Nachreichen der Originalrechnung im Vorsteuervergütungsverfahren

Die termingerechte Vorlage einer Originalrechnung ist Grundlage für das Vorsteuervergütungsverfahren des § 60 UStDV.

FG Köln Urteil vom 07.06.2013 (Aktenzeichen: 2 K 4248/08)

Begründung:

Nach § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG kann zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 UStG und von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG, in einem besonderen Verfahren regeln. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber in §§ 59 ff. UStDV Gebrauch gemacht.

Gemäß § 60 Satz 1 UStDV ist der Vergütungszeitraum nach Wahl des Unternehmers ein Zeitraum von mindestens drei Monaten bis zu höchstens einem Kalenderjahr. Der Vergütungszeitraum kann weniger als drei Monate umfassen, wenn es sich um den restlichen Zeitraum des Kalenderjahres handelt (§ 60 Satz 2 UStDV). In den Antrag für diesen Zeitraum können auch abziehbare Vorsteuerbeträge aufgenommen werden, die in vorangegangene Vergütungszeiträume des betreffenden Kalenderjahres fallen (§ 60 Satz 3 UStDV).

§ 60 UStDV ist dahingehend zu verstehen, dass er es nicht untersagt, Vorsteuerbeträge aus vorangegangenen Vergütungszeiträumen des betreffenden Kalenderjahres auch in anderen Vergütungszeiträumen als dem letzten des Kalenderjahres geltend zu machen. Denn § 60 Satz 3 UStDV regelt lediglich, welche Möglichkeiten im restlichen Vergütungszeitraum des Kalenderjahres bestehen. Die Regelung beschäftigt sich nicht auch mit den anderen Vergütungszeiträumen. Sie ist insoweit nicht abschließender Natur. Sie sieht auch nicht vor, dass „nur“ in dem Antrag für den restlichen Zeitraum des Kalenderjahres Vorsteuerbeträge aus vorangegangenen Vergütungszeiträumen des betreffenden Kalenderjahres aufgenommen werden können. Folglich steht es dem Vergütungsanspruch der Klägerin nicht entgegen, dass sie in ihren Vergütungsantrag für den Zeitraum Juli bis September 2006 eine Rechnung vom 10. April 2006 aufgenommen hat.

Die Klägerin hat indes keinen Anspruch auf die Vergütung der Vorsteuer aus der Rechnung des B vom 13. September 2006. Denn insoweit hat die Klägerin innerhalb der Vergütungsfrist weder eine Originalrechnung noch eine Zweitschrift vorgelegt.

Gemäß § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG ist der Vergütungsantrag binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Bei dieser Sechs-Monats-Frist des § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG handelt es sich um eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist. Der Unternehmer hat die Vergütung selbst zu berechnen und die Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original nachzuweisen (§ 18 Abs. 9 Satz 4 UStG). Aus dem Zusammenhang von § 18 Abs. 9 Satz 3 und Satz 4 UStG ergibt sich, dass die Originalrechnungen mit dem Antrag innerhalb der Antragsfrist einzureichen sind.

Der von der Klägerin geltend gemachte Vergütungsanspruch aus der Rechnung des B vom 13. September 2006 ist nach ihrem Vortrag im Jahre 2006 entstanden. Der Vergütungsantrag hierfür war daher unter Beifügung der Originalrechnung bis zum 30. Juni 2007 zu stellen. Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin die Rechnung des B nicht als Originalrechnung vorgelegt, sondern insoweit lediglich eine Fotokopie beim Beklagten eingereicht. Einem Steuerpflichtigen, dem die Vorlage der Originalrechnungen unmöglich geworden ist, ist zwar unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zu gewähren, auf andere Weise die Vorsteuervergütung zu erlangen. Allerdings erfüllt die Klägerin diese Voraussetzungen nicht.

§ 18 Abs. 9 Satz 4 UStG ist für den Fall des Verlustes der Originalrechnungen einschränkend auszulegen. Wenn der dem Erstattungsantrag zugrunde liegende Vorgang stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere identische Erstattungsanträge gestellt werden, kommt es nach Auffassung des erkennenden Senats nicht auf das Nicht-Vertretenmüssen durch den Antragsteller an. Allerdings ist für den Fall des Abhandenkommens der Originalrechnung – vor Einreichung des Antrags – jedenfalls eine Zweitschrift der Rechnung oder eine Bestätigung des Rechnungsausstellers zu der Rechnungskopie innerhalb der Antragsfrist einzureichen. Nur diese stellen im Rahmen der einschränkenden Auslegung des § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG einen „adäquaten Ersatz“ für die Originalrechnung dar. Einfache Fotokopien reichen insoweit nicht aus.

 

Keine “eigenhändige” Unterschrift bei Anträgen auf Vergütung von Vorsteuern

§ 18 Abs. 9 Satz 5 UStG 1999 ist mit der Richtlinie 79/1072/EWG nicht zu vereinbaren, soweit er einen ordnungsgemäßen Vergütungsantrag von der eigenhändigen Unterschrift des Steuerpflichtigen abhängig macht. Insoweit genügt auch die Unterschrift eines Bevollmächtigten (Anschluss an EuGH-Urteil vom 3. Dezember 2009, C-433/08 ―Yaesu Europe BV―, UR 2010, 146).

Der Nachweis eines Vergütungsanspruchs kann bei nicht zu vertretendem Abhandenkommen der Originalrechnung auch durch Vorlage einer Zweitschrift oder Ablichtung der Rechnung geführt werden, wenn der dem Vergütungsantrag zugrunde liegende Vorgang tatsächlich stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere Vergütungsanträge gestellt werden.

BFH Urteil vom 28.10.2010 – V R 17/08 BFH NV 2011 S. 658ff

Begründung:

Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass sich das Erfordernis einer Vorlage von Originalrechnungen zwar nach der Rechtsprechung des Senats aus § 18 Abs. 9 Sätze 3 bis 5 UStG ergibt und im Hinblick auf Art. 3 Buchst. a Satz 1 der Richtlinie 79/1072/EWG auch gemeinschaftsrechtlich geboten ist. 

 

Hierzu hat der EuGH jedoch entschieden, dass es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, die Möglichkeit vorzusehen, dass der Steuerpflichtige bei von ihm nicht zu vertretendem Abhandenkommen einer Rechnung oder eines Einfuhrdokuments den Nachweis seines Erstattungsanspruchs durch Vorlage einer Zweitschrift der Rechnung oder des fraglichen Einfuhrdokuments führt, wenn der dem Erstattungsantrag zugrunde liegende Vorgang stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere Erstattungsanträge gestellt werden. Wenn ein in einem Mitgliedstaat ansässiger Steuerpflichtiger in der gleichen Situation die Möglichkeit hat, den Nachweis durch Vorlage einer Zweitschrift oder einer Ablichtung der Rechnung zu führen, so folgt aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 6 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), umnummeriert in Art. 12 durch den Vertrag von Amsterdam zur Änderung der Vertrages über die Europäische Union (EUVtr Amst, BGBl II 1998, 387), dass diese Möglichkeit auch einem nicht in diesem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen einzuräumen ist. 

Da der Steuerpflichtige im allgemeinen Besteuerungsverfahren (§§ 16 bis 18 UStG) den Nachweis des Besitzes einer Originalrechnung nicht nur durch Vorlage derselben, sondern mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Beweismitteln führen kann, muss dies unter den vom EuGH genannten Voraussetzungen auch im Vergütungsverfahren gelten

Vorsteuervergütungsverfahren – Bindungswirkung der Unternehmerbescheinigung –

Die von einem anderen Mitgliedstaat für das Vorsteuervergütungsverfahren erteilte Unternehmerbescheinigung begründet die Vermutung, dass das betreffende Unternehmen in dem Mitgliedstaat, dessen Steuerverwaltung ihm die Bescheinigung ausgestellt hat, steuerpflichtig und ansässig ist. Die inländische Steuerverwaltung ist grundsätzlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an die Angaben dieser Bescheinigung gebunden (EuGH-Urteil vom 28. Juni 2007 Rs. C-73/06 –Planzer Luxembourg Sarl–, Slg. 2007, I-5655) .
Die Bindungswirkung der Unternehmerbescheinigung entfällt, wenn die inländische Steuerverwaltung bei Zweifeln an deren Richtigkeit aufgrund von Aufklärungsmaßnahmen (z.B. eigene Auskünfte des Steuerpflichtigen, Amtshilfe) Informationen erhält, aus denen hervorgeht, dass die in der Bescheinigung angegebene Anschrift weder dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen entspricht noch die einer festen Niederlassung ist, von der aus der Steuerpflichtige seine Umsätze tätigt .

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 14.5.2008, XI R 58/06