Vorsteuerkorrektur bei nachträglicher Berufung auf unionsrechtliche Steuerbefreiung

Es ist geklärt, dass sich die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ändern, wenn sich der Steuerpflichtige nachträglich innerhalb des Berichtigungszeitraums auf die Steuerfreiheit seiner Verwendungsumsätze nach dem Unionsrecht beruft.

Eine etwaige rückwirkende Anwendung der Regelung des § 15a UStG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

BFH Beschluss vom 14.09.2016 – V B 30/16 BFHNV 2017 S. 68 ff

Begründung:
Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die von der Klägerin herausgehobenen Fragen zur Anwendbarkeit des § 15a UStG sind geklärt.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass sich die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG ändern, wenn sich der Steuerpflichtige nachträglich innerhalb des Berichtigungszeitraums auf die Steuerfreiheit seiner Verwendungsumsätze entsprechend dem Unionsrecht beruft, weil ein Vorsteuerabzug aus Aufwendungen für Eingangsleistungen, die in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit steuerfreien Ausgangsumsätzen stehen, von vornherein nicht in Betracht kommt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2011 XI R 16/09, BFHE 235, 532, BStBl II 2012, 371, Rz 22, m.w.N.); dabei ist eine etwaige rückwirkende Anwendung der Regelung des § 15a UStG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BFH-Urteile vom 7. Juli 2005 V R 32/04, BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907; vom 24. September 2009 V R 6/08, BFHE 227, 506, BStBl II 2010, 315; vom 16. September 2010 V R 57/09, BFHE 230, 504, BStBl II 2011, 151; vom 15. September 2011 V R 8/11, BFHE 235, 516, BStBl II 2012, 368, Rz 17; in BFHE 235, 532, BStBl II 2012, 371, und vom 5. September 2013 XI R 4/10, BFHE 243, 60, BStBl II 2014, 95).

Das Vorbringen der Klägerin rechtfertigt keinen weiteren Klärungsbedarf. Dies gilt insbesondere, soweit die Klägerin sich auf die Rechtsprechung des BFH beruft, wonach ein im Jahr der Umsatzsteuerfestsetzung nach § 15 Abs. 4 UStG angewandter sachgerechter Aufteilungsmaßstab für die gemischte Vermietung eines Objekts auch für nachfolgende Kalenderjahre bindend sei (BFH-Urteil vom 2. März 2006 V R 49/05, BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729). Denn diese Rechtsprechung hat ersichtlich keinen hinreichenden Bezug zu der bereits geklärten entscheidungserheblichen Rechtsfrage.

Verlust des Vorsteuerabzugs aufgrund Rückgängigmachung der Umsatzsteueroption

Aufgrund der Rückgängigmachung der Umsatzsteueroption führt dies rückwirkend zu einem Verlust des Vorsteuerabzugs.

BFH Beschluss vom 3.4.2013, V B 64/12

Begründung:

Im Streitfall weist das Urteil des FG einen solch schwerwiegenden Rechtsfehler nicht auf. Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH, nach der der Unternehmer den Verzicht auf die Steuerfreiheit nach § 9 UStG durch die Erteilung einer Rechnung mit Steuerausweis erklären kann. Dieses geschieht wie folgt, dass bei einem Verzicht durch Rechnungserteilung mit gesondertem Steuerausweis die Rückgängigmachung des Verzichts nur dadurch erfolgen kann, dass eine berichtigte Rechnung ohne Steuerausweis erteilt wird.

Dieses hat zur Folge, dass die Rückgängigmachung des Verzichts auf das Jahr der Ausführung des Umsatzes zurückwirkt, und nach der der Leistungsempfänger aufgrund des Widerrufs des Verzichts seinen Anspruch auf Vorsteuerabzug rückwirkend für das Jahr verliert, in dem er den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat.

Dementsprechend hat das FG in seinem Urteil entschieden, dass die Rechnungsberichtigung zu einer Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerfreiheit führte, wodurch die Klägerin rückwirkend für das Jahr des Leistungsbezugs den Anspruch auf Vorsteuerabzug verloren hat. Dies lässt weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht einen Rechtsfehler erkennen.

 

Zur Vorsteuerberichtigung beim letzten Abnehmer einer Lieferkette wegen ihm außerhalb der Lieferkette gewährten Herstellerrabatten

Erstattet der erste Unternehmer in einer Lieferkette dem letzten Abnehmer einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts durch nachträglich ausgezahlte Gutschriften, ist dessen Vorsteuerabzug nicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG in der bis zum 15. Dezember 2004 gültigen Fassung zu berichtigen.

BFH Urteil vom 15.2.2012, XI R 24/09

Begründung:

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen; nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten (abzüglich der Umsatzsteuer). Hat sich diese Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so haben nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F.) und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F.) entsprechend zu berichtigen.

Für die an die Klägerin von der D-GmbH ausgeführten Umsätze (Zementlieferungen) hat sich die Bemessungsgrundlage, das Entgelt, nicht gemindert. Es fehlt mithin insoweit an den Voraussetzungen, an die die Vorsteuerkorrektur nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. anknüpft.

Der Umsatz, dessen Bemessungsgrundlage sich nachträglich geändert hat, wurde nicht an die Klägerin, sondern (von der Z-AG) an die D-GmbH ausgeführt. Erstattet der erste Unternehmer in einer Lieferkette dem letzten Abnehmer –wie im Streitfall die Z-AG der Klägerin– einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers,hier der Umsatz der Z-AG an die D-GmbH. Diese, die Z-AG, konnte daher den für ihren Umsatz an ihren Abnehmer der nächsten Stufe,die D-GmbH geschuldeten Steuerbetrag nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG a.F. zu ihren Gunsten berichtigen. Der von der D-GmbH an die Klägerin ausgeführte Umsatz ist hiervon nicht betroffen.

Vorsteuerberichtigung bei Berufung auf eine Steuerfreiheit nach dem Unionsrecht

Die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ändern sich i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG, wenn sich der Steuerpflichtige während des Berichtigungszeitraums auf die Steuerfreiheit der gleichbleibenden Verwendungsumsätze gemäß Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG beruft.

BFH Urteil vom 15.9.2011, V R 8/11

Erläuterung (BFH):

Mit Urteil vom 15. September 2011 V R 8/11 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Vorsteuer zu berichtigen ist, wenn sich der Unternehmer nachträglich auf eine im nationalen Recht nicht vorgesehene Steuerbefreiung des Unionsrechts beruft.
Der Streitfall betraf einen Spielhallenbetreiber. Dieser hatte für den Erwerb von Geldspielautomaten die Vorsteuer abgezogen, da Umsätze mit Geldspielautomaten nach nationalem Recht steuerpflichtig sind. Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union im Gegensatz dazu entschieden hatte, dass derartige Umsätze nach dem Unionsrecht steuerfrei sind, machte der Unternehmer dies für sich geltend. Das Finanzamt akzeptierte die Steuerfreiheit der Automatenumsätze, ging aber zu Lasten des Unternehmers davon aus, dass er den zuvor für den Erwerb der Geldspielautomaten in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu berichtigen habe.
Der BFH hat die Rechtsauffassung des Finanzamts bestätigt. Die von § 15a UStG vorausgesetzte Änderung der Verhältnisse liegt darin, dass der Unternehmer beim Erwerb der Geldspielgeräte das Erbringen steuerpflichtiger Automatenumsätze beabsichtigt hat, wohingegen die Umsätze aufgrund der späteren Berufung auf das Unionsrecht steuerfrei waren.
Die Entscheidung des BFH ist über den entschiedenen Einzelfall hinaus für alle Fälle von Bedeutung, in denen sich Unternehmer nachträglich auf Steuerbefreiungen des Unionsrechts berufen, die im nationalen Recht nicht zutreffend umgesetzt sind.

Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG für vor 2005 erworbenes Umlaufvermögen

Für vor dem 1. Januar 2005 ausgeführte Umsätze, die zur Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern führen, die nur einmalig zur Ausführung eines Umsatzes verwendet werden ("Umlaufvermögen"), besteht auch unter Berücksichtigung von Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG kein Anspruch auf Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG.

BFH Urteil vom 12. Februar 2009 V R 85/07

Begründung:

 Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung war, wenn sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse änderten, für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Diese Vorschrift erfasst nur die Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse bei Gegenständen des Anlagevermögens, nicht aber auch bei Gegenständen des Umlaufvermögens.

Ein Anspruch auf Vorsteuerberichtigung ergibt sich auch nicht aus § 15a Abs. 2 Satz 1 UStG 2005. Danach ist eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs vorzunehmen, wenn sich bei einem Wirtschaftsgut, das nur einmalig zur Ausführung eines Umsatzes verwendet wird, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ändern. Zwar erfasst diese Vorschrift auch die bei Gegenständen des Umlaufvermögens eintretende Änderung der Verhältnisse. Die Vorschrift ist jedoch nach § 27 Abs. 11 UStG 2005 nur auf Vorsteuerbeträge anzuwenden, deren zugrunde liegende Umsätze anders als im Streitfall erst nach dem 31. Dezember 2004 ausgeführt wurden.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt eine analoge Anwendung der im Streitjahr für Anlagevermögen bestehenden Berichtigungsvorschrift des § 15a Abs. 1 UStG auf Umlaufvermögen nicht in Betracht. Dass der nationale Gesetzgeber nach der Richtlinie bestehende Regelungsmöglichkeiten nicht ausgeübt hat, rechtfertigt nicht die Annahme einer für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke.