Tilgungsbestimmung bei Vollstreckung gegen einen Ehegatten

Die Rechtsprechung zur Tilgungsbestimmung bei Zahlung eines Ehegatten auf die Gesamtschuld der Ehepartner ist bei einer Beitreibung im Wege der Zwangsvollstreckung nicht anwendbar. Die vollstreckten Beträge sind ausschließlich für Rechnung desjenigen bewirkt, gegen dessen Vermögen sich die Vollstreckung richtet.

BFH Urteil vom 10.03.2015 – VII R 26/13, BFH/NV 2015, 946

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde für das Jahr 2001 zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Die Steuerschuld war allein durch die Einkünfte des Ehemanns verursacht und wurde durch Vollstreckung in Konten des Ehemanns getilgt. Dies war möglich, weil die Klägerin nach Erlass der entsprechenden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen von ihren Sparkonten insgesamt 249.157,74 EUR auf eines der Konten des Ehemanns überwiesen hatte.

Nachdem die Klägerin die getrennte Veranlagung beantragt und der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) einen Bescheid nach § 26a des Einkommensteuergesetzes erlassen hatte, verlangte die Klägerin die Erstattung der von ihr auf das Konto des Ehemanns geleisteten Zahlungen. Dies lehnte das FA mit Abrechnungsbescheid vom 16. Oktober 2008 ab.

Darüber hinaus habe das FA hinsichtlich der Zahlungen der Klägerin auf das Konto des Ehemanns zu Recht einen Erstattungsanspruch verneint. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestünde insbesondere keine ausdrückliche oder konkludente Tilgungsbestimmung zu Gunsten der Klägerin. Die Gründe sind in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1379 veröffentlicht.

Begründung:

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der angefochtene Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) weder nichtig noch rechtswidrig ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin führt der Umstand, dass der Abrechnungsbescheid keine ausdrückliche Ablehnung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs enthält, nicht zu dessen Nichtigkeit.

Das Fehlen der ausdrücklichen Ablehnung des Erstattungsanspruchs macht den Bescheid nicht wegen mangelnder Bestimmtheit nichtig (§ 119 Abs. 1 AO i.V.m. § 125 Abs. 1 AO). Zwar muss ein Abrechnungsbescheid die streitigen Steueransprüche grundsätzlich im Einzelnen bezeichnen und nach Steuerart, Jahr und Betrag aufgliedern. Jedenfalls dann, wenn das Für und Wider des Bestehens eines Erstattungsanspruchs –wie im Streitfall– vor dem Erlass des Abrechnungsbescheids in mehreren Schriftsätzen ausdrücklich erörtert worden ist, gilt dies aber nicht für Steueransprüche, die nach Auffassung des Finanzamts von vornherein nicht entstanden sind. Darüber hinaus bezieht sich der Abrechnungsbescheid im Streitfall auf die gesamte Einkommensteuer 2001, so dass bereits daraus die Ablehnung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs folgt. Es liegt allenfalls ein Begründungsmangel vor, der jedenfalls durch die Einspruchsentscheidung geheilt worden ist (§§ 121, 126 Abs. 1 Nr. 2 AO).

Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist auch rechtmäßig. Der Klägerin steht kein weiterer Erstattungsanspruch zu.

Entgegen der Auffassung des FG kommt es hierfür aber nicht auf die Rechtsprechung des Senats zur Tilgungsbestimmung bei Zahlung eines Ehegatten auf die Gesamtschuld der Ehepartner sowie auf die daraus resultierenden Folgen für einen Erstattungsanspruch an. Denn die vom FG zitierte Rechtsprechung ist bei einer Beitreibung im Wege der Zwangsvollstreckung nicht. Aufgrund der Vollstreckungsmaßnahme –im Streitfall dem Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügungen bezüglich der Konten des Ehemanns– fehlt bereits eine Zahlung an das FA, die mit einer Tilgungsbestimmung hätte versehen werden können. Die vollstreckten Beträge sind vielmehr ausschließlich für Rechnung desjenigen bewirkt, gegen dessen Vermögen sich die Vollstreckung richtet. Dies war im Streitfall der Ehemann der Klägerin.

Finanzamt kann die vom Vollstreckungsschuldner am eigenen Grundstück bestellten Dienstbarkeiten anfechten

Die Gläubigerbenachteiligung liegt schon in der Bestellung dinglicher Rechte, unabhängig von einer sich daran anschließenden Übertragung des Grundeigentums. Die Teilrechte verschlechtern im Fall einer Zwangsvollstreckung die Zugriffslage.

