Macht der Kläger vor dem FG die völlige Wertlosigkeit von bei der Bilanzierung zu berücksichtigenden (künftigen) Forderungen (hier: aus der Umlage von Nebenkostennachforderungen im Gewerberaum Untermietverhältnis) geltend, sind von seinem Klagebegehren regelmäßig auch Wertberichtigungen unterhalb der Schwelle des Totalausfalls mitumfasst.
Für die Quantifizierung “künftiger Vorteile” i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG ist maßgeblich, in welcher Höhe der jeweilige Zukunftsvorteil mit überwiegender Wahrscheinlichkeit realisiert werden wird. In diese einheitliche Rückstellungsbewertung können auch über dem allgemeinen Kreditrisiko liegende spezifische Ausfallrisiken einfließen.
BFH Urteil vom 31.05.2017 – X R 29/15 BFH/NV 2017, 1597
Sachverhalt:
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2008 und 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte in beiden Streitjahren Einkünfte aus der Untervermietung von Lagerräumen und Ladenlokalen (“etwa 5.912 qm und 326 qm”) an “etwa 38 Mieter” (Untermieter) im Gebäudekomplex “X” in B. Diese Einkünfte wurden sowohl vom Kläger als auch vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) als gewerblich behandelt (§ 15 des Einkommensteuergesetzes –EStG–). Die Räumlichkeiten hatte der Kläger vom Eigentümer (Vermieter) angemietet. Den Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 i.V.m. § 5 EStG).
Die vom Kläger ausgewiesenen Gewinne legte das FA erklärungsgemäß den –unter Vorbehalt der Nachprüfung gestellten– Einkommensteuer- bzw. Gewerbesteuermessbescheiden zugrunde. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung beanstandete die Prüferin u.a., der Kläger habe die Einnahmen aus den Untermietverhältnissen (Untermieten, Nebenkosten) nicht debitorisch verbucht (Soll-Versteuerung), sondern seiner Buchführung nur die von ihm in bar vereinnahmten Entgelte zugrunde gelegt (Ist-Versteuerung). Eine Kasse habe er erst ab 2009 geführt. Das FA setzte daraufhin die in den Untermietverträgen vereinbarten Entgelte an und änderte die Steuerfestsetzungen entsprechend ab.
Im Einspruchsverfahren wandten die Kläger ein, wenn schon die Einnahmen des Klägers aus den Untermietverhältnissen nach dem Soll zu verbuchen seien, müsse dies auch für dessen Aufwendungen gelten. Dies betreffe im Besonderen die ebenfalls nicht in die Buchführung einbezogenen Nebenkostenforderungen des Vermieters für 2008 (bis dato keine Abrechnung erteilt) und für 2009 (Abrechnung vom 27. Dezember 2010; Nachforderung in Höhe von 136.246,80 EUR). Letztere sei kreditorisch zu verbuchen. Hinsichtlich der Nebenkosten für 2008 müsse eine Rückstellung in Höhe von 56.811,27 EUR zugelassen werden, was dem Mittelwert der Nachzahlungen für die Jahre 2006 (11.820,62 EUR), 2007 (22.366,40 EUR) und 2009 entspreche.
Dem folgte das FA nicht. Zwar lägen die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten vor. Den geltend gemachten Aufwendungen seien jedoch die –mit den Nachforderungen des Vermieters korrespondierenden– Forderungen des Klägers aus der Nebenkostenumlage gegen die Untermieter entgegenzuhalten. Dadurch würden die Aufwendungen bilanziell
Vor dem Finanzgericht (FG) verfolgten die Kläger das Ziel der Bildung von Rückstellungen in Höhe von 56.000 EUR für 2008 bzw. 136.000 EUR für 2009 weiter. Im Hinblick auf die Nachforderungen gegen die Untermieter trugen sie vor, es sei keinesfalls sicher, ob diese überhaupt beglichen würden; Forderungsausfälle seien im Unternehmen des Klägers eine alltägliche Erfahrung.
Das FG entschied mit in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2016, 1409 veröffentlichtem Urteil, es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen hinsichtlich der an den Vermieter zu leistenden Nebenkostennachzahlungen vorgelegen hätten. Jedenfalls könnten diese nicht mit den vom Kläger angesetzten Beträgen bewertet werden. Vielmehr wären sie allenfalls mit jeweils null EUR anzusetzen, da die betragsmäßig in derselben Höhe bestehenden Nachforderungen gegen die Untermieter als künftige Vorteile i.S. von § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG wertmindernd zu erfassen seien. Hinsichtlich des Jahres 2009 könne offenbleiben, ob die bereits erteilte Nebenkostenabrechnung als wertaufhellende Tatsache dergestalt zu berücksichtigen sei, dass anstelle einer Rückstellung eine Verbindlichkeit gewinnmindernd eingebucht werden müsse. Auch in diesem Fall seien die Nachforderungen gegen die Untermieter in gleicher Höhe zu aktivieren.
Die Behauptung des Klägers, die Untermieter hätten die Nebenkosten in vielen Fällen überhaupt nicht oder nur in geringer Höhe gezahlt, sei nicht geeignet, die begehrten Rückstellungen mit einem höheren Betrag als mit null EUR zu bewerten. Aus den von ihm hierzu vorgelegten Unterlagen ergebe sich lediglich, dass er die Zahlung von Mieten und Nebenkosten bei den Untermietern immer wieder habe anmahnen und beitreiben müssen. Dem Schriftverkehr lasse sich indes nicht entnehmen, dass bereits in den Jahren 2008 und 2009 von einer völligen Wertlosigkeit der Ansprüche auszugehen gewesen sei. Über deren eventuelle Abschreibung wegen Uneinbringlichkeit in künftigen Veranlagungszeiträumen sei vorliegend nicht zu befinden.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts unter drei Aspekten: Es bestehe kein sachlicher Zusammenhang zwischen den Nebenkostennachzahlungen des Klägers und dessen Ansprüchen gegen die Untermieter, das FG habe zu Unrecht keine geringfügigeren Wertberichtigungen jenseits der völligen Wertlosigkeit der Nachforderungen aus der Nebenkostenumlage in Betracht gezogen und die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG sei wegen der Gefahr steuerlicher Doppelbelastungen (Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip) verfassungswidrig. Einen Verfahrensfehler erblicken sie zudem darin, dass ihr Vortrag “hinsichtlich des tatsächlichen Zahlungsausfalls” aufgrund der Einstellung des Untervermietungsbetriebs zum 6. August 2013 gänzlich unberücksichtigt geblieben sei.
Die Kläger beantragen (hinsichtlich der Gewerbesteuermessbescheide der Kläger allein), das FG-Urteil hinsichtlich der Einkommensteuer und der Gewerbesteuermessbeträge 2008 und 2009 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 vom 18. bzw. 9. Januar 2012 sowie die Gewerbesteuermessbescheide 2008 und 2009 vom 20. Januar 2012, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 4. November 2013, dergestalt zu ändern, dass der Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb um 56.000 EUR im Jahr 2008 und um 136.000 EUR im Jahr 2009 gemindert wird.
Das FA teilt die Rechtsauffassung des FG und beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Begründung:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Die Vorentscheidung leidet an lückenhaften Tatsachenfeststellungen zur Gewerblichkeit der Vermietungstätigkeit des Klägers und kann bereits aus diesem Grund keinen Bestand haben. Die fehlenden Feststellungen können in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden. Die Sache ist daher mangels Spruchreife an das FG zurückzuverweisen.
Mangels entsprechender Feststellungen des FG kann der erkennende Senat nicht beurteilen, ob der Kläger als Untervermieter gewerblich tätig und somit eine Rückstellungsbildung und Forderungsaktivierung überhaupt möglich war.
Die vom Kläger begehrte Rückstellungsbildung setzt dessen Berechtigung zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. § 5 EStG voraus. Vorliegend sind die Beteiligten –und daran anknüpfend auch das FG– ohne Weiteres davon ausgegangen, der Kläger erziele Einkünfte aus gewerblicher Vermietung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Im angefochtenen Urteil fehlen jedoch Feststellungen, die es dem Senat ermöglichen nachzuvollziehen, aus welchen Gründen die Untervermietungstätigkeit des Klägers als gewerblich i.S. von § 15 Abs. 2 EStG einzustufen war. Wäre eine solche Gewerblichkeit zu verneinen, lägen Überschusseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) vor, bei denen die vorliegend streitgegenständliche Bilanzierung von vornherein nicht in Betracht käme.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geht das (Unter-)Vermieten einzelner (beweglicher oder unbeweglicher) Gegenstände in der Regel nicht über den Rahmen privater Vermögensverwaltung hinaus. Eine gewerbliche Vermietungstätigkeit ist –anders als z.B. in Fällen der Gewerblichkeit kraft Rechtsform des Vermieters (vgl. § 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes)– erst dann anzunehmen, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, die der Tätigkeit als Ganzes das Gepräge einer gewerblichen Betätigung geben, hinter der die eigentliche Gebrauchsüberlassung des Mietobjekts in den Hintergrund tritt.
Derartige Besonderheiten lassen sich dem FG-Urteil nicht entnehmen. Die Gewerblichkeit der Untervermietung als solche kann von den Beteiligten –im Gegensatz zum zugrunde liegenden Lebenssachverhalt (in den Grenzen des § 76 Abs. 1 FGO)– auch nicht “unstreitig gestellt” werden, weil es sich bei der Einkünftequalifizierung um Rechtsanwendung handelt, die nicht zur Disposition der Parteien steht. Bereits aus diesem Grund kommt der Senat nicht umhin, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Sollte das FG im zweiten Rechtsgang erneut zur Gewerblichkeit der Untervermietungstätigkeit des Klägers kommen, wird es bei der Beurteilung sowohl des Ansatzes als auch der Höhe der in Streit stehenden Rückstellungen folgende weitere Gesichtspunkte beachten müssen:
Das FG hätte sich nicht darauf beschränken dürfen, allein die völlige Wertlosigkeit der Ansprüche des Klägers gegen seine Untermieter zu prüfen. Etwaige, bereits in den Streitjahren vorzunehmende geringfügigere Wertberichtigungen hat es überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Wie die Ausführungen der Kläger erkennen lassen, waren solche jedoch von ihrem Klagebegehren als wesensgleiches Minus mitumfasst.
Zwar haben die Kläger vor Gericht nur absolute Gewinnminderungen um 56.000 EUR (für 2008) bzw. 136.000 EUR (für 2009) beantragt (FG-Urteil, Seite 6). In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass derartige Klageanträge entsprechend dem dahinter stehenden Klagebegehren auszulegen sind und nicht zu eng aufgefasst werden dürfen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage des betroffenen Beteiligten entspricht. Dies waren hier ersichtlich auch unterhalb der Schwelle des Totalausfalls liegende Wertberichtigungen. Die Feststellungslast obliegt dabei auch hinsichtlich eines geringeren Ausfallrisikos nach allgemeinen Grundsätzen den Klägern.
Allerdings hat sich das FG in tatsächlicher Hinsicht bislang zu Recht davon überzeugt, den Klägern sei der ihnen obliegende Nachweis eines bereits zum jeweiligen Bilanzstichtag bzw. innerhalb des Wertaufhellungszeitraums anzunehmenden Totalausfalls sämtlicher Nachforderungen gegen die Untermieter nicht gelungen. Zu der vom Kläger behaupteten Uneinbringlichkeit aller auf die Untermieter umgelegten Nebenkostennachforderungen hat es zusammenfassend festgestellt, aus den vom Kläger übersandten Unterlagen ergebe sich lediglich, dass dieser immer wieder die Zahlung von Mietzinsen und Nebenkosten habe anmahnen und beitreiben müssen. Solches reicht zum Nachweis einer völligen Wertlosigkeit nicht aus. Daran ändert auch das Vorbringen nichts, die Untermieter hätten die Nebenkosten in vielen Fällen überhaupt nicht oder nur in geringer Höhe gezahlt. Daraus ergibt sich vielmehr im Umkehrschluss, dass es durchaus zu Nebenkostenzahlungen gekommen ist, wobei offenbleibt, auf welches Jahr sich diese Aussage bezieht und in welchem Umfang Zahlungen geleistet wurden. Ein Wertansatz mit null EUR lässt sich auf einen derart unsubstantiierten Vortrag keinesfalls stützen.
Dem steht die von den Klägern angeführte Einstellung des Untervermietungsbetriebs zum 6. August 2013, welche hauptsächlich auf nicht einbringliche Forderungen zurückzuführen gewesen sei, nicht entgegen. Dieser Vortrag bezieht sich auf Umstände außerhalb des bis zur fristgemäßen Bilanzerstellung andauernden Wertaufhellungszeitraums und ist daher für die Beurteilung der Streitjahre irrelevant).
Zudem fehlen generell Feststellungen zum Inhalt der streitgegenständlichen Gewerberaum(unter-)mietverträge. Da dies den Gegenstand der (Nach-)Forderungen des Vermieters gegen den Kläger und des Klägers gegen die Untermieter betrifft, kann anhand des angefochtenen Urteils nicht nachvollzogen werden, welche Nebenkosten im Verhältnis der jeweiligen Vertragsparteien zueinander überhaupt umlagefähig sind. Dies ist vorliegend jedoch von entscheidender Bedeutung, weil sich danach die –je nach vertraglicher Gestaltung u.U. abweichende– Höhe der Rückstellungen bzw. der zu passivierenden Verbindlichkeiten richtet. Die Vorinstanz hat unterstellt, dass die Ansprüche des Vermieters gegen den Kläger auf Nebenkostennachzahlung und die diesbezüglichen Ansprüche des Klägers gegen die Untermieter deckungsgleich sind. Das ist indes nicht zwingend.
Zudem hat das FG nicht genügend beachtet, dass die Nebenkostenabrechnung des Vermieters für 2008 auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG (3. September 2014) noch nicht erteilt war (die Abrechnung stand nach Auskunft des Prokuristen der Prozessbevollmächtigten der Kläger selbst im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat noch aus). Dadurch wird beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung die von den Klägern begehrte Rückstellung schon dem Grunde nach und nicht nur, worauf sich die Vorinstanz konzentriert hat, der Höhe nach in Frage gestellt. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten ist nämlich u.a., dass die tatsächliche Inanspruchnahme aus der Verpflichtung am Bilanzstichtag überhaupt zu erwarten ist. Feststellungen zu den Hintergründen der Nichterteilung der Nebenkostenabrechnung für 2008 wurden nicht getroffen und sind daher im zweiten Rechtsgang gegebenenfalls nachzuholen.
Daran anknüpfend wird das FG mit Blick auf die von den Klägern beanspruchte Rückstellungshöhe (Mittelwert aus den Nachforderungen des Vermieters für 2006, 2007 und 2009) der Frage nachgehen müssen, weshalb sich die Nachforderungen des Jahres 2006 auf das Jahr 2007 nahezu verdoppelt und sodann vom Jahr 2007 auf das Jahr 2009 mehr als versechsfacht haben. Der erkennende Senat kann nicht überprüfen, ob die hierfür von dem Prokuristen der Prozessbevollmächtigten der Kläger abgegebene Erklärung plausibel ist, die enormen Kostensteigerungen beruhten im Wesentlichen auf der unsachgemäßen Nutzung der Mieträume (Zustellen von Heizkörpern) sowie Manipulationen an den Lichtschaltern durch die Untermieter.
In Bezug auf die Nebenkostenabrechnung des Vermieters für 2009 ist zu bedenken, dass es sich dabei um vier einzelne Nebenkostenabrechnungen handelt. Diese beziehen sich auf Grundflächen von 326,4 qm, 1 112 qm, 152,4 qm und 5 912,4 qm. Nach den bisherigen Feststellungen hatte der Kläger aber nur Gewerbeeinheiten von “etwa 5.912 qm und 326 qm” ange- bzw. untervermietet. Was es mit den weiteren Gewerbeflächen von 1 112 qm und 152,4 qm auf sich hat, geht aus dem angefochtenen Urteil nicht hervor. Gleichwohl umfasst der von den Klägern für das Jahr 2009 angesetzte Rückstellungsgesamtbetrag auch die Nachforderungen des Vermieters für diese Flächen.
Zu der von der Vorinstanz angewendeten Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG ist zu bemerken, dass die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung und für ihre Minderung aufgrund voraussichtlich mit der Erfüllung der Verpflichtung verbundener Vorteile parallel laufen. Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten darf –neben anderen Voraussetzungen– dem Grunde nach nur dann gebildet werden, wenn die Geltendmachung der Verpflichtung nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag wahrscheinlich ist (s.o.). Entsprechendes gilt für die Gegenrechnung von mit der betreffenden Rückstellung sachlich zusammenhängenden “künftigen Vorteilen”. Dieser einheitliche Bewertungsansatz ist geboten, um die tatsächlich eintretende Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit exakt bemessen zu können.
Was die vorliegend streitige Quantifizierung “künftiger Vorteile” anbetrifft, ist aufgrund des genannten Gleichlaufs ebenfalls maßgeblich, in welcher Höhe der jeweilige Zukunftsvorteil mit überwiegender Wahrscheinlichkeit realisiert werden wird. Dies ist –allgemeinen Regeln der Rückstellungsbildung folgend auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen. Sind Geldforderungen als “künftiger Vorteil” zu erwarten, ist für deren kompensatorische Berücksichtigung zunächst auf ihren voraussichtlichen Nennwert abzustellen. Davon ausgehend können u.a. etwaige über das allgemeine Kreditrisiko hinausgehende spezifische Ausfallrisiken in die einheitliche Rückstellungsbewertung miteinfließen, wobei den Steuerpflichtigen für solche steuermindernden Umstände die Darlegungs- und Beweislast trifft (s.o.). Auch betriebliche Erfahrungen der Vergangenheit sowie wertaufhellende Umstände sind bei der insoweit anzustellenden Gesamtbetrachtung berücksichtigungsfähig. Nicht in Betracht kommt dagegen der Ansatz eines von den Umständen des Einzelfalls losgelösten branchenüblichen Sicherheitsabschlags.
Die von den Klägern gegen § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht. Die von ihnen gesehene Gefahr eines Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip (zweimalige Gewinnerhöhung, einmal im Zeitpunkt der Rückstellungsbildung durch die Gegenrechnung “künftiger Vorteile” und ein weiteres Mal durch eine gewinnwirksame Auflösung der Rückstellung bei Betriebseinstellung) ist nicht erkennbar. Die Rückstellung wirkt sich –auch in ihrer aufgrund der Vorteilsanrechnung geminderten Höhe– in demselben Umfang gewinnmindernd aus, wie sie im Falle ihrer Auflösung den Gewinn erhöht. Dazu bedarf es keiner wie auch immer gearteten weitergehenden Kompensation des Ausfalls der Nachzahlungen der Untermieter.
In Anknüpfung an die Rechtsausführungen der Beteiligten weist der Senat zuletzt noch auf folgende Gesichtspunkte hin:
Da eine eventuell zum 31. Dezember 2008 zu bildende Rückstellung nicht nur zu diesem Stichtag, sondern auch zum 31. Dezember 2009 bewertet werden muss, wird im Streitfall hinsichtlich der “künftigen Vorteile” zu berücksichtigen sein, dass sich die Bonität der Untermieter von Jahr zu Jahr verändern, also sich verschlechtern oder gegebenenfalls auch wieder ins Positive wenden kann. Die diesbezügliche Prognose ist insoweit jeweils neu anzustellen.
Hinsichtlich einer etwaigen Wertaufhellung durch die Nebenkostenabrechnung für 2009 müsste wie folgt differenziert werden:
Läge die Erteilung der Nebenkostenabrechnung zeitlich nach dem –vom FG nicht festgestellten– Tag der fristgemäßen Bilanzerstellung für 2009, könnte der vom Vermieter geltend gemachte Nachforderungsbetrag nicht mehr als wertaufhellender Umstand verwertet werden (Nachweise unter II.2.a bb). Stattdessen könnte sich die Höhe der Rückstellung für die Nebenkostennachforderung 2009 –unbeschadet einer gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG vorzunehmenden Abzinsung– dann nur an den zum Bilanzstichtag bereits bekannten (niedrigeren) Vorjahreswerten orientieren.
Demgegenüber müsste anstelle der Rückstellung eine Verbindlichkeit des Klägers in der vom Vermieter abgerechneten bzw. zutreffenderweise abzurechnenden Höhe passiviert werden, wenn der Erteilungszeitpunkt innerhalb des Wertaufhellungszeitraums gelegen hätte.
Der Anspruch auf Nachzahlung von Nebenkosten richtet sich bei Mietverhältnissen über Gewerberäume mangels entsprechender Verweisung in § 578 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht nach § 556 BGB i.V.m. der Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003 (BGBl I 2003, 2346), sondern resultiert unmittelbar aus den jeweiligen Mietverträgen. Der Zugang der Nebenkostenabrechnung des Vermieters wirkt sich dabei gemäß § 271 BGB so aus, dass eventuelle –mietvertraglich bereits begründete– Nachforderungen erst ab diesem Zeitpunkt hinreichend konkretisiert und damit fällig werden.
Wie bereits ausgeführt, ist im Streitfall bislang nicht zweifelsfrei festgestellt, inwiefern derartige Vereinbarungen zwischen den jeweiligen Vertragsparteien bestanden.
Diese mietrechtliche Lage bedingt, dass Nebenkostennachforderungen in der Steuerbilanz bis zum Zugang der Abrechnung in Form von Rückstellungen für der Höhe nach noch ungewisse Verbindlichkeiten abzubilden sind. Ist die Abrechnung erteilt und steht damit die Nachforderungshöhe fest, ist die jeweilige Rückstellung aus- und eine Verbindlichkeit in abgerechneter Höhe einzubuchen.
Soweit zu den Verbindlichkeiten des Klägers Nachzahlungsansprüche gegen die Untermieter korrespondieren (aus den unter II.2.b genannten Gründen ist diese Spiegelbildlichkeit nicht zwingend), gilt entsprechend, dass eine Forderungsaktivierung nur erfolgen kann, wenn und soweit die umlagefähige Höhe der Nebenkosten aufgrund der Vermieterabrechnung feststeht.
Zwar sind Forderungen nach der Rechtsprechung u.a. des erkennenden Senats bereits dann in der Steuerbilanz auszuweisen, wenn die für ihre Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann. Dabei ist es für die Gewinnrealisierung im Grundsatz ohne Belang, ob am Bilanzstichtag bereits die Rechnung erteilt worden ist, die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder ob der Fälligkeitszeitpunkt erst nach dem Bilanzstichtag liegt. Dies bezieht sich allerdings auf den Fall, dass die noch ausstehende Abrechnung durch den Steuerpflichtigen selbst vorgenommen wird. Hängt die Höhe einer durch Abrechnung noch wesentlich zu konkretisierenden Forderung zusätzlich von Abrechnungshandlungen einer dritten, außerhalb der Einflusssphäre des Steuerpflichtigen stehenden Person oder Stelle ab, mangelt es hingegen an der für eine Forderungsaktivierung notwendigen Gewissheit.