäftspartnerin) und der Geschäftspartnerin gerechtfertigt ist, die Ermittlungen auch im Bereich der steuerberatenden Tätigkeit des Verdächtigen auf Umstände zu erstrecken, die einen Bezug zur Geschäftspartnerin haben.

BFH Urteil vom 19.08.2009 –  I R 106/08 BFH NV 2010 S. 5 ff.

Begründung:

Den Verdacht einer Steuerstraftat, mit dem das FA die zeitliche Erweiterung der Prüfungsanordnung begründet hat, konnte das FA aus den im Sichtungsverfahren gemäß § 110 Abs. 3 der Strafprozessordnung (StPO) aus dem Datenbestand der Kanzlei des Y separierten Daten und den sich daraus ergebenden Feststellungen des STRAFA ableiten. Dass auf dieser Grundlage mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit von Steuerstraftaten von X (als Gesellschafter-Geschäftsführerin) bzw. Y (als faktischer Geschäftsführer der Klägerin, der im Rechtsverkehr im Namen der Klägerin gehandelt hat) zum Vorteil der Klägerin bestand, wird von der Klägerin nicht bestritten.

Die Erkenntnisse aus den in der Kanzlei des Y befindlichen Daten konnten vom FA auch im Besteuerungsverfahren der Klägerin herangezogen werden. Ein Verwertungsverbot bestand nicht.

Nach der Rechtsprechung des BFH besteht im Besteuerungsverfahren kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind. Jedoch kann ein sog. qualifiziertes materiell-rechtliches Verwertungsverbot anzunehmen sein, wenn die Ermittlung der Tatsachen einen verfassungsrechtlich geschützten Bereich des Steuerpflichtigen verletzt hat. Die auf diese Weise ermittelten Tatsachen sind schlechthin und ohne Ausnahme unverwertbar; der Verstoß kann nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden. Für Einzelheiten wird auf diese Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, Bezug genommen.

Die Voraussetzungen für die Annahme eines qualifizierten materiellen Verwertungsverbots lagen im Streitfall nicht vor. Zwar sind an die Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern bei Rechtsanwälten und Steuerberatern unter Berücksichtigung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, des rechtlich geschützten Vertrauensverhältnisses zwischen dem Rechtsanwalt bzw. Steuerberater und dem Mandant sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besondere Anforderungen zu stellen.

So sind die strafprozessualen Eingriffsgrundlagen einer strengen Begrenzung auf den Ermittlungszweck zu unterwerfen; auf die Ermittlung anderer Lebenssachverhalte und Verhältnisse erstrecken sich die Eingriffsermächtigungen nicht. Gelegentlich einer strafrechtlichen Ermittlung dürfen daher keine Sachverhalte und persönlichen Verhältnisse ausgeforscht werden, die für die Beurteilung der Täterschaft und für die Bemessung der Rechtsfolgen der Tat nicht von Bedeutung sind. Mit dieser strengen Begrenzung sämtlicher Ermittlungen und damit auch der Datenerhebung auf den Zweck der Aufklärung der begangenen Tat erlaubt die Strafprozessordnung die Eingriffe in das Recht an den eigenen Daten grundsätzlich nur in Bezug auf diejenigen Daten, die für die Strafverfolgung im konkreten Anlassfall von Bedeutung sind. Im Übrigen muss der besonderen Eingriffsintensität der Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern und den darauf vorhandenen Daten Rechnung getragen werden. Damit wird der Zugriff auf der Verschwiegenheitspflicht des Berufsangehörigen unterliegende und damit "geschützte" Daten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt.

Der effektive Schutz der Grundrechte bedarf darüber hinaus einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung des Verfahrens. Den Grundrechten der Unbeteiligten und dem Allgemeininteresse dient die Beschränkung des Datenträgerzugriffs auf tatsächlich verfahrensrelevante Daten. Gleichwohl ist die Sicherstellung eines Datenträgers und aller vorhandenen Daten möglich, wenn bei einem im Rahmen des technisch Möglichen und des Vertretbaren beschränkten Durchsuchungsvollzug die relevanten Informationen nicht ausgesondert werden können. Nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, in denen die Beschränkung auf den Ermittlungszweck der Datenträgerbeschlagnahme planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen wird, ist ein Beweisverwertungsverbot als Folge einer fehlerhaften Durchsuchung und Beschlagnahme von Datenträgern und der darauf vorhandenen Daten geboten.

Nach den Feststellungen des FG erfolgte der Zugriff auf die Daten im Rahmen einer rechtmäßigen und im Zeitpunkt der Entscheidung des FA nicht fachgerichtlich angefochtenen Durchsuchungsmaßnahme i.S. des § 102 StPO (allgemein zur Tatbestandswirkung von nicht angefochtenen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen für das Steuerfestsetzungsverfahren. Die Durchsuchung erfolgte wegen eines Sachverhalts (u.a. Umbaumaßnahmen an einem Gebäude), in den die Klägerin als Generalunternehmerin eingeschaltet war und der sich auch auf die Steuerbemessungsgrundlage der Klägerin auswirken konnte (Mietzahlungen), bei den Bauherren X und Y als Verdächtigen.

Der Ermittlungszweck konnte es angesichts des begründeten Verdachts einer engen Verschränkung der Tätigkeit des Y als Steuerberater und zugleich faktischer Geschäftsführer der Klägerin rechtfertigen, die Ermittlungen auch im Bereich der steuerberatenden Tätigkeit des Verdächtigen auf Umstände zu erstrecken, die einen Bezug zur Klägerin hatten. Insoweit konnten auch Daten bzw. Unterlagen zu Grundstücksgeschäften der Klägerin mit (anderen) Mandanten des Y in die Prüfung einbezogen werden. Nur diese Daten wurden anlässlich der Sichtung des "gespiegelten" Gesamtdatenbestandes (§ 100 Abs. 3 Satz 2 StPO) der Kanzlei des Y separiert und einer weiteren Überprüfung unterworfen, die dann zu Erkenntnissen über eine besondere Gestaltung der Grundstücksgeschäfte zum Vorteil des jeweiligen Mandanten und des Y und zum Nachteil der Klägerin geführt hat (§ 97 Abs. 2 Satz 3 StPO). Weitere Ermittlungen im Zusammenhang mit der steuerberatenden Berufstätigkeit des Y erfolgten nach den Feststellungen des FG nicht. Auf dieser Grundlage muss nicht entschieden werden, ob sich ein Drittbetroffener auf eine möglicherweise bestehende teilweise Rechtswidrigkeit einer strafprozessualen Ermittlungsmaßnahme berufen kann, wenn die Maßnahme ihm gegenüber rechtmäßig, weiteren Personen gegenüber möglicherweise aber unrechtmäßig ist.

Im Streitfall besteht auch kein Anlass, dem Schutz der Berater- bzw. Mandantenbeziehung zwischen Y und der Klägerin in einer Abwägung ein besonderes Gewicht beizumessen. Y hat nach den damaligen Verdachtsmomenten vor der Durchsuchung die –von ihm zusammen mit X durch Anteilsbesitz und Geschäftsführung beherrschte– Klägerin als Instrument eigener Geschäftsinteressen eingesetzt und in Gestalt von besonderen Mietvereinbarungen zum Nachteil der Klägerin gehandelt. Wenn damit gerade die Geschäftsbeziehung zwischen Y und der Klägerin Zielpunkt der einschlägigen Ermittlungen war, kann die Klägerin schon nicht als "drittbetroffene Mandantin" des Adressaten der Durchsuchungsmaßnahme angesehen werden, die einen besonderen Schutz vor einem übermäßigen Datenzugriff bei ihrem Steuerberater geltend machen könnte.

Verwertungsverbot

Im Besteuerungsverfahren besteht kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt wurden.

Im Steuerrecht besteht vielmehr nur ein verfahrensrechtliches Verwertungsverbot, auf das sich nur derjenige berufen kann, der die Prüfungsanordnung oder einzelne Prüfungsmaßnahmen  erfolgreich angefochten hat oder dessen Rechtswidrigkeit hat feststellen lassen.

Bei einer Prüfungsanordnung führt die örtliche Unzuständigkeit nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsanordnung.

BFH Beschluss vom 25.03.2009 – VIII B 210/08 (NV) BFHNV 2009 S. 1396