Der Anspruchsinhalt des § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG ist nicht auf Fälle der Vermögensminderung durch Veräußerung, Weggabe oder Aufgabe von Vermögensbestandteilen an einen Dritten beschränkt. Als bloße Rechtsfolgenbestimmung ergänzt diese Vorschrift nicht die Anfechtungsnormen um eine abschließende Regelung der anfechtbaren Rechtshandlungen auf solche der Veräußerung, Weggabe und Aufgabe, sondern beschränkt das, was dem Gläubiger wieder "zur Verfügung gestellt" werden soll, nach Art und Umfang auf das, was "veräußert, weggegeben oder aufgegeben" worden ist .

Hat ein Vollstreckungsschuldner ein Nießbrauchsrecht oder ein dingliches Wohnrecht am eigenen Grundstück anfechtbar begründet, hat das FA einen schuldrechtlichen Anspruch auf Duldung des Vorrangs seiner Rechte in der Zwangsvollstreckung    .

BFH Urteil vom 30.3.2010, VII R 22/09

Erläuterung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit dem heute veröffentlichten Urteil vom 30. März 2010 VII R 22/09 entschieden, dass das Finanzamt (FA) im Wege der Gläubigeranfechtung vorgehen kann, wenn sich ein Vollstreckungsschuldner am eigenen Grundstück ein Nießbrauchs- oder Wohnrecht bestellt. Die Anfechtung bewirkt, dass das FA einen Anspruch auf Vorrang seiner Rechte bei der Zwangsvollstreckung in das Grundstück geltend machen kann.

 Im Streitfall hatte eine Vollstreckungsschuldnerin mit ihren Kindern eine Gesellschaft bürgerlichen Rech

Die Anfechtbarkeit der Bestellung dinglicher Rechte am eigenen Grundstück folgt aus einer unmittelbaren Anwendung des § 3 Abs. 1 AnfG (Fortentwicklung der Senatsrechtsprechung) .

ts (GbR) gegründet und dieser mehrere Grundstücke übertragen. In den notariellen Verträgen hatte sie sich jeweils den Nießbrauch bzw. ein Wohnrecht vorbehalten. Das FA focht die Grundstücksübertragungen gegenüber der GbR an, zusätzlich aber – und nur darum ging es im Streitfall – auch gegenüber der Vollstreckungsschuldnerin die Bestellung der zu ihren eigenen Gunsten bewirkten Dienstbarkeiten. Es sah eine ungerechtfertigte Gläubigerbenachteiligung darin, dass in der Zwangsversteigerung der Grundstücke, die die GbR wegen der erfolgten Anfechtung dulden müsse, Nießbrauch und Wohnrecht zugunsten der Vollstreckungsschuldnerin bestehen blieben, eine Zwangsvollstreckung in das Wohnrecht aber ausgeschlossen und die Verwertung des Nießbrauchsrechts als solches wirtschaftlich uninteressant wäre. Der Zugriff auf den vor der Bestellung der Dienstbarkeiten bestehenden vollen Wert des unbelasteten Grundstücks wäre somit vereitelt.

Der BFH gab, anders als die Vorinstanz, dem FA Recht. Die zu entscheidende Rechtsfrage war, ob das Ausscheiden eines Gegenstandes aus dem Vermögen des Schuldners grundsätzlich Voraussetzung der Anfechtung einer Rechtshandlung ist. Denn nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften (§§ 3, 11 AnfG) muss dem Gläubiger das zur Verfügung gestellt werden, was durch eine anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners "veräußert, weggegeben oder aufgegeben" worden ist. Die Bestellung eines Teilrechts am eigenen Grundstück aber ist weder Veräußerung noch Weggabe oder Aufgabe aus dem Schuldnervermögen. Der BFH stellt nun klar, dass dieser Wortlaut nicht als Beschränkung der Anfechtungsrechte auf die genannten Arten der Vermögensminderungen verstanden werden darf, sondern dass es sich um eine nicht abschließende Auflistung von Vermögensminderungen handelt, die dazu dient, den Anspruch des Anfechtenden nach Art und Umfang auf das zu beschränken, was zur Wiederherstellung der früheren, durch die Vermögensverschiebung vereitelten Zugriffslage für die Gläubiger erforderlich ist. Fazit: Für sich selbst bestellte Rechte am eigenen Grundstück sind nicht anfechtungsfest, wenn die Bestellung nach den gesamten Umständen in Gläubigerbenachteiligungsabsicht erfolgt ist.