Vorweggenommene Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts

Fallen Aufwendungen schon an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird.

Die (tatsächlich durchgeführte) Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts (§ 346 Abs. 1 BGB) stellt kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar. Dies gilt erst recht, wenn die Rückabwicklung trotz eines titulierten Anspruchs nicht durchgeführt wird.

BFH Urteil vom 16.06.2015 – IX R 21/14, BFH/NV 2015, 1567

Sachverhalt:

Zwischen den Beteiligten ist im Revisionsverfahren noch streitig, in welcher Höhe der Kläger und Revisionskläger (Kläger) in den Jahren 2005 und 2006 vorab entstandene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen kann und ob der Kläger aus der Veräußerung von zwei Grundstücken „Flurstücke 1 und 2”) Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat.

Begründung:

Die Entscheidung des FG, die vom Kläger geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse aus dem Umbau des Mehrfamilienhauses dem Grunde nach bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, jedoch um einen der Selbstbenutzung vorbehaltenen Anteil zu kürzen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen; sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen Aufwendungen mit der beabsichtigten Vermietung eines (leerstehenden) Wohngrundstücks an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Die Berücksichtigung von Aufwand als (vorab entstandene) Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht aufgegeben hat. Das FG entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, ob im Einzelfall eine Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen vorliegt; es ist bei seiner tatrichterlichen Würdigung nicht an starre Regeln für das Gewichten einzelner Umstände gebunden.

Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt der Veräußerung der maßgeblichen Grundstücke die Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG von zehn Jahren noch nicht abgelaufen war.  Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken oder ihnen gleichgestellten Rechten nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Es handelt sich hierbei um einen sog. gestreckten Steuertatbestand, dessen Verwirklichung mit der Anschaffung des Wirtschaftsgutes beginnt und mit dessen Veräußerung endet.

Als Anschaffung und Veräußerung werden im Regelfall der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes auf eine andere Person aufgefasst. Darüber hinaus können aber auch andere marktoffenbare Vorgänge als Veräußerung i.S. von § 23 Abs. 1 EStG zu beurteilen. Demgegenüber liegt eine Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht vor, wenn sich das ursprüngliche Anschaffungsgeschäft lediglich in ein Abwicklungsverhältnis verwandelt. Denn die Herausgabe des zuvor angeschafften Wirtschaftsgutes stellt hierbei keinen gesonderten marktoffenbaren Vorgang, sondern nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung dar.

Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend, in dem der obligatorische (Kauf-)Vertrag abgeschlossen wird; allerdings kann auch schon vor Abschluss eines notariell beurkundeten Kaufvertrages wirtschaftlich der Vollzug eines Erwerbs gegeben sein. Dies setzt voraus, dass dem Erwerber bereits zu diesem früheren Zeitpunkt wirtschaftliches Eigentum an dem Objekt –bei Grundstücken regelmäßig durch Übergang von Gefahr, Nutzen und Lasten– übertragen wird.

Der Kläger hat die maßgeblichen Grundstücke durch die schuldrechtlichen Vereinbarungen im Grundstückstauschvertrag und durch die Eintragung als (zivilrechtlicher) Eigentümer im Grundbuch im Jahr 1981 erworben (§§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches –BGB–). In steuerrechtlicher Hinsicht liegt bereits in dem Abschluss des obligatorischen Grundstückstauschvertrages eine „Anschaffung” der genannten Wirtschaftsgüter i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Mit der Abgabe seiner Rücktrittserklärung im Jahr 1990 hat sich das ursprüngliche, auf die Verschaffung des Eigentums an den Grundstücken gerichtete (und insoweit auch in vollem Umfang vollzogene) Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis verwandelt (§ 346 Abs. 1 BGB). Der Rücktritt betrifft –in zivilrechtlicher Hinsicht– nur das schuldrechtliche Verpflichtungsverhältnis; demgegenüber bleiben zur Erfüllung schuldrechtlicher Verpflichtungen vorgenommene (dingliche) Verfügungen in Kraft und müssen durch gegenläufige Verfügungen rückabgewickelt werden. In steuerrechtlicher Hinsicht folgt hieraus, dass mit der (tatsächlich durchgeführten) Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts kein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwirklicht wird; denn die Herausgabe des zuvor angeschafften Wirtschaftsgutes ist keine Veräußerung im Sinne der genannten Vorschrift. Dies gilt erst recht, wenn –wie im Streitfall– die Rückabwicklung trotz eines titulierten Anspruchs nicht durchgeführt wird. Danach hat der Kläger die im Jahr 1981 angeschafften Grundstücke durch die Abgabe seiner Rücktrittserklärung im Jahr 1990 nicht wieder an den ursprünglichen Verkäufer (zurück-)veräußert.

Einkünfteerzielungsabsicht bei der Vermietung von Gewerbeobjekten

Bei Gewerbeimmobilien ist stets im Einzelfall festzustellen, ob der Steuerpflichtige beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen.

Aufwendungen für ein nach Anmietung leerstehendes Gewerbeobjekt können als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige z.B. als gewerblicher Zwischenmieter, die Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich dieses Objekts erkennbar aufgenommen und sie später nicht aufgegeben hat.

Ist dem Steuerpflichtigen von Anfang an bekannt oder zeigt sich später aufgrund bislang vergeblicher Vermietungsbemühungen, dass für ein seit Jahren leerstehendes Objekt, so wie es baulich gestaltet ist, kein Markt besteht und es deshalb nicht vermietbar ist, muss der Steuerpflichtige zielgerichtet darauf hinwirken, u.U. auch durch bauliche Umgestaltungen einen vermietbaren Zustand des Objekts zu erreichen.

BFH Urteil vom 19.2.2013, IX R 7/10

Begründung:

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen Aufwendungen mit der beabsichtigten Vermietung eines (leerstehenden) Gewerbegrundstücks an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt werden, können sie zwar grundsätzlich als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Allerdings ist bei Gewerbeimmobilien stets im Einzelfall festzustellen, ob der Steuerpflichtige beabsichtigt (hat), auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen.

Ist dem Steuerpflichtigen von Anfang an bekannt oder zeigt sich später aufgrund bislang vergeblicher Vermietungsbemühungen, dass für das Objekt, so wie es baulich gestaltet ist, kein Markt besteht und die Immobilie deshalb nicht vermietbar ist, muss der zielgerichtet darauf hinwirken, unter Umständen auch durch bauliche Umgestaltungen einen vermietbaren Zustand des Objekts zu erreichen. Bleibt er untätig und nimmt den Leerstand auch künftig hin, spricht dieses Verhalten gegen den endgültigen Entschluss zu vermieten oder für deren Aufgabe.-

Das FG ist im Rahmen seiner Gesamtwürdigung zu Recht zu dem Schluss gekommen, dass die Klägerin in den Streitjahren nicht beabsichtigt hat, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung des Grundstücks einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen und mithin die für die Berücksichtigung von Werbungskostenüberschüssen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erforderliche, im Streitfall originär festzustellende Einkünfteerzielungsabsicht nicht vorliegt.

Zwar können Aufwendungen für ein nach Anmietung leerstehendes Gewerbeobjekt als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige (als gewerbliche Zwischenmieterin) die Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich dieses Objekts erkennbar aufgenommen und sie später nicht aufgegeben hat. Die Einzelfallumstände, aus denen sich der endgültige Entschluss zu vermieten ergibt, sind in erster Linie ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen.

Im Streitfall fehlt es indes schon am Nachweis dahin gehender (ausschließlicher) Vermietungsbemühungen der Klägerin. Denn das Anbringen einer Tafel mit dem Hinweis auf die Vermietungsabsicht, die Schaltung von Vermietungsanzeigen und die Kontaktaufnahme mit etwaigen Interessenten reichen für die Aufnahme der Einkünfteerzielungsabsicht jedenfalls dann nicht aus, wenn das Objekt nach bisherigem Leerstand gleichzeitig über eine Immobilienverwaltungs- und Vermittlungs-GmbH in regionalen Tages- und Wochenzeitungen   auch   zum   Verkauf   angeboten wird.