Keine neue regelmäßigen Arbeitsstätte bei längerfristiger beruflicher Bildungsmaßnahmen

Führt ein vollbeschäftigter Arbeitnehmer eine längerfristige, jedoch vorübergehende berufliche Bildungsmaßnahme durch, so wird der Veranstaltungsort im Allgemeinen nicht zu einer weiteren regelmäßigen Arbeitsstätte i. S. des §9 Abs.1 Satz 3 Nr.4 EStG a. F. Die Fahrtkosten des Arbeitnehmers zu der Bildungseinrichtung sind deshalb nicht mit der Entfernungspauschale, sondern in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen.

BFH Urteil vom 10.04.2008 – VI R 66/05 BFH NV 2008 S.1243
Vorinstanz: Hessisches FG V. 23.9.2005,1 K1313/05 (EFG 2006,101)

Begründung:
Denn liegt eine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vor, so kann sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken. Dies kann etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und ggf. durch eine entsprechende Wohnsitznahme geschehen.
Liegt jedoch keine auf Dauer und Nachhaltigkeit angelegte (regelmäßige) Arbeitsstätte vor, auf die sich der Arbeitnehmer typischerweise in der aufgezeigten Weise einstellen kann, ist eine Durchbrechung der Abziehbarkeit beruflich veranlasster Mobilitätskosten gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 EStG sachlich nicht gerechtfertigt.
Dies gilt nicht nur für Auswärtstätigkeiten, sondern u. a. auch dann, wenn ein vollbeschäftigter Arbeitnehmer mit regelmäßiger Arbeitsstätte eine, zeitlich befristete bzw. nicht auf Dauer angelegte, Bildungseinrichtung an einem anderen Ort aufsucht. Ein solcher Arbeitnehmer hat typischerweise nicht die Möglichkeiten, seine Wegekosten gering zu halten.

Nach diesen Grundsätzen und den im Streitfall vorliegenden Umständen ist die Berufliche Schule in X nicht als weitere regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen.
Die in der Freizeit ausgeübte (Fort-)Bildungsmaßnahme des Klägers erstreckte sich zwar über vier Jahre und war damit längerfristig; sie war indessen vorüber-gehend und nicht auf Dauer angelegt.

Ein Arbeitnehmer ist nicht am Tätigkeitsmittelpunkt (regelmäßige Arbeitsstätte), sondern auch dann auswärts beschäftigt, wenn er einer “längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte” nachgeht

Mit dieser Entscheidung setzt sich der erkennende Senat nicht in Widerspruch zu seinem früheren Urteilen. Bei Erwerbsaufwendungen für eine Bildungsmaßnahme (Vollstudium) können die an eine regelmäßige Arbeitsstätte anknüpfenden Rechtsfolgen zum Zuge kommen. Dies ist jedoch dann anders, wenn ein Arbeitnehmer, wie hier, neben seiner Vollbeschäftigung mit regelmäßiger Arbeitsstätte eine zeitlich befristete Bildungsmaßnahme an einem anderen Ort absolviert.