Zufluss von Scheinrenditen in Schneeballsystemen

Verlangt ein Anleger die Auszahlung fälliger Zins- oder Anlagebeträge vom Betreiber eines Schneeballsystems, ist für die Prüfung von dessen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft im Zeitpunkt einer Gutschriftserteilung oder der Vereinbarung, Renditen wiederanzulegen, nicht erheblich, in welchem Umfang der Anleger Bemühungen entfaltet, um seinen Auszahlungswunsch durchzusetzen, sondern wie der Betreiber des Schneeballsystems auf den Auszahlungswunsch reagiert.

BFH Urteil vom  2.4.2014, VIII R 38/13

Begründung:

Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerin in Höhe der von X bescheinigten und von ihr wiederangelegten Zinserträge in den Streitjahren Einnahmen aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erzielt hat. X war entgegen der Auffassung der Klägerin in beiden Streitjahren leistungsbereit und leistungsfähig. Der Zufluss der in den Steuererklärungen der Klägerin für beide Streitjahre nicht erklärten Zinseinkünfte stellte jeweils eine neue Tatsache gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO dar und berechtigte das FA, die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide der Streitjahre zu ändern. Die Festsetzungsverjährung war für beide Streitjahre im Zeitpunkt der Änderung der Bescheide noch nicht eingetreten. Der behauptete Verfahrensfehler liegt nicht vor.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führen Gutschriften über wiederangelegte Renditen in Schneeballsystemen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 EStG, wenn der Schuldner der Erträge leistungsbereit und leistungsfähig ist.

Eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten kann einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuld zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht.

Für die Annahme fehlender Leistungsfähigkeit und -bereitschaft ist hingegen abweichend von der Auffassung des FG nicht zu fordern, der Anleger müsse vom Betreiber des Schneeballsystems die Auszahlung angeforderter Beträge “massiv einfordern” und der Betreiber des Schneeballsystems diese verweigern. Der Senat verlangt in den Fällen der Gutschrift und der Wiederanlage für den Zufluss nur, der Anleger müsse die Auszahlung dieser Erträge “ohne weiteres Zutun” herbeiführen können. Wird ein berechtigter Auszahlungswunsch des Anlegers hinsichtlich fälliger Zins- oder Darlehensbeträge geäußert, ist somit für die Prüfung der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit nicht erheblich, in welchem Umfang der Anleger Bemühungen entfaltet, um seinen Auszahlungswunsch durchzusetzen, sondern wie der Betreiber auf den Auszahlungswunsch reagiert, ob er insbesondere die sofortige Auszahlung ablehnt, stattdessen über anderweitige Zahlungsmodalitäten verhandelt oder diesen verschleppt.