Kein Nachweis eines niedrigeren Grundstückswerts durch den Bilanzansatz oder durch Ableitung aus dem Kaufpreis für einen Gesellschaftsanteil

Für den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines zum Vermögen einer Gesellschaft gehörenden Grundstücks reicht der Wertansatz des Grundstücks in der Bilanz der Gesellschaft nicht aus.
Der Nachweis eines niedrigeren Grundstückswerts kann regelmäßig auch nicht durch Ableitung aus dem Kaufpreis für einen Gesellschaftsanteil geführt werde.
BFH Urteil vom 25.4.2018, II R 47/15

Begründung:
Die Sache ist spruchreif. Der gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gewordene Bescheid vom 8. März 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Grundbesitzwert in Höhe von 3.380.164 EUR wurde zutreffend nach dem Ertragswertverfahren ermittelt. Ein niedrigerer Grundbesitzwert wurde nicht nachgewiesen.
Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 BewG sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn sie für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sind. Wie sich mittelbar aus § 151 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 BewG ergibt, ist die Frage, ob ein grunderwerbsteuerbarer Tatbestand verwirklicht ist, nicht im Wertfeststellungsverfahren zu prüfen; denn die Entscheidung über die Bedeutung des Grundbesitzwerts für die Grunderwerbsteuer trifft das für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt.
Die Grunderwerbsteuer wird u.a. in Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG nach den Grundbesitzwerten i.S. des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG bemessen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015 vom 2. November 2015, BGBl I 2015, 1834). Die neue Regelung zur Bemessungsgrundlage ist auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2008 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG).

Nach § 157 Abs. 3 Satz 1 BewG sind für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens und für Betriebsgrundstücke i.S. des § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 159 BewG und 176 bis 198 BewG zu ermitteln. Ein Geschäftsgrundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 6 BewG ist gemäß § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG im Ertragswertverfahren (§§ 184 bis 188 BewG) zu bewerten.

Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 182 bis 196 BewG ermittelte Wert, so ist gemäß § 198 Satz 1 BewG dieser Wert anzusetzen. Nach § 198 Satz 2 BewG gelten für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts grundsätzlich die aufgrund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) erlassenen Vorschriften. § 198 BewG entspricht weitgehend der vorher für die Bewertung von Grundbesitz für die Grunderwerbsteuer geltenden Regelung des § 138 Abs. 4 BewG (Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 198 Rz 2).

§ 198 BewG regelt nicht, wie der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zum maßgeblichen Bewertungsstichtag zu führen ist.
Nach der Begründung zur Einführung der Bedarfsbewertung (BTDrucks 13/4839, S. 38, 61) sollte der Nachweis eines niedrigeren tatsächlichen Grundstückswerts regelmäßig durch ein Gutachten eines vereidigten Bausachverständigen oder eines Gutachterausschusses erbracht werden können. Auch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr kurz vor dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommener Kaufvertrag sollte als Nachweis dienen können. Eine Glaubhaftmachung reichte dagegen nicht aus. Dem ist sowohl die Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 2004 II R 69/01, BFHE 207, 352, BStBl II 2005, 259) als auch die Finanzverwaltung (vgl. R B 198 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 der Hinweise zum ErbStG 2013) gefolgt.

Der Steuerpflichtige kann den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks durch Sachverständigengutachten regelmäßig nur durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken führen (BFH-Urteil vom 11. September 2013 II R 61/11, BFHE 243, 376, BStBl II 2014, 363, Rz 31, zu § 146 Abs. 7 BewG a.F.). Bei dem Sachverständigen muss es sich um einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen handeln. Ein Sachverständigengutachten ist regelmäßig zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks geeignet, wenn es unter Beachtung der maßgebenden Vorschriften (insbesondere §§ 194 ff. BauGB) ordnungsgemäß erstellt wurde (BFH-Urteil vom 24. Oktober 2017 II R 40/15, BFHE 260, 80, Rz 13). Ob ein Sachverständigengutachten den geforderten Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung des FG. Der Nachweis ist erbracht, wenn dem Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger gefolgt werden kann.
Ein niedrigerer gemeiner Wert kann auch durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgeblichen Besteuerungsstichtag erzielten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück nachgewiesen werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1153, m.w.N.). Als gewöhnlicher Geschäftsverkehr ist der Handel nach den wirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage zu verstehen, bei dem die Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern in Wahrung ihrer eigenen Interessen handeln (BFH-Urteil vom 26. April 2006 II R 58/04, BFHE 213, 207, BStBl II 2006, 793, m.w.N.).
Diesen anerkannten Mitteln zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Grundstückswerts steht grundsätzlich weder der Rückgriff auf Bilanzansätze noch eine Ableitung aus dem Kaufpreis für den Anteil an einer Gesellschaft gleich, zu deren Vermögen das Grundstück gehört.
Ein Sachverständigengutachten und ein zeitnah erzielter Kaufpreis führen dazu, dass dem Finanzamt und dem FG weitere Ermittlungen und insbesondere Beweisaufnahmen zur Feststellung des gemeinen Werts eines Grundstücks erspart bleiben. Letztlich soll ein eindeutiges Bewertungsergebnis bei vertretbarem Verwaltungsaufwand erzielt werden. Andere Beweismittel müssen diesen Vorgaben ebenfalls gerecht werden.

Der Bilanzwert allein ist weder Indiz noch Nachweis für den gemeinen Wert eines Wirtschaftsguts. Bilanzwerte gerade von Grundstücken liegen regelmäßig deutlich unter dem Verkehrswert (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Mai 2002 II R 61/99, BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598).
Der erforderliche Nachweis des gemeinen Werts eines Grundstücks ist ebenfalls nicht gegeben, wenn beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen der gemeine Wert eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücks aus dem Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile abgeleitet wird. Dies gilt insbesondere, wenn das Vermögen der Gesellschaft nicht nur aus dem zu bewertenden Grundstück besteht, sondern weitere Gegenstände (ggf. auch mit stillen Reserven) umfasst. Rechtlich und tatsächlich sind der Erwerb eines Grundstücks und der Erwerb von Anteilen einer grundbesitzenden Gesellschaft nicht gleichzusetzen.

Zum Gesellschaftsvermögen gehört regelmäßig eine Vielzahl von Wirtschaftsgütern, die nur teilweise und auch nicht zwingend mit dem gemeinen Wert bilanziert werden. Der Kaufpreis für einen Gesellschaftsanteil kann positive oder negative Erwartungen berücksichtigen, die sich (noch) nicht zu einer Bilanzierungspflicht verdichtet haben, so etwa bei nicht entgeltlich erworbenen immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (§ 5 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes) oder bei Risiken, die noch nicht der Rückstellung zugänglich sind. Eine Aufteilung des Kaufpreises für den Gesellschaftsanteil auf einzelne Wirtschaftsgüter ist in der Regel nicht möglich.
Mangels Entscheidungserheblichkeit im Streitfall kann offen bleiben, ob eine Ableitung aus dem Kaufpreis der Gesellschaftsanteile möglich ist, wenn das Grundstück den einzigen Bilanzposten darstellt und die Gesellschaft auch sonst über keine Wirtschaftsgüter verfügt, die in der Bilanz aufzunehmen wären. Ebenso kann dahinstehen, ob der Erwerb von Anteilen an einer Personengesellschaft durch einen Mitgesellschafter angesichts der gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten schon für sich allein die Zuordnung des Kaufs zum “gewöhnlichen Geschäftsverkehr” ausschließt.

Der Kläger hat das Grundstück nach seinen Angaben letztlich gegen Übernahme der Gesellschaftsschulden erworben, so dass –bei ausgeglichener Bilanz– der Bilanzansatz dem “Kaufpreis” entsprechen soll. In der vorgelegten Bilanz der GbR zum 31. Dezember 2010 war das Grundstück –einschließlich der darin enthaltenen Betriebsvorrichtungen– mit 2.810.254,90 EUR nicht das einzige aktivierte Wirtschaftsgut. Daneben waren u.a. noch die Betriebs- und Geschäftsausstattung und Forderungen sowie sonstige Vermögensgegenstände als Aktivvermögen enthalten. Passiviert waren Rückstellungen, Verbindlichkeiten, Rechnungsabgrenzungsposten und ein Verrechnungskonto. Die Bilanzsumme belief sich auf insgesamt 3.353.953,01 EUR. Ohne erheblichen Ermittlungsaufwand ist nicht festzustellen, welche gemeinen Werte die neben dem Grundstück bilanzierten Wirtschaftsgüter aufwiesen und ob sonstige –nicht bilanzierte– Vermögenswerte vorhanden waren. Aus diesem Grund steht auch nicht fest, dass der gemeine Wert des Grundstücks –wie vom Kläger beantragt– nur 2.788.865 EUR beträgt.

Vermietung eines häuslichen Arbeitszimmers an den Auftraggeber eines Gewerbetreibenden

Einkünfte aus der Vermietung eines häuslichen Arbeitszimmers an den Auftraggeber eines Gewerbetreibenden sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn die Vermietung ohne den Gewerbebetrieb nicht denkbar wäre.

Ein steuerlich berücksichtigungsfähiges Arbeitszimmer unterscheidet sich von einer nicht berücksichtigungsfähigen Arbeitsecke durch eine feste bauliche Abgrenzung gegen die privat genutzten Teile der Wohnung.

BFH Urteil vom 13.12.2016, X R 18/12

Begründung:
Als untrennbarer Bestandteil der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin ist die Vermietung steuerlich ebenso zu qualifizieren wie diese. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Vermietung von Wohnraum nur gewerblich sein, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, nach denen die Betätigung des Vermieters als Ganzes gesehen das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen, vom Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erhält, hinter der die bloße Nutzung des Mietobjekts als Vermögensanlage zurücktritt. Ein solches Gepräge entsteht, wenn ein Mietvertrag so eng mit dem Gewerbebetrieb des Steuerpflichtigen verbunden ist, dass er ohne den Gewerbebetrieb nicht denkbar wäre und diesem nach dem gesamten Erscheinungsbild der Verhältnisse als unselbständiger Teil untergeordnet ist. Unter diesen Umständen stellen sich Gewerbebetrieb und Mietvertrag als integrale und durch die gewerbliche Tätigkeit dominierte Einheit dar.

Außerordentliche Einkünfte aus einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit bekommen keine Tarifbegünstigung bei Teilzahlungen

Eine Nachzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung, die insgesamt mehrere Jahre betrifft, ist eine mehrjährige Vergütung i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.

Erfolgt die Auszahlung der Gesamtvergütung in zwei Veranlagungszeiträumen in etwa gleich großen Teilbeträgen, kommt eine Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG nicht in Betracht.

Die Tarifbegünstigung des § 34 EStG knüpft an die Progressionsbelastung durch zugeflossene Einnahmen und grundsätzlich nicht daran an, ob die Modalitäten des Zuflusses vereinbart oder dem Zahlungsempfänger aufgezwungen wurden.

BFH Urteil vom 02.08.2016 – VIII R 37/14 BFHNV 2017 S. 90 ff

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

Die Nachzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung A stellen keine außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 EStG dar. Es fehlt an der erforderlichen Zusammenballung von Einkünften, da die Vergütung für die mehrjährige Tätigkeit nicht in einem Jahr zugeflossen ist.
Nach § 34 Abs. 1 EStG sind außerordentliche Einkünfte ermäßigt zu besteuern. Als außerordentliche Einkünfte kommen gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht. Mehrjährig ist eine Tätigkeit, wenn sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Dies ist bei der Nachzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung A für die Jahre 2000 bis 2004 der Fall. Der Umstand, dass sich die zugeflossene Vergütung aus mehreren Beträgen zusammensetzt, die jeweils einem bestimmten Einzeljahr zugerechnet werden können, steht der Annahme einer Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit nicht entgegen (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2006 IV R 57/05, BFHE 216, 247, BStBl II 2007, 180).

Jedoch werden außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Zwar ist der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal des § 34 EStG. Der unbestimmte Rechtsbegriff der außerordentlichen Einkünfte ist jedoch im Wege der Auslegung zu konkretisieren. Danach sind außerordentliche Einkünfte solche, deren Zufluss in einem Veranlagungszeitraum zu einer für den jeweiligen Steuerpflichtigen im Vergleich zu seiner regelmäßigen sonstigen Besteuerung einmaligen und außergewöhnlichen Progressionsbelastung führen. Diese abzumildern ist der Zweck der Billigkeitsregelung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 14. April 2015 IX R 29/14, BFH/NV 2015, 1354).

Danach liegen typischerweise keine außerordentlichen Einkünfte vor, wenn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in zwei Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835, m.w.N.). Andernfalls könnte die Grenze zwischen außerordentlichen Einkünften i.S. des § 34 EStG und den nach dem Regeltarif zu versteuernden Einkünften nicht hinreichend trennscharf gezogen werden (BFH-Urteil vom 2. September 1992 XI R 63/89, BFHE 171, 416, BStBl II 1993, 831).

Jedoch ist nach der Rechtsprechung des BFH § 34 Abs. 1 EStG trotz des Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen ausnahmsweise auch dann anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhält und die ganz überwiegende Leistung in einem Betrag ausgezahlt wird (z.B. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2015 IX R 46/14, BFHE 251, 331, BStBl II 2016, 214; vom 26. Januar 2011 IX R 20/10, BFHE 232, 471, BStBl II 2012, 659). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da die Nachzahlung in den Streitjahren in nahezu gleich großen Beträgen erfolgte. Es handelt sich nicht um eine geringfügige Nebenleistung i.S. der zitierten BFH-Rechtsprechung.

Auch der Umstand, dass der Klägerin die ratenweise Auszahlung der Vergütung in zwei statt in einem Veranlagungszeitraum von der Kassenärztlichen Vereinigung A aufgezwungen wurde, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Tarifbegünstigung des § 34 EStG knüpft an die Progressionsbelastung durch zugeflossene Einnahmen und nicht daran an, ob die Modalitäten des Zuflusses vereinbart oder dem Zahlungsempfänger aufgezwungen wurden (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 1354).

Berücksichtigung des Barausgleichs des Stillhalters bei Optionsgeschäften als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

Bei Optionsgeschäften führt der im Rahmen des Basisgeschäfts gezahlte Barausgleich vor Einführung der Abgeltungsteuer sowohl beim Stillhalter als auch beim Optionsinhaber zu Einkünften aus Termingeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F.
Der Barausgleich ist beim Stillhalter auch nach Einführung der Abgeltungsteuer als Verlust aus einem Termingeschäft nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG abzugsfähig.
BFH Urteil vom 20.10.2016, VIII R 55/13
Begründung (BFH)
Zahlt der Stillhalter bei einem Optionsgeschäft einen Barausgleich, führt dies zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 20. Oktober 2016 VIII R 55/13 entschieden.
Im Urteilsfall hatte der Kläger vor und nach der Einführung der Abgeltungsteuer am 1. Januar 2009 Verkaufs- und Kaufoptionen auf den Dow Jones Euro-Stoxx-50-Index eingeräumt. Für die Übernahme der Verpflichtung, zum Ende der Laufzeit der Option die Differenz zwischen dem tatsächlichen Schlussabrechnungspreis und dem Basiswert auszugleichen, erhielt er eine Stillhalterprämie. Diese unterlag vor der Einführung der Abgeltungsteuer der Besteuerung nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und wird seit dem 1. Januar 2009 gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG besteuert. Die steuerliche Berücksichtigung des vom Kläger nach Endfälligkeit der Optionen gezahlten Barausgleichs lehnte das Finanzamt (FA) ab. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.
Der BFH gab der Revision des FA statt. Zwar ist der Barausgleich entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung sowohl vor als auch nach Einführung der Abgeltungsteuer als Verlust des Stillhalters aus einem Termingeschäft steuerlich zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts können jedoch Verluste aus dem Barausgleich für Optionen, die vor der Einführung der Abgeltungsteuer eingeräumt wurden und unter die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung fallen, nur mit positiven Einkünften i.S. des § 23 EStG und mit Kapitalerträgen i.S. des § 20 Abs. 1 EStG verrechnet werden. Da die Kläger keine derartigen Einkünfte erzielt hatten, war die Klage mangels Verrechnungsmöglichkeit insoweit unbegründet. Dagegen können Verluste des Stillhalters, die unter die Neuregelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG fallen auch mit positiven Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 1 EStG verrechnet werden. Insoweit hatte die Klage Erfolg, da die Kläger im Streitjahr derartige Einkünfte erzielt hatten. Der BFH sieht diese Ungleichbehandlung aufgrund des grundlegenden Systemwechsels als verfassungsrechtlich gerechtfertigt an.

Treuhändervergütung im Verbraucherinsolvenzverfahren weder Werbungskosten noch außergewöhnliche Belastung

Die Vergütung des Insolvenztreuhänders ist dem Privatbereich des Steuerpflichtigen zuzuordnen und kann deshalb nicht als Werbungskosten abgezogen werden.

Hat der Steuerpflichtige die entscheidende Ursache für seine Zahlungsschwierigkeiten selbst gesetzt, so kann die Insolvenztreuhändervergütung auch nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

BFH Urteil vom 04.08.2016 – VI 47/13

Begründung:

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die Vergütung des Insolvenztreuhänders ist weder bei den Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung noch als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen.

Das FG hat die Insolvenztreuhändervergütung zu Recht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen muss ein Veranlassungszusammenhang bestehen. Eine derartige Veranlassung liegt vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung getätigt werden. Maßgeblich ist, ob bei wertender Beurteilung das auslösende Moment für das Entstehen der Aufwendungen der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen ist.

Nach diesen Grundsätzen ist die Vergütung des Insolvenztreuhänders insgesamt dem Privatbereich des Klägers zuzuordnen und kann deshalb nicht –auch nicht anteilig– als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden.

Zwar war im Streitfall die Finanzierung der Eigentumswohnungen mitursächlich für die Zahlungsschwierigkeiten des Klägers und damit für die spätere Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens mit den entsprechenden Kostenfolgen, u.a. der Insolvenztreuhändervergütung. Objektiv bestand danach ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und den streitigen Aufwendungen. Jedoch hat der Kläger die Aufwendungen nicht zur Förderung der Nutzungsüberlassung getätigt. Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird (§ 1 der Insolvenzordnung –InsO–). Ferner erhält der redliche Schuldner die Chance, sich von seinen Schulden zu befreien (§ 1 i.V.m. §§ 287 Abs. 1, 305 InsO). Das Verbraucherinsolvenzverfahren betrifft damit die wirtschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen als Person und mithin die private Lebensführung, indem es eine geordnete Befriedigung der Gläubiger für den Fall ermöglicht, dass das Einkommen und Vermögen nicht zu deren vollständiger Befriedigung ausreicht. Bei der erforderlichen wertenden Beurteilung kommt diesem privaten Umstand –die Schuldentilgung ist dem Vermögensbereich des Steuerpflichtigen zuzurechnen das entscheidende Gewicht zu. Er ist das “auslösende Moment” für das Entstehen der getätigten Aufwendungen, welche damit insgesamt der Privatsphäre und nicht der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen sind. Die Aufwendungen hierfür sind daher auch dann nicht bei der Einkünfteermittlung abziehbar, wenn –wie im Streitfall zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung– Bezüge zu einzelnen Einkunftsarten vorliegen.

Die Aufwendungen waren auch nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastungen). Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die vorstehend aufgezählten Gründe von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht auszuweichen vermag

Hat der Steuerpflichtige durch sein Verhalten die entscheidende Ursache für die geltend gemachten Aufwendungen selbst gesetzt, kann er sich nicht darauf berufen, er habe sich in einer Zwangslage befunden. Denn es kommt darauf an, ob das der Zahlungsverpflichtung als wesentliche Ursache zugrunde liegende Ereignis als solches für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war. Daher steht es der Abziehbarkeit von außergewöhnlichen Belastungen entgegen, wenn den Steuerpflichtigen ein Verschulden an der Entstehung der Aufwendungen trifft. Denn er hat dann durch sein Verhalten die entscheidende Ursache für die geltend gemachten Aufwendungen selbst gesetzt und kann sich daher nicht darauf berufen, er habe sich in einer Zwangslage.

Das FG ist unter Zugrundelegung der –mittlerweile aufgegebenen zur Abziehbarkeit von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen zu dem Ergebnis gelangt, die Insolvenztreuhändervergütung sei als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG anzuerkennen. Für die Entscheidung des Streitfalls kann offenbleiben, ob Kosten eines Insolvenzverfahrens den Aufwendungen für einen Zivilprozess gleichzustellen sind. Denn die im Streitfall geltend gemachte Vergütung des Insolvenztreuhänders ist bereits nach den angeführten –auch für Zivilprozesskosten geltenden– allgemeinen Grundsätzen nicht nach § 33 EStG steuermindernd zu berücksichtigen.

Im Streitfall hat der Kläger die Ursache für die streitigen Aufwendungen selbst gesetzt. Ihn trifft aufgrund der gewählten Gestaltung beim Erwerb der Eigentumswohnungen ein Verschulden am Eintreten der Überschuldung und mithin der Notwendigkeit eines Insolvenzverfahrens mit entsprechenden Kostenfolgen. Denn nach den Feststellungen des FG war für die Zahlungsschwierigkeiten des Klägers zumindest mitursächlich, dass alle drei vermieteten Wohnungen fremdfinanziert waren und die Mieteinnahmen nicht ausreichten, um die laufenden Kosten einschließlich der Annuitäten für die aufgenommenen Darlehen zu decken. Damit hatte sich der Kläger auf eine Vertragsgestaltung eingelassen, die konkret in der Weise risikobehaftet war, dass die Investitionen sich bereits auf der Grundlage der wirtschaftlichen Lage bei Abschluss der Verträge nicht trugen. Mit den Zahlungsschwierigkeiten hat sich demnach ein Risiko verwirklicht, das schon in der konkreten Gestaltung bei Vertragsabschluss angelegt und nicht etwa auf später eingetretene unvorhersehbare Umstände zurückzuführen war. Es beruhte vielmehr wesentlich auf der vom Kläger eingegangenen Gestaltung. Hat sich der Steuerpflichtige aber auf eine vertragliche und wirtschaftliche Gestaltung eingelassen, die konkret mit Unsicherheiten behaftet ist, deren Risiken sich später realisieren, so hat er die wesentliche Ursache für die hierdurch entstandenen Aufwendungen selbst gesetzt. Sie sind daher nicht zwangsläufig i.S. des § 33 EStG.

Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags infolge Betriebsaufgabe

Führt eine Betriebsaufgabe zur Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags, ist die im Jahr der ursprünglichen Vornahme des Gewinnabzugsbetrags eintretende Gewinnerhöhung Teil des laufenden Gewinns.

BFH Urteil vom 27.04.2016 – X R 16/15 BFH/NV 2016, 1444

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte einen Textil-Einzelhandel geführt. Mitte 2010 erklärte sie die Betriebsaufgabe. Zum 31. Dezember 2007 hatte sie Investitionsabzugsbeträge in Höhe von 12.000 EUR nach § 7g Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes gebildet. Mit der Einkommensteuererklärung 2010 reichte sie eine berichtigte Erklärung für 2007 ein, in der sie den Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 3 EStG i.d.F. des UntStRefG rückgängig machte. Die Gewinnerhöhung von 12.000 EUR erklärte sie als begünstigten Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 4 EStG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) machte den Investitionsabzugsbetrag durch geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 rückgängig und lehnte die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG ab. Mit der Klage machte die Klägerin in erster Linie die Anwendung des § 16 Abs. 4 EStG für das Jahr 2007 geltend. Ihren ursprünglichen Hilfsantrag für das Jahr 2010 verfolgt sie in zweiter Instanz nicht mehr.

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Der aus der Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags resultierende Gewinn des Jahres 2007 ist laufender Gewinn, so dass der Klägerin ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG nicht zusteht.

Nach § 16 Abs. 4 EStG wird unter bestimmten persönlichen, im Streitfall nie umstritten gewesenen Voraussetzungen ein Veräußerungsgewinn auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 EUR übersteigt. Der Veräußerungsgewinn aus einer Veräußerung eines ganzen Gewerbebetriebs oder Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt (§ 16 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils ist für den Zeitpunkt der Veräußerung nach § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 5 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG). Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG gilt als Veräußerung auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs. Bei Ermittlung des Aufgabegewinns treten an die Stelle des nach § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG anzusetzenden Veräußerungspreises nach § 16 Abs. 3 Satz 6 EStG der Veräußerungspreis für die einzelnen dem Betrieb gewidmeten und im Rahmen der Aufgabe veräußerten Wirtschaftsgüter, nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG der gemeine Wert der nicht veräußerten Wirtschaftsgüter sowie die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Aufgabe erzielten sonstigen Erträge.

Der durch die Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG i.d.F. des UntStRefG entstehende Gewinn ist nicht Teil des Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns, insbesondere kein sonstiger im Zusammenhang mit der Aufgabe erzielter Ertrag.

Hatte der Steuerpflichtige eine Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes gebildet, bis zur Betriebsveräußerung das Wirtschaftsgut aber nicht angeschafft oder hergestellt, so war die Ansparabschreibung aufzulösen. Die Auflösung erfolgte ex nunc und erhöhte als sonstiger Ertrag im zuletzt genannten Sinne den Veräußerungsgewinn. Für Aufgabegewinne konnte nichts anderes gelten. Aufgelöste Ansparabschreibungen nahmen daher an der Begünstigung des § 16 Abs. 4 EStG teil.

An die Stelle der vormaligen Auflösung der Ansparabschreibung ex nunc tritt nach § 7g Abs. 3 EStG i.d.F. des UntStRefG die Rückgängigmachung des Abzugs ex tunc, nämlich in dem Wirtschaftsjahr, in dem der Investitionsabzugsbetrag ursprünglich gebildet worden ist. Dieser Korrekturmechanismus schließt die Zuordnung der dadurch bewirkten Gewinnerhöhung zum begünstigten Aufgabegewinn aus (i.E. ebenso HHR/Meyer, § 7g EStG Rz 5 “Verhältnis zu §§ 16, 34”, HHR/Geissler, § 16 EStG Rz 24 a.E.), auch wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Betriebsaufgabe und der gerade durch die Betriebsaufgabe bedingten Rückgängigmachung nicht zu bestreiten ist.

Die Rückgängigmachung eines zu Lasten des laufenden Gewinns vorgenommenen Abzugs kann sich nur zu Gunsten dieses laufenden Gewinns auswirken. Die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags hat schon begrifflich zur Folge, dass die Gewinnermittlung des betreffenden Jahres wieder auf dem Zustand vor dem Abzug beruht, und stellt so die vor dem Abzug bestehenden Verhältnisse wieder her. Insofern ist die Gewinnerhöhung durch Rückgängigmachung in Wahrheit eine Aufhebung der ursprünglichen Gewinnminderung. Wäre sie Teil eines begünstigten Veräußerungs- oder Aufgabegewinns, hätte der zwischenzeitlich vorgenommene Abzug einen Teil des ursprünglich laufenden Gewinns in einen begünstigten Gewinn umgewandelt. Eine derartige Umwidmung wäre gerade keine Rückgängigmachung mehr.

Vielmehr können Ereignisse, die zwar von dem Zeitpunkt der Betriebsaufgabe ausgehen, steuerrechtlich jedoch auf frühere Zeitpunkte oder Zeiträume zurückwirken, den Aufgabegewinn nicht beeinflussen. Das gilt unabhängig davon, ob diese Rückwirkung verfahrensrechtlich auf § 7g Abs. 3 Satz 2, 3 EStG i.d.F. des UntStRefG oder auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu stützen ist. Die steuerliche Rückwirkung ist eine Frage des materiellen Rechts. Ereignisse mit steuerlicher Rückwirkung zeitigen ihre steuerliche Wirkung nicht in dem Veranlagungszeitraum, in dem sie sich ereignen, sondern in dem Veranlagungszeitraum, für den sie steuerlich von Bedeutung sind. Folgerichtig und damit korrespondierend sind dann aber nicht nur spätere Ereignisse, die Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe haben, in die Ermittlung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns einzubeziehen, sondern umgekehrt auch Ereignisse, die zwar im Zusammenhang mit der Veräußerung oder Aufgabe stehen, aber Rückwirkung auf frühere Zeitpunkte haben, aus der Ermittlung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns auszuklammern. Eine Betriebsaufgabe kann grundsätzlich auch den laufenden Gewinn beeinflussen.

Dies entspricht der Behandlung rückwirkender Ereignisse nach Betriebsveräußerung und -aufgabe. Bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebs wirken spätere Veränderungen des Veräußerungspreises nach Maßgabe von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurück und beeinflussen so rückwirkend den Veräußerungsgewinn, und zwar unabhängig davon, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des Erlöses maßgebend waren.

Wenn für die Möglichkeit, den Veräußerungsgewinn rückwirkend zu ändern, die Gründe der Änderung nicht maßgeblich sind, ist es außerdem konsequent, dass für die steuerlichen Folgen aus der Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags, namentlich die Qualifikation als laufender Gewinn, die Gründe der Änderung ebenfalls nicht maßgebend sind. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Rückgängigmachung auf einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe oder auf sonstigen Gründen beruht.

Anwendbarkeit der Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs nach Realteilung einer Personengesellschaft auf Realteiler

Nach der vor Einführung der Regelungen in § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG geltenden Rechtslage kann im Fall der Realteilung mit Buchwertfortführung ein gewinnwirksamer Bilanzierungsfehler der realgeteilten Personengesellschaft nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs bei den Realteilern berichtigt werden.

Der Bilanzansatz für ein in der Gesamthandsbilanz vor der Realteilung vollständig abgeschriebenes Wirtschaftsgut ist fehlerhaft, wenn für dieses Wirtschaftsgut in einer darauf bezogenen negativen Ergänzungsbilanz keine korrespondierenden Zuschreibungen erfolgt sind. Geht dieses Wirtschaftsgut auf Realteiler über, kann die von ihnen fortgeführte negative Ergänzungsbilanz bei ihnen auf Grundlage des formellen Bilanzenzusammenhangs gewinnerhöhend aufgelöst werden.

BFH Urteil vom 20.10.2015, VIII R 33/13

Begründung:

Zu Recht hat das FG bei der Entscheidung über den Hauptantrag die Auffassung des FA bestätigt, dass die negativen Ergänzungsbilanzen der Kläger zu 2. und 3. im Streitjahr gewinnerhöhend aufgelöst werden mussten.

Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass die Kläger zu 2. und 3. bereits während des Bestehens der ABCD-GbR verpflichtet gewesen wären, den in ihrer (gemeinsamen) negativen Ergänzungsbilanz ausgewiesenen Minderwert für den Mandantenstamm durch mit den Abschreibungsbeträgen in der Gesamthandsbilanz korrespondierende Zuschreibungen vollständig gewinnerhöhend aufzulösen (s. zur Fortschreibung der Minderwerte in negativen Ergänzungsbilanzen korrespondierend zu den Wertansätzen in der Gesamthandsbilanz.

Entgegen der Auffassung der Kläger waren die negativen Ergänzungsbilanzen im Streitjahr nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs bei der Klägerin zu 1. aufzulösen.

Eine interpersonelle Geltung der Grundsätze des formellen Bilanzenzusammenhangs hat der BFH bereits in verschiedenen Fallkonstellationen anerkannt. Dies gilt insbesondere für Einbringungen, die gemäß § 24 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) zum Buchwert erfolgen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Besteuerung der bisher nicht erfassten Gewinne (oder Wertsteigerungen) aufgrund der Buchwertfortführung lückenlos gesichert bleibt und als Folge des durch die Buchwertverknüpfung hergestellten Bilanzenzusammenhangs auch die erfolgswirksame Berichtigung fehlerhafter Bilanzansätze des Einbringenden im Rahmen der Gewinnermittlung der aufnehmenden Personengesellschaft nach sich zieht.

Erwerbsaufwendungen für verfallene Termingeschäfte

Verfällt eine Option automatisch mit dem Überschreiten einer bestimmten Kursschwelle durch den zugrunde liegenden Basiswert, ist der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht erfüllt.

BFH Urteil vom 10.11.2015, IX R 20/14

Begründung:

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte i.S. von § 22 Nr. 2 EStG auch Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt. Gemäß § 23 Abs. 3 Sätze 1 und 5 EStG sind bei der Ermittlung des Gewinns oder des Verlustes aus privaten Veräußerungsgeschäften Werbungskosten abzuziehen. Das setzt voraus, dass ein Ergebnis einer nach § 23 Abs. 1 EStG steuerbaren Tätigkeit zu ermitteln ist. Die Abziehbarkeit von Werbungskosten kommt nur in Betracht, wenn es zu einer Ausübung der Option (bei der Ausübung der Option sind die Anschaffungskosten des Optionsrechts abziehbar) oder zu einer Veräußerung (in den Fällen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) oder zu einem anderen steuerrechtlich bedeutsamen Beendigungstatbestand.

Fahrtkosten eines nebenberuflich studierenden Kindes

Leitsatz

Fahrtkosten zwischen der Wohnung und der Universität eines nebenberuflich studierenden Kindes sind als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG a.F. zu qualifizieren und in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen.

BFH Urteil vom 05.02.2015 – IIIR 30/14;BFH/NV 2015. 980

Sachverhalt<.

Streitig ist, ob die Einkünfte des Sohnes des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) im Jahr 2008 den Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) übersteigen.

Der 1985 geborene Sohn des Klägers (S) studierte im Streitjahr an der Universität … und war nebenbei für einen Rundfunk nichtselbständig tätig. Die Einkünfte hieraus betrugen abzüglich der Sozialversicherungsbeiträge und der Werbungskosten 7.822,21 EUR. Zusätzlich vereinnahmte er Honorare für Hörfunk- und Fernsehbeiträge in Höhe von 732,75 EUR. Als Betriebsausgaben fielen 658,80 EUR an.

An besonderen Ausbildungskosten entstanden S nach dem Tatbestand des angefochtenen Urteils an 208 Tagen Fahrtkosten zur 2 km von seiner Wohnung entfernten Universität sowie Absetzungen für Abnutzung (AfA) seines Computers in Höhe von 16,24 EUR.

Begründung:

Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Zwar sind bei der Berechnung der Einkünfte des Kindes die tatsächlichen Kosten für die Fahrten zur Universität und nicht nur die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG anzusetzen. Der Senat kann aber anhand der bisherigen Feststellungen des FG nicht entscheiden, ob dadurch die Einkünfte des Kindes den im Streitjahr maßgeblichen Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG (7.680 EUR) überschreiten.

Für ein Kind, das –wie S im Streitzeitraum– das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und sich in Ausbildung befindet, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld nur, wenn das Kind Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr hat. Der Begriff der Einkünfte entspricht dem in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Bruttoeinnahmen die Werbungskosten und darüber hinaus die Sozialversicherungsbeiträge.

Nach § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG bleiben bei der Ermittlung der Grenze von 7.680 EUR Bezüge außer Ansatz, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, ebenso Einkünfte, die für solche Zwecke verwendet werden. Solche besonderen Ausbildungskosten sind alle über die Lebensführung hinausgehenden ausbildungsbedingten Mehraufwendungen. Ausbildungsbedingte Mehraufwendungen, die nicht bereits als Werbungskosten (§ 9 EStG) im Rahmen einer Einkunftsart des Kindes berücksichtigt werden, sind gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG von der Summe der Einkünfte und Bezüge abzuziehen. Dabei erfolgt die Abgrenzung zwischen Kosten der Lebensführung und dem ausbildungsbedingten Mehrbedarf in der Weise, wie dies im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses zwischen den Kosten der Lebensführung und den durch den Beruf veranlassten Kosten (Werbungskosten) geschieht. Es sind die den Abzug der jeweiligen Aufwendung betreffenden steuerlichen Vorschriften dem Grunde und der Höhe nach zu beachten.

Nach diesen Grundsätzen sind die Fahrtkosten zwischen der Wohnung und der Universität als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG zu qualifizieren. In entsprechender Anwendung der für den Werbungskostenbegriff geltenden Grundsätze ist die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht anzuwenden. Die Fahrtkosten sind vielmehr gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen. Denn die von S besuchte Universität stellt nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BFH keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung dar, da der Begriff der „regelmäßigen Arbeitsstätte” i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG voraussetzt, dass die Leistung des Arbeitnehmers in einer ortsfesten dauerhaften betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers erbracht wird und auch nur im Rahmen bezahlter Arbeit in Betracht kommt. Kosten für Fahrten zur Universität im Rahmen einer Bildungsmaßnahme sind somit uneingeschränkt in tatsächlicher Höhe nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar.

Da die Fahrtkosten zu der Universität ausbildungsbedingte Mehraufwendungen gemäß § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG darstellen, kann dahinstehen, ob diese Aufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen wären.

Das FG hat die Fahrtkosten des S zwischen der Wohnung und der Universität nur mit der Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG angesetzt. Dies ist –wie ausgeführt– nicht zutreffend.

Zwar hat das FG im Tatbestand ausgeführt, dass S an 208 Tagen zur Universität gefahren sei. Diese Feststellung ist für den Senat jedoch nicht bindend i.S. des § 118 Abs. 2 FGO, weil die Familienkasse als Revisionsbeklagte bezüglich dieser Feststellung eine zulässige und begründete Verfahrensgegenrüge erhoben hat.

Das Institut der Gegenrüge ermöglicht es einem Revisionsbeklagten, der aufgrund seines Obsiegens in der Vorinstanz dazu bislang keinen Anlass und keine Möglichkeit hatte, Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz anzugreifen, um zu verhindern, dass die Revisionsinstanz bei einer für ihn ungünstigen rechtlichen Beurteilung des Streitfalls auf der Grundlage der von der Vorinstanz getroffenen, aus seiner Sicht aber unzutreffenden Tatsachenfeststellungen eine ihm nachteilige Revisionsentscheidung trifft. Mit diesem Inhalt ist die Gegenrüge, die unbefristet bis zum Schluss der Revisionsinstanz erhoben werden kann, allgemein. Sind die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung im Urteil falsch dargestellt, so ist dieser Mangel zwar grundsätzlich nicht mit der Verfahrensrüge geltend zu machen, sondern mit dem Antrag auf Tatbestandsberichtigung. Eine Ausnahme gilt jedoch für ein Urteil, das –wie hier– ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, weil bei diesem § 108 FGO nicht anwendbar ist.

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge liegt vor. Die Familienkasse hat geltend gemacht, dass entgegen der Feststellung im Tatbestand des angegriffenen Urteils die Beteiligten sowohl in der Klagebegründung als auch in der Klageerwiderung von 168 Fahrttagen ausgegangen sind. Es ist nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Tatsachen das FG zu dem Schluss gelangte, S sei an 208 Tagen zur Universität gefahren.

Die Familienkasse hat auch in ausreichender Weise dargelegt, dass der Sachverhalt, sofern man bei den Fahrten zur Universität nicht die Entfernungspauschale, sondern gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG die tatsächlichen Kosten ansetzen würde, weiterer Aufklärung bedarf und dass sich bei einer weiteren Sachaufklärung eine Anzahl der Fahrten ergeben könnte, die zur Klageabweisung führen könnte.

Der Senat kann im vorliegenden Fall auch nicht von den von den Beteiligten in den erstinstanzlichen Schriftsätzen übereinstimmend genannten 168 Tagen ausgehen. Diese Zahl wurde vom FG als dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Tatgericht nicht festgestellt.

Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten für Bareinnahmen im Taxigewerbe

Auch Taxiunternehmer, die ihren Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, müssen ihre Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Belege nachweisen.

Die sich aus § 22 UStG i.V.m. §§ 63 bis 68 UStDV ergebende Pflicht zur Einzelaufzeichnung wirkt unmittelbar auch hinsichtlich der Besteuerung nach dem EStG. Taxiunternehmer haben ihre Bareinnahmen jeweils einzeln aufzuzeichnen. Aufgrund der branchenspezifischen Besonderheiten des Taxigewerbes erfüllen die sogenannten Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, die sich aus der Einzelaufzeichnungspflicht ergebenden Mindestanforderungen.

Die Schichtzettel müssen nach den Vorgaben des § 147 Abs. 1 AO aufbewahrt werden. Von der Aufbewahrung dieser Einnahmenursprungsaufzeichnungen kann nur dann abgesehen werden, wenn deren Inhalt täglich – und nicht nur in größeren Zeitabständen – unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird.

Verletzt der Taxiunternehmer seine Aufzeichnungspflicht oder seine Aufbewahrungspflicht, ist das Finanzamt dem Grunde nach zu einer Schätzung gemäß § 162 AO berechtigt.

BFH Beschluss vom 19.03.2015 – III b BFH/NV 2015 Seite 978

Begründung:

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Ehegatten und wurden in den Streitjahren 2005 bis 2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erzielte u.a. Einkünfte aus einem Taxi- und Güterbeförderungsgewerbe mit mehreren Fahrzeugen, für das auch der Kläger fuhr. Ihren Gewinn ermittelte die Klägerin gemäß § 4 Abs. 3 des

Im Jahr 2009 fand eine Außenprüfung statt, die u.a. die Herkunft der verbuchten Bareinnahmen aufklären sollte. Dabei wurde festgestellt, dass die Einnahmen nur einmal wöchentlich erfasst wurden und vollständig ausgefüllte Schichtzettel nicht vorhanden waren. Zudem wurden diverse Einzahlungen vom Privatkonto des Klägers auf das Geschäftskonto der Klägerin ermittelt, die als Privateinlagen verbucht worden waren. Mangels Vorlage der kompletten Kontoauszüge des Klägers und Feststellbarkeit, ob es sich um Privateinlagen oder weitergeleitete Betriebseinnahmen gehandelt hatte, schätzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) Betriebseinnahmen in Höhe der ungeklärten Bareinlagen von jeweils brutto 18.000 EUR (2005), 11.500 EUR (2006) und 21.000 EUR (2007) hinzu und erließ am 22. Dezember 2009 entsprechende Änderungsbescheide. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 14. August 2012).

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen Folgendes aus: Die Schätzung des FA sei gemäß § 162 Abs. 1 und 2 der Abgabenordnung (AO) dem Grunde nach gerechtfertigt gewesen, da die Klägerin die Aufzeichnungen, die sie als Unternehmerin nach § 22 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu führen hatte, nicht habe vorlegen können oder ihre Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden könnten. Die Klägerin habe weder eine Einzelaufzeichnung der Umsätze vorgenommen noch ein in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführtes Kassenbuch geführt. Auch seien die Schichtzettel i.V.m. den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, nicht aufbewahrt worden. Die Hinzuschätzung sei auch der Höhe nach gerechtfertigt, da die ermittelten Reingewinne unter den untersten Richtsätzen für das Taxi- und Gütergewerbe lägen.

Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob Taxiunternehmer Bargeldeinnahmen (Tagesquittungen) täglich in der Buchhaltung erfassen müssen.

Diese Rechtsfrage ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits hinreichend geklärt und damit nicht klärungsbedürftig. Nach dem BFH-Urteil müssen auch bei einem Taxiunternehmer, der seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt, die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen werden. Die sich aus § 22 UStG i.V.m. §§ 63 bis 68 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) ergebende Pflicht zur Einzelaufzeichnung wirkt dabei unmittelbar auch hinsichtlich der Besteuerung nach dem EStG. Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. § 63 Abs. 1 UStDV sind u.a. auch die vereinnahmten Entgelte so aufzuzeichnen, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten. Entgegen der Auffassung der Kläger hat der BFH in der vorgenannten Entscheidung nicht offen gelassen, ob eine Pflicht zu täglichen Aufzeichnungen besteht oder ob auch wöchentliche Aufzeichnungen genügen. Vielmehr hat er ausgeführt, dass jede einzelne Bareinnahme aufzuzeichnen ist, woraus sich ohne weiteres ergibt, dass tägliche und wöchentliche Aufzeichnungen der Bareinnahmen nicht genügen. Von dieser grundsätzlich auch für Taxiunternehmer geltenden Pflicht zur Einzelaufzeichnung der Bareinnahmen macht der BFH aufgrund der branchenspezifischen Besonderheiten des Taxigewerbes nur dann eine Ausnahme, wenn die sog. Schichtzettel in Verbindung mit den Angaben, die sich auf dem Kilometerzähler und dem Taxameter des einzelnen Taxis ablesen lassen, vorhanden sind und nach den Vorgaben des § 147 Abs. 1 AO aufbewahrt werden.

Von der Aufbewahrung dieser Einnahmenursprungsaufzeichnungen kann nur dann abgesehen werden, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird. Insoweit hat der BFH betont, dass die Aufbewahrung der Schichtzettel nur entbehrlich ist, wenn deren Inhalt täglich –und nicht nur in größeren Zeitabständen– nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird. Entsprechend hat der BFH ausgeführt, dass das FA sowohl bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht als auch bei Verletzung der Aufzeichnungspflicht dem Grunde nach zur Schätzung berechtigt ist.

Aus dem von den Klägern in Bezug genommenen BFH-Urteil folgt schon deshalb nichts anderes, weil dieses zu einem buchführenden Kantinenbetrieb und damit zu einem nicht vergleichbaren Fall ergangen ist. Erneuter Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht aus den von den Klägern angeführten Entscheidungen, wonach wesentliche Mängel bei Aufzeichnung der Kasseneinnahmen in Einzelfällen angenommen wurden, weil erst nach 14 Tagen oder nur einmal im Monat Aufzeichnungen vorgenommen wurden. Insoweit haben die Kläger aus den betreffenden Entscheidungen bereits nicht herausgearbeitet, dass –im Umkehrschluss– Aufzeichnungsmängel ausschließlich nach entsprechend langen aufzeichnungsfreien Zeiten angenommen werden. Ebenso wenig ergeben sich aus dem von den Klägern in Bezug genommenen Schreiben der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 23. Februar 2009 an den Taxiverband Deutschland e.V. neue Gesichtspunkte. Auch hierin wird auf die sich aus dem Umsatzsteuerrecht ergebende Pflicht zur Einzelaufzeichnung der vereinnahmten Entgelte hingewiesen. Auch steht es nicht im Widerspruch zu der dargelegten BFH-Rechtsprechung, wenn die Oberfinanzdirektion Karlsruhe keine steuerrechtliche Verpflichtung für Taxiunternehmer zur Dokumentation des eingesetzten Personals, der jeweiligen Arbeitszeiten, der Kilometerleistung der einzelnen Fahrzeuge oder zum Führen sogenannter Schichtzettel erkennt. Denn auch der BFH sieht solche anderen Formen der Aufzeichnung nur als Erleichterung an, die der Taxiunternehmer nicht in Anspruch zu nehmen braucht, wenn er stattdessen jede einzelne Bareinnahme aufzeichnet.

Die Kläger machen geltend, das FG habe auf „amtliche Richtsätze” Bezug genommen, ohne diese näher zu bezeichnen, weshalb sich die Frage stelle, ob das FG die Schätzung des FA habe zugrunde legen dürfen und welche Schätzgrundlage richtigerweise anzuwenden sei.

Hieraus kann allenfalls abgeleitet werden, dass die Kläger von einem Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO ausgehen. Nach dieser Vorschrift sind im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Eine Erörterung aller im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil gebietet die Vorschrift nicht. § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO stellt an die Begründung eines Urteils keine höheren Anforderungen als § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO. Ein Urteil ist nur dann i.S. des § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen, wenn die Urteilsgründe ganz oder zum Teil fehlen und sie den Prozessbeteiligten keine Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht. Dies erfordert nicht, dass jedes Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen erörtert werden müsste. Ein Verfahrensmangel i.S. von § 119 Nr. 6 FGO liegt erst dann vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (BFH-Beschluss vom 6. Februar 2014 II B 129/13, BFH/NV 2014, 708, m.w.N.). Bei nur zum Teil fehlenden Entscheidungsgründen setzt eine Verletzung des § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO grobe Begründungsmängel in einem Ausmaß voraus, dass die vom FG fixierten Entscheidungsgründe zum Nachweis der Rechtmäßigkeit des Urteilsspruchs schlechterdings ungeeignet erscheinen und den Beteiligten keine (hinlängliche) Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Erwägungen das Urteil beruht (BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 708, m.w.N.).

Dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt seien, haben die Kläger nicht schlüssig dargelegt und ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Das FG hat zum einen dargelegt, warum dem Grunde nach eine Schätzung erforderlich ist und warum es hinsichtlich der Höhe des Gewinns keinen inneren, sondern einen äußeren Betriebsvergleich angestellt hat. Ferner hat es im Einzelnen ausgeführt, welche Mindestreingewinnsätze die amtliche Richtsatzsammlung für das Taxigewerbe in den Streitjahren ausgewiesen hat. Dass das FG insoweit keine Fundstelle angegeben hat, stellt jedenfalls vor dem Hintergrund, dass diese Richtsätze vom Bundesministerium der Finanzen im Bundessteuerblatt veröffentlicht werden (s. z.B. Richtsatzsammlung 2006, BStBl I 2007, 574) und die Kläger fachkundig vertreten waren, keinen groben Begründungsmangel dar. Im Übrigen hat das FG entgegen der Darlegung der Kläger nicht die Schätzung des FA ohne eigene nachvollziehbare Schätzung übernommen, sondern die Ergebnisse der Schätzung des FA anhand der Richtsatzsammlung überprüft, wobei es zu dem Ergebnis gelangt ist, dass eine Richtsatzschätzung zu einem deutlich ungünstigeren Ergebnis für die Kläger geführt hätte.

Soweit die Kläger im Übrigen eine falsche Rechtsanwendung und tatsächliche Würdigung des Streitfalls durch das FG im Rahmen der Schätzung rügen, ist dies im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt insbesondere für Einwände gegen die Richtigkeit von Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen, wie Verstöße gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze sowie materielle Rechtsfehler