Wohnungsbegriff i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG

Eine Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG ist in einem Studentenwohnheim in Gestalt eines Appartementhauses gegeben, wenn eine Wohneinheit aus einem Wohn-Schlafraum mit einer vollständig eingerichteten Küchenkombination oder zumindest einer Kochgelegenheit mit den für eine Kleinkücheneinrichtung üblichen Anschlüssen, einem Bad/WC und einem Flur besteht und eine Gesamtwohnfläche von mindestens 20 m2 hat.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 4.12.2014, II R 20/14

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Anstalt öffentlichen Rechts, errichtete zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe, Einrichtungen des studentischen Wohnens zu schaffen und bereitzustellen, ein Studentenwohnheim im Erbbaurecht. In dem Wohnheim befinden sich mehrere jeweils 22,10 m2 große 1-Zimmer-Appartements mit je einem Wohnraum mit eigener Küchenzeile, einer Diele und einem Bad sowie mehrere größere Raumeinheiten, die jeweils aus einem Aufenthaltsraum mit Kücheneinrichtung, zwei Bädern und gesondert abschließbaren Wohnräumen bestehen. Jeder dieser Wohnräume verfügt über eine eigene Klingel und einen Telefon- und Internetanschluss. Die jeweiligen “Zimmer” werden durch die Klägerin vergeben. Die bereits in dem Wohnheim wohnenden Studenten haben dabei kein Mitspracherecht. Die Raumeinheiten dürfen nur als studentischer Wohnraum genutzt werden. Diese Nutzungsbeschränkung ist durch eine im Grundbuch für die Dauer von 50 Jahren eingetragene Dienstbarkeit gesichert.

Begründung:

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a und b i.V.m. § 7 GrStG ist Grundbesitz, der von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer inländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, unmittelbar für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt wird, von der Grundsteuer befreit.
Grundbesitz, der zugleich Wohnzwecken dient, ist nur unter den in § 5 Abs. 1 GrStG genannten Voraussetzungen von der Grundsteuer befreit. Wohnungen sind gemäß § 5 Abs. 2 GrStG stets steuerpflichtig, auch wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 GrStG vorliegen, also etwa wenn sie zur Erfüllung gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke überlassen werden. Der Gesetzgeber hat damit eine Entscheidung dahin getroffen, dass bei einer Mehrheit von Räumen, die den Begriff der Wohnung erfüllen, stets das Überwiegen des Wohnzwecks anzunehmen und Grundsteuerpflicht gegeben ist. Dies verbietet es, Rechtsträgern i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a und b GrStG eine Grundsteuerbefreiung dann und insoweit zu gewähren, als sie Wohnungen in Verfolgung und in Verwirklichung eines gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecks Dritten überlassen. Diese Einschränkung der Befreiung von der Grundsteuer ist mit dem Grundgesetz vereinbar

Unter einer Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinn ist die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, dass sie die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer ermöglichen. Dazu ist es u.a. erforderlich, dass die abgeschlossene Wohneinheit eine bestimmte Fläche nicht unterschreitet und die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Einrichtungen wie Küche oder zumindest ein Raum mit Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und Toilette vorhanden sind. Für Bewertungsstichtage ab 1. Januar 1974 ist es zudem erforderlich, dass die als Wohnung in Betracht kommenden Räumlichkeiten eine von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit mit eigenem Zugang bilden.

Ist die Führung eines selbständigen Haushalts in einer solchen in sich abgeschlossenen Wohneinheit objektiv möglich, ist die Wohneinheit auch dann als Wohnung zu beurteilen, wenn sie baulich nicht auf die typischen Bedürfnisse einer Familie zugeschnitten ist oder mehrere Bewohner darin tatsächlich keinen gemeinsamen Haushalt. Entscheidend ist, dass fremde Dritte keinen freien Zugang haben.

Eine Wohnung in einem Studentenwohnheim in Gestalt eines Appartementhauses liegt vor, wenn eine Wohneinheit aus einem Wohn-Schlafraum mit einer vollständig eingerichteten Küchenkombination oder zumindest einer Kochgelegenheit mit den für eine Kleinkücheneinrichtung üblichen Anschlüssen, einem Bad/WC und einem Flur besteht und eine Gesamtwohnfläche von mindestens 20 m2 hat. Für Studentenwohnheime gilt insoweit dasselbe wie für abgeschlossene Appartements in einem Altenheim oder Altenwohnheim, die ebenfalls lediglich eine Gesamtwohnfläche von mindestens 20 m2 haben müssen, um als Wohnung bewertet werden zu können.

Aus § 181 Abs. 9 Satz 4 BewG, wonach das Vorhandensein einer Wohnung eine Wohnfläche von mindestens 23 m2 voraussetzt, ergibt sich hinsichtlich der Mindestfläche einer Wohnung für Zwecke der Einheitsbewertung nichts anderes. Diese Vorschrift gilt nach ihrer systematischen Stellung im Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils des BewG für die Bewertung für die Erbschaftsteuer ab 1. Januar 2009 und nicht für die Einheitsbewertung, die im Ersten Abschnitt des Zweiten Teils des BewG geregelt ist. Die Mindestanforderungen an eine Wohnung für Zwecke der Einheitsbewertung werden demgemäß durch § 181 Abs. 9 Satz 4 BewG nicht berührt. Die aus heutiger Sicht geltenden Mindeststandards für das Führen eines selbständigen Haushalts in einer Wohnung und veränderte Wohngepflogenheiten betreffen die Wertverhältnisse und können daher entgegen der Ansicht der Klägerin bei Nachfeststellungen nicht berücksichtigt werden.

Sowohl die 1-Zimmer-Appartements als auch die größeren Raumeinheiten in dem Studentenwohnheim erfüllen somit die Voraussetzungen einer Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG. Sie weisen die erforderlichen Räumlichkeiten und die notwendige Mindestgröße auf und haben den Zweck, Wohnbedürfnisse zu befriedigen. Sie ermöglichen objektiv die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer. Bei den größeren Raumeinheiten kommt es unabhängig von der jeweiligen konkreten Belegung auf deren Gesamtwohnfläche und nicht auf die Fläche der einzelnen Wohnräume an. Dass die Türen der jeweiligen Wohnräume gesondert abschließbar sind und jeder Wohnraum über eine eigene Klingel sowie einen eigenen Telefon- und Internetanschluss verfügt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies schließt es nämlich objektiv nicht aus, dass in den größeren Raumeinheiten ein selbständiger Haushalt geführt wird, etwa durch ein studentisches Ehepaar mit Kindern.

Wie die Rechtsverhältnisse zwischen der Klägerin und den Personen, denen die Räume zu Wohnzwecken überlassen werden, geregelt sind, spielt bewertungsrechtlich keine Rolle; denn für die steuerliche Beurteilung ist allein die objektive Beschaffenheit der Raumeinheiten maßgebend. Die durch Eintragung einer Dienstbarkeit im Grundbuch abgesicherte Nutzungsbeschränkung steht dem Vorliegen von Wohnungen ebenfalls nicht entgegen; denn auch Studenten können in Wohnungen leben.