Abschreibungsbeginn bei Windkraftanlagen

Bei einem Windpark stellt einerseits jede einzelne Windkraftanlage einschließlich des dazugehörigen Transformators sowie der verbindenden Verkabelung, andererseits die externe Verkabelung sowie die Zuwegung im Regelfall ein jeweils eigenständiges Wirtschaftsgut dar (Bestätigung des BFH-Urteils vom 14. April 2011 IV R 46/09, BFHE 233, 214, BStBl II 2011, 696). Der Beginn der Abschreibung ist für jedes Wirtschaftsgut eigenständig zu prüfen.

Die Abschreibung der Windkraftanlage kann zwar schon vor deren Inbetriebnahme beginnen. Im Falle ihrer Anschaffung ist jedoch erforderlich, dass (Eigen-)Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten auf den Erwerber übergehen und dieser damit das wirtschaftliche Eigentum an der Windkraftanlage erlangt.

Sind am Bilanzstichtag nicht alle Einzelkriterien erfüllt, bedarf es einer wertenden Beurteilung anhand der Verteilung von Chancen und Risiken, die aus dem zu bilanzierenden Vermögensgegenstand erwachsen. Danach setzt die Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums aber jedenfalls dann den Übergang der Gefahr des zufälligen Untergangs voraus, wenn der Verkäufer (Werklieferer) eine technische Anlage zu übereignen hat, die vom Erwerber erst nach erfolgreichem Abschluss eines Probebetriebs abgenommen werden soll.

BFH Urteil vom 1.2.2012, I R 57/10

Erläuterung (BFH):

Gemäß § 7 Abs. 2 EStG 1997 kann das Einkommen bei Erwerb abnutzbarer beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens um Absetzungen für Abnutzung in fallenden Jahresbeträgen gemindert werden (sog. degressive Abschreibung). Zusätzlich können bei neuen Wirtschaftsgütern der vorbezeichneten Art nach § 7g Abs. 1 EStG 1997 im Jahr der Anschaffung und den folgenden vier Jahren Sonderabschreibungen bis zu 20 % der Anschaffungskosten in Anspruch genommen werden.

Beide Abschreibungen setzen die Anschaffung des in Frage stehenden Wirtschaftsguts und damit nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass der Steuerpflichtige (Erwerber) zumindest die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut in dem Sinne erlangt hat, dass er als dessen wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen ist. Dabei kann offenbleiben, ob die Zurechnungs- und Aktivierungsvoraussetzung des wirtschaftlichen Eigentums durchgängig auf der steuerrechtlichen Vorschrift des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) beruht oder ob sie im Falle der bilanziellen Ermittlung gewerblicher Einkünfte vorrangig auf den nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997 i.V.m. § 8 Abs. 1 und Abs. 2 KStG zu beachtenden Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und damit auf der Regelung des § 242 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) gründet, nach der der Kaufmann sein Vermögen zu bilanzieren hat

Im Handelsrecht besteht Einvernehmen darüber, dass die Vermögensgegenstände –auch in Fällen ihres Erwerbs– dem wirtschaftlichen Eigentümer als Inhaber der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zuzurechnen sind.

Bei der Prüfung dieser Voraussetzung ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den beiden WKA sowie der externen Übergabestation um jeweils selbständige Wirtschaftsgüter handelt. Der BFH hat hierzu mit Urteil vom 14. April 2011 IV R 46/09 (BFHE 233, 214, BStBl II 2011, 696) entschieden, dass jede WKA mit dem dazugehörigen Transformator nebst der verbindenden (inneren) Verkabelung ein zusammengesetztes Wirtschaftsgut darstelle und daneben die (externe) Verkabelung von den Transformatoren bis zum Stromnetz des Energieversorgers zusammen mit der Übergabestation als ein weiteres zusammengesetztes Wirtschaftsgut anzusehen sei, wenn dadurch mehrere WKA miteinander verbunden werden. Auch stelle die Zuwegung ein weiteres eigenständiges Wirts

Dem FG ist ferner darin zu folgen, dass die Klägerin die beiden WKA nicht hergestellt, sondern angeschafft hat. Kennzeichen des Herstellers (Bauherrn) ist, dass er auf eigene Rechnung und Gefahr ein Wirtschaftsgut herstellt oder herstellen lässt und er das Baugeschehen beherrscht. Die Klägerin erfüllte diese Voraussetzungen erkennbar nicht. Vielmehr hat sie die von der S-GmbH gefertigten WKA entgeltlich erworben. Der Annahme eines Anschaffungsvorgangs steht nicht entgegen, dass die Anlagen von der S-GmbH montiert werden mussten und die Klägerin selbst zur Erstellung der Anlagenfundamente verpflichtet war.

Das Begehren der Klägerin, bereits für das Streitjahr 2000 Abschreibungen für die WKA vorzunehmen, ist nicht deshalb von vorneherein abzuweisen, weil die externe Verkabelung einschließlich der Übergabestation erst im Folgejahr fertig gestellt worden ist und mithin die WKA im Jahr 2000 noch nicht zur Stromerzeugung und Stromeinspeisung eingesetzt werden konnten. Letzteres steht dem Klagebegehren nicht entgegen, weil es sich zum einen bei den WKA sowie der externen Verkabelung (einschließlich Übergabestation) um eigenständige Wirtschaftsgüter handelt und zum anderen nach allgemeiner Ansicht Abschreibungen auch für Jahre vor Inbetriebnahme des zur Einkunftserzielung zu nutzenden Wirtschaftsguts geltend gemacht werden können.

Demgemäß kann auch der Abschreibung der WKA nicht entgegen gehalten werden, dass ihr betrieblicher Einsatz erst nach Fertigstellung der externen Verkabelung möglich ist. Anderes ergibt sich nicht daraus, dass nach dem BFH-Urteil in BFHE 233, 214, BStBl II 2011, 696 grundsätzlich alle Wirtschaftsgüter eines Windparks aufgrund ihres wirtschaftlichen Verbrauchs in Anlehnung an die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der WKA über einen einheitlichen Zeitraum abzuschreiben sind.

Die Aussage betrifft als Grundregel lediglich den Abschreibungszeitraum, d.h. dessen einheitliche Schätzung. Sie lässt jedoch die vorrangige und auf das einzelne Wirtschaftsgut zu beziehende Entscheidung darüber, zu welchem Zeitpunkt das (einzelne) Wirtschaftsgut angeschafft wurde und somit abgeschrieben werden kann, unberührt und hat deshalb lediglich zur Folge, dass im Falle eines unterschiedlichen Abschreibungsbeginns der Ablauf der jeweiligen Abschreibungszeiträume am Ende der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der WKA auszurichten ist.

Wie ausgeführt, sind Wirtschaftsgüter auch im Falle ihrer Anschaffung dem Erwerber bereits vor Erlangung des zivilrechtlichen Eigentums (§ 39 Abs. 1 AO) zuzurechnen, wenn er wirtschaftlicher Eigentümer des Wirtschaftsguts geworden ist (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO). Dies erfordert nicht nur im Falle eines Grundstückserwerbs, sondern auch im Falle der Anschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter –wie z.B. Maschinen– in der Regel den Übergang von (Eigen-)Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten.

Vorliegend ist die Klägerin zwar mit der Anlieferung sowie dem Aufstellen der WKA und damit noch vor Ablauf des Jahres 2000 deren Besitzerin in der Erwartung geworden, im Folgejahr das zivilrechtliche Eigentum an den Anlagen zu erwerben. Allein hierdurch war sie jedoch noch nicht als wirtschaftliche Eigentümerin der WKA zu qualifizieren. Hiergegen spricht nicht nur, dass die Klägerin vor Fertigstellung der externen Verkabelung keine Nutzungen aus den Anlagen ziehen konnte; auch kann nach den Feststellungen der Vorinstanz sowie dem Revisionsvorbringen nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin noch vor Ablauf des Jahres 2000 die mit den Anlagen verbundenen Lasten (insbesondere die Versicherungsbeiträge) übernommen hätte.

Letztlich kommt es hierauf aber nicht an, da nach der Rechtsprechung des BFH die Erlangung des wirtschaftlichen Eigentums jedenfalls dann an den Übergang der Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache gebunden ist, wenn der Verkäufer (Werklieferer) eine technische Anlage zu übereignen hat, die vom Erwerber erst nach erfolgreichem Abschluss eines Probebetriebs abgenommen werden soll (BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 975). Nichts anderes kann im Streitfall gelten, in dem die Abnahme der von der S-GmbH "betriebsfähig" zu liefernden WKA an den erfolgreichen Abschluss des Probebetriebs und der sich daran anschließenden Hauptinspektion gebunden war.