Einreihung trinkbarer Nahrungsergänzungsmittel als Getränke mit 19 %

Die Einreihung eines Erzeugnisses in die Position 2202 KN ("andere nichtalkoholhaltige Getränke") setzt voraus, dass es sich um eine Flüssigkeit handelt, die zum unmittelbaren menschlichen Genuss geeignet und auch bestimmt ist .

Lebensmittelzubereitungen, die als Nahrungsergänzungsmittel gekennzeichnet sind, in flüssiger Form in Trinkfläschchen vertrieben werden und sich unmittelbar zum Trinken eignen, sind in die Position 2202 KN einzureihen, auch wenn sie nach den Empfehlungen des Herstellers nur in kleinen Mengen oder mit einer bestimmten Menge Wasser verdünnt einzunehmen sind .

In Bezug auf solche Lebensmittelzubereitungen ist die Position 2202 KN im Sinne der Allgemeinen Vorschrift 3a genauer als die Position 2106 KN .

BFH Urteil vom 30.3.2010, VII R 35/09

Begründung:

Zu Unrecht hat das FG der Vorinstanz die von der Klägerin in flüssiger Form vertriebenen Nahrungsergänzungsmittel in die Pos. 2106 KN eingereiht und damit gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung in Verbindung mit Nr. 33 der Anlage zu dieser Vorschrift dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterworfen. Vielmehr sind die streitgegenständlichen Erzeugnisse in die Pos. 2202 KN einzureihen, so dass auf sie nach § 12 Abs. 1 UStG der Regelsteuersatz anzuwenden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH, der sich der Senat angeschlossen hat, ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der KN –AV– 1 und 6). Dazu gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und Einreihungsavise (Tarifavise), die ebenso wie die Erläuterungen zur KN ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. zuletzt: EuGH-Urteil vom 27. November 2008 C-403/07 –Metherma–, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2009, 15, und Senatsurteil vom 17. November 1998 VII R 50/97, BFH/NV 1999, 688). Auf den sich aus den objektiven Merkmalen und Eigenschaften ergebenden Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. EuGH-Urteil vom 18. April 1991 C-219/89 –WeserGold–, Slg. 1991, I-1895 Rz 9, und Senatsurteil vom 5. Oktober 1999 VII R 42/98, BFHE 190, 501, m.w.N.).

Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei dem Ausdruck "andere Getränke" der Tarifnr. 22.02 GZT um einen Gattungsbegriff, mit dem alle zum menschlichen Genuss geeigneten und bestimmten Flüssigkeiten gemeint sind, soweit sie nicht von einer anderen spezifischen Einteilung erfasst werden. Der Inhalt dieses Begriffes ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen, ohne dass es auf die Art und Weise der Einnahme, die eingenommene Menge oder die besonderen Zwecke ankommt, denen die verschiedenen Arten genießbarer Flüssigkeiten dienen können (EuGH-Urteil in Slg. 1981, 895, 903).

Die flüssige Beschaffenheit der Ware und ihre Bestimmung zum menschlichen Genuss müssen als die objektive Beschaffenheit der Ware bestimmende Eigenschaften im Zeitpunkt der Überführung der Ware in den zollrechtlich freien Verkehr vorhanden und feststellbar sein.

Ein Erzeugnis könne nur dann als nicht trinkbar angesehen werden, wenn es jedem Durchschnittsverbraucher unmöglich wäre, aus gesundheitlichen oder geschmacklichen Gründen das Erzeugnis unmittelbar, ohne Verdünnung oder sonstige Beigabe zu trinken.

Liegt aufgrund der objektiven Beschaffenheit der Ware ein Getränk vor, verbleibt die Ware zolltariflich somit jedenfalls in Pos. 2202 KN, selbst wenn man eine Konkurrenzlage zu Pos. 2106 KN grundsätzlich für möglich hielte. Im Streitfall handelt es sich um Getränke. Den Feststellungen des FG ist nicht zu entnehmen, dass trotz der Verwendungshinweise der Klägerin ein unmittelbarer, unverdünnter Verzehr ausgeschlossen ist. Entgegen der Auffassung des FG wird die objektive Beschaffenheit –insbesondere die unmittelbare Trinkbarkeit– nicht durch die Verzehrempfehlungen aufgehoben. Dies gilt insbesondere für die Empfehlung in Bezug auf das als Y-Drink bzw. Y-Saft bezeichnete Erzeugnis, täglich 25 ml zu sich zu nehmen. Die Eigenschaft als Getränk bleibt auch bei der empfohlenen Aufnahme einer geringen Menge unberührt.