Zufluss bei einem beherrschenden Gesellschafter

Ausschüttungen an den beherrschenden Gesellschafter einer zahlungsfähigen GmbH fließen diesem in der Regel auch dann zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zu, wenn die Gesellschafterversammlung eine spätere Fälligkeit des Auszahlungsanspruchs beschlossen hat (Bestätigung der Rechtsprechung).

Die Zahlungsfähigkeit der GmbH ist auch dann gegeben, wenn diese zwar mangels eigener Liquidität die von ihr zu erbringende Ausschüttung nicht leisten kann, sie sich als beherrschende Gesellschafterin einer Tochter-GmbH mit hoher Liquidität indes jederzeit bei dieser bedienen kann, um sich selbst die für ihre Ausschüttung erforderlichen Geldmittel zu verschaffe

BFH Urteil vom 2.12.2014, VIII R 2/12

Begründung:

Einnahmen sind nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, d.h. in dem er über diese wirtschaftlich verfügen kann. Geldbeträge fließen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Bankkonto des Empfängers gutgeschrieben werden. Indes kann auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht. Bei beherrschenden Gesellschaftern ist der Zufluss eines Vermögensvorteils aber nicht erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Gesellschafters, sondern bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung anzunehmen; denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen

Im Streitfall hielt der Kläger 80,98 % der Geschäftsanteile der X GmbH und war daher beherrschender Gesellschafter. Sein Zahlungsanspruch gegen die X GmbH aufgrund der von der X GmbH beschlossenen Vorabausschüttung war –darüber besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit– der Höhe nach eindeutig und unbestritten. Darüber hinaus war der Anspruch auch fällig und richtete sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft.

Zwar hatte die Gesellschafterversammlung der X GmbH die Fälligkeit der Vorabausschüttung auf den 21. Januar 2005 bestimmt. Der Beschluss über die Vorabausschüttung wurde indes bereits im November 2004, d.h. im Streitjahr, von der Gesellschafterversammlung gefasst. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist beim beherrschenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft als Zeitpunkt des Zuflusses von Gewinnanteilen in der Regel der Zeitpunkt der Beschlussfassung anzusehen und zwar selbst dann, wenn in dem Beschluss über die Ausschüttung ein späterer Fälligkeitszeitpunkt bestimmt war. Denn der Anspruch des Gesellschafters einer GmbH auf Auszahlung des Gewinns entsteht mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Gewinns. Er wird nach Fassung des Gewinnverteilungsbeschlusses sofort fällig, wenn nicht die Satzung der GmbH Vorschriften über Gewinnabhebungen oder Auszahlungen zu einem späteren Zeitpunkt enthält. Fehlen nämlich entsprechende Regelungen, hat es der beherrschende Gesellschafter einer zahlungsfähigen GmbH in der Hand, den Fälligkeitszeitpunkt des Auszahlungsanspruchs nach seinem Ermessen zu bestimmen. Er kann damit wirtschaftlich bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über seinen Gewinnanteil verfügen