Veranlagungszeitraumbezogener Begriff der wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 1 EStG

Der Beteiligungsbegriff gemäß § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist veranlagungszeitraumbezogen auszulegen, indem das Tatbestandsmerkmal "innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt" in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der in diesem Veranlagungszeitraum jeweils geltenden Beteiligungsgrenze zu bestimmen ist.

BFH Urteil vom 11.12.2012, IX R 7/12

Begründung (BFH):

Die Beteiligungsbegriff gemäß § 17 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 ist veranlagungszeitraumbezogen auszulegen, indem das Tatbestandsmerkmal "innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt" in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der in diesem Veranlagungszeitraum jeweils geltenden Beteiligungsgrenze zu bestimmen ist.

So entschied der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 11. Dezember 2012 IX R 7/12 in einem Fall, in dem der Steuerpflichtige seine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Dezember 1999 veräußerte. Er war zu 9,22% an der AG beteiligt und in den Jahren zuvor bis zu 13,52%. Nach § 17 Abs. 1 EStG waren Anteilsveräußerungen steuerbar, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten 5 Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Das StEntlG 1999/2000/2002 hatte die Wesentlichkeitsgrenze mit Wirkung vom 1. Januar 1999 von mehr als 25% auf mindestens 10% herabgesetzt. Aufgrund der Rückwirkungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts erfassten Finanzamt und Finanzgericht Wertsteigerungen ab dem 31. März 1999 bis zur Veräußerung. Aber waren Gewinne zu erfassen, obschon der Steuerpflichtige in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen nie wesentlich beteiligt war?

Der BFH verneint diese Frage. Er legt den Beteiligungsbegriff veranlagungszeitraumbezogen aus. Die Wesentlichkeitsgrenze von mindestens 10% galt nach der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999. Daraus folgt umgekehrt zugleich, dass sie für frühere Veranlagungszeiträume nicht anwendbar war. Deshalb war die Veräußerung im Streitfall nicht zu besteuern: Der Steuerpflichtige war vor 1999 mit höchstens 13,52% nicht mehr als 25% und ab 1999 mit 9,22% nicht zu mindestens 10% und damit nie wesentlich am Kapital der AG beteiligt gewesen. Diese Auslegung vermeidet von vornherein eine Rückwirkung des Gesetzes. Sie ist nicht auf die geltende Rechtslage zu § 17 Abs. 1 EStG übertragbar, die keine Wesentlichkeitsgrenze mehr kennt.

 

Wesentliche Beteiligung, Maßgeblichkeit des Gesamtvertragskonzepts

Werden im Rahmen mehrerer zeitgleich abgeschlossener, korrespondierender Verträge GmbH-Anteile übertragen und deren Höhe durch eine Kapitalerhöhung auf genau 25 % reduziert, so vermittelt die der Kapitalerhöhung vorgreifliche Anteilsübertragung kein wirtschaftliches Eigentum an einer wesentlichen Beteiligung, wenn nach dem Gesamtvertragskonzept die mit der übertragenen Beteiligung verbundenen Rechte von vorneherein nur für eine Beteiligung von genau 25 % übergehen sollten.

BFH Urteil vom 5.10.2011, IX R 57/10

Begründung (BFH):

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 5. Oktober 2011 IX R 57/10 entschieden, dass eine wesentliche Beteiligung i.S. von § 17 des Einkommensteuergesetzes (a.F.) nicht anzunehmen ist, wenn im Zuge mehraktiger Anteilsübertragungen zwar vorübergehend in der Person eines Gesellschafters die Beteiligungsgrenze von 25% (nach altem Recht) überschritten wird, dieser Gesellschafter nach dem Gesamtvertragskonzepts aber endgültig nur mit 25% beteiligt werden soll und auch wird.

Im Streitfall ging es um die Beteiligung an einer GmbH. Im Rahmen eines Notartermins waren mehrere Anteilsübertragungen sowie eine Kapitalerhöhung vereinbart worden, die im Ergebnis zu einer Beteiligung der Klägerin von genau 25 % führen sollten und auch führten. Lediglich aus technischen Gründen hatte die Klägerin vor der abschließenden Kapitalerhöhung vorübergehend die maßgebliche Beteiligungsschwelle überschritten. Mit dieser Beteiligung war jedoch nach dem Willen aller Vertragsbeteiligten keinerlei wirtschaftliche Verfügungsbefugnis verbunden. Darauf stellt der BFH ab und lässt den bloß technischen Durchgangserwerb – entgegen seiner früheren Rechtsprechung – nicht mehr ausreichen.

Nachträgliche Schuldzinsen – wesentliche Beteiligung

Nachträgliche Schuldzinsen – wesentliche Beteiligung

BFH Urteil vom 8.9.2010, VIII R 1/10

Begründung:

Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S. von § 17 EStG, die auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, können ab dem Veranlagungszeitraum 1999 grundsätzlich wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden (vgl. Senatsurteile vom 16. März 2010 VIII R 20/08, BFHE 229, 151, BStBl II 2010, 787, VIII R 36/07, BFH/NV 2010, 1795). Seine gegenteilige Rechtsprechung hat der Senat damit aufgegeben.

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall grundsätzlich vor. Das zur Refinanzierung der Bürgschaftsinanspruchnahme vom Kläger aufgenommene Darlehen hat die Anschaffungskosten der Beteiligung des Klägers an der GmbH erhöht. Die darauf entfallenden Zinsen kann der Kläger deshalb auch nach Löschung der GmbH im Handelsregister als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen abziehen, soweit die Verbindlichkeiten nicht durch den Veräußerungspreis und die Verwertung von zurückbehaltenen aktiven Wirtschaftsgütern hätten getilgt werden können.