Zur Umsatzsteuerbefreiung von Subunternehmerleistungen im Bereich der ambulanten Eingliederungshilfe

Leistungen im Bereich der ambulanten Eingliederungshilfe, die eine selbständig tätige Psychologische Beraterin als “sonstige qualifizierte Person” gegenüber zugelassenen Anbietern für hilfsbedürftige Personen erbringt, waren im Jahr 2010 nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k (jetzt: Buchst. l) UStG steuerfrei, wenn diese Leistungen aufgrund eines Hilfeplans vom Träger der Sozialhilfe bewilligt und mittelbar vergütet wurden.

BFH Urteil vom 13.6.2018, XI R 20/16

Begründung:

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin als Subunternehmerin im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe an die Leistungserbringer B und C ausgeführten Umsätze steuerfrei sind. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, dass die Steuerfreiheit der im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe an B und C erbrachten Leistungen aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 folgt. Hinsichtlich der verbleibenden an D sowie E ausgeführten Umsätze in Höhe von … EUR und … EUR kommt die Kleinunternehmerregelung zur Anwendung, so dass es die Umsatzsteuer für das Streitjahr zu Recht auf 0 EUR festgesetzt hat.
Die Klägerin war im Streitjahr –was das FG konkludent vorausgesetzt hat und zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht– im Bereich der ambulanten Eingliederungshilfe selbständig tätig. Sie hat als Unternehmerin i.S. von § 2 Abs. 1 UStG steuerbare Leistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG im Rahmen ihres Unternehmens ausgeführt.

Kein ermäßigter Steuersatz für die Lieferung von Holzhackschnitzeln

Aus Rohholz gewonnene Holzhackschnitzel sind zolltariflich –je nach Holzart– entweder in die Unterpos. 4401 21 KN (Nadelholz in Form von Schnitzeln) oder in die Unterpos. 4401 22 KN (anderes Holz in Form von Schnitzeln) und somit nicht als Brennholz in “ähnlicher Form” (ähnlich wie in Form von Rundlingen, Scheiten, Zweigen oder Reisigbündeln) in die Unterpos. 4401 10 KN einzureihen, selbst wenn die Holzhackschnitzel als Brennstoff verwendet werden. Ihre Lieferung unterliegt deshalb nicht dem ermäßigten Steuersatz gemäß Nr. 48 Buchst. a der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG.
Der ermäßigte Steuersatz für die Lieferung von Spänen, Holzabfällen und Holzausschuss gemäß Nr. 48 Buchst. b der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG findet keine Grundlage in der MwStSystRL.
Da auf die Lieferung von Holzhackschnitzeln –gleich aus welchem Holz gewonnen– der ermäßigte Steuersatz unionsrechtlich nicht anzuwenden ist, kann seine Anwendung auf aus Rohholz gewonnene Holzhackschnitzel auch nicht auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer gestützt werden.

BFH Urteil vom 26.6.2018, VII R 47/17

Begründung:
Die Lieferung der streitgegenständlichen Holzhackschnitzel unterliegt nicht dem ermäßigten Steuersatz gemäß Nr. 48 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG.
12 Abs. 2 Nr. 1 UStG schreibt i.V.m. Nr. 48 Buchst. a der vorgenannten Anlage für die Lieferung von “Brennholz in Form von Rundlingen, Scheiten, Zweigen, Reisigbündeln oder ähnlichen Formen” der Unterpos. 4401 10 00 KN den ermäßigten Steuersatz vor. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift werden Holzhackschnitzel hiervon nicht erfasst. Da “Holz in Form von Schnitzeln” in die Unterpos. 4401 21 oder 4401 22 KN einzureihen ist, verbietet sich die Annahme, Holzhackschnitzel könnten als Brennholz “in ähnlicher Form” wie Rundlinge, Scheite etc. der Unterpos. 4401 10 00 KN angesehen werden. Einer Auslegung dieser Tarifvorschrift unter Heranziehung der Erläuterungen zur KN, die –anders als das FG meint– nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sowie des erkennenden Senats nicht verbindlich, sondern lediglich wichtige Hilfsmittel für die Auslegung der KN sind, bedarf es daher nicht. Ebenso wenig kommt es in Betracht –wie das FG München meint (Urteil vom 19. Dezember 2017 2 K 668/16, EFG 2018, 509)–, die Unterpos. 4401 10 00 KN mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal “ähnliche Formen” im (vermeintlichen) Sinn der MwStSystRL auszulegen, denn die Frage der Einreihung von Gegenständen in Positionen oder Unterpositionen ist –wie ausgeführt– ausschließlich nach zolltariflichen Vorschriften und Begriffen zu beantworten.

Die von der Klägerin gelieferten Holzhackschnitzel gehören auch nicht zu den in Nr. 48 Buchst. b der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG beschriebenen Gegenständen. Zu diesen gehören “Sägespäne, Holzabfälle und Holzausschuss, auch zu Pellets, Briketts, Scheiten oder ähnlichen Formen zusammengepresst” der Unterpos. 4401 30 KN, die in der im Streitjahr geltenden Fassung der KN hinsichtlich der Warenbeschreibung –allerdings unter Verlust ihrer bisherigen Positionsnummer– inhaltlich unverändert geblieben ist, wie das FG zutreffend erkannt hat, so dass sie für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes weiterhin herangezogen werden kann. Die Holzhackschnitzel des Streitfalls wurden nach den Feststellungen des FG jedoch nicht aus Sägespänen, Holzabfällen oder Holzausschuss hergestellt, sondern aus bei Waldarbeiten angefallenem Schnitt- und Kronenholz, bei dem es sich nicht um Abfälle oder Ausschuss, sondern um Rohholz der Pos. 4403 KN handelt (vgl. Erläuterungen zum Harmonisierten System –ErlHS– zu Pos. 4403 Rz 01.0).

Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob aus Holzabfällen oder Holzausschuss gewonnene Holzhackschnitzel zolltariflich überhaupt in die Unterpos. 4401 30 KN (jetzt 4401 31 KN) einzureihen sind oder ob nicht auch insoweit den Unterpos. 4401 21 oder 4401 22 KN (jedenfalls gemäß Nr. 3 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Nr. 6 der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur –AV–) der Vorrang zukommt.

EuGH-Vorlage zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung einer teilweise durch EU-Beihilfen subventionierten Lieferung

1. NV: Ist unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, in denen eine Erzeugerorganisation im Sinne des Art. 11 Abs. 1, Art. 15 der VO Nr. 2200/96 an die ihr angeschlossenen Erzeuger Gegenstände liefert und hierfür von den Erzeugern eine nicht den Einkaufspreis deckende Zahlung erhält,
a) NV: vom Vorliegen eines Tauschs mit Baraufgabe auszugehen, weil sich die Erzeuger im Gegenzug für den Umsatz gegenüber der Erzeugerorganisation vertraglich verpflichtet haben, die Erzeugerorganisation für die Dauer der Zweckbindungsfrist mit Obst und Gemüse zu beliefern, so dass Besteuerungsgrundlage des Umsatzes der von der Erzeugerorganisation an die Vorlieferanten gezahlte Einkaufspreis für die Investitionsgüter ist?
b) NV: der Betrag, den tatsächlich der Betriebsfonds für den Umsatz an die Erzeugerorganisation zahlt, in voller Höhe eine “unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängende Subvention” im Sinne des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, so dass die Besteuerungsgrundlage auch die finanzielle Beihilfe im Sinne des Art. 15 der VO Nr. 2200/96 umfasst, die dem Betriebsfonds aufgrund eines operationellen Programms gewährt worden ist?
2. NV: Falls nach der Antwort auf Frage 1 als Besteuerungsgrundlage nur die von den Erzeugern geleisteten Zahlungen, nicht aber die Lieferverpflichtung und die finanzielle Beihilfe anzusetzen sind: Steht unter den in Frage 1 genannten Umständen Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG einer auf Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG gestützten nationalen Sondermaßnahme wie § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG entgegen, nach der die Besteuerungsgrundlage der Umsätze an die Erzeuger der von der Erzeugerorganisation an die Vorlieferanten gezahlte Einkaufspreis für die Investitionsgüter ist, weil die Erzeuger nahestehende Personen sind?
3. NV: Falls die Frage 2 verneint wird: Gilt dies auch dann, wenn die Erzeuger zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, weil die Investitionsgüter der Berichtigung der Vorsteuerabzüge (Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG) unