Zum Abzug von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung

Zum Abzug von Zivilprozesskosten, die aus einem Berufungsverfahren in einer Scheidungssache resultieren, als außergewöhnliche Belastungen.

FG Münster 20.03.2014, K 1147/ 12 E

Begründung:

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, so wird auf Antrag die ESt in bestimmten Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Mit Wirkung vom 30.06.2013 ist in § 33 Abs. 2 EStG ein Satz 4 ergänzt worden, wonach der Abzug von Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen ist, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige in Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

Für die Zeit bis zum 29.06.2013 – und damit auch für das Streitjahr 2010 – fehlte eine diesbezügliche gesetzliche Regelung. Die Kosten eines Zivilprozesses konnten nach der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die sich auf den Rechtsstand bis zum 29.06.2013 bezieht, unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig entstehen. Entgegen der früheren Rechtsprechung war für die Frage der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nicht auf die Unausweichlichkeit des der streitgegenständlichen Zahlungsverpflichtung oder dem strittigen Zahlungsanspruch zugrunde liegenden Ereignisses abzustellen. Vielmehr lag für den Steuerpflichtigen die Unausweichlichkeit bereits darin, dass er – will er sein Recht durchsetzen – im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten musste. Der Unausweichlichkeit stand hierbei nicht entgegen, dass eine Prozesspartei in der Regel nur bei Unterliegen mit den Kosten eines Zivilprozesses belastet ist, da die Entscheidung eines Gerichts nur selten mit Gewissheit vorhersehbar ist.

Als außergewöhnliche Belastung waren Zivilprozesskosten nach der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat. Er musste diesen vielmehr unter verständiger Würdigung des Für und Wider – auch des Kostenrisikos – eingegangen sein. Demgemäß waren Zivilprozesskosten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot). Eine nur entfernte, gewisse Erfolgsaussicht reichte nicht aus, um die Zivilprozesskosten als unausweichlich und damit als zwangsläufig ansehen zu können. Der Erfolg musste mindestens ebenso wahrscheinlich sein wie ein Misserfolg. Ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten im Zeitpunkt der Klageerhebung, also aus ex ante-Sicht, hinreichende Erfolgsaussicht aufwies, hat das zur Entscheidung berufene Gericht im Wege einer summarischen Prüfung zu untersuchen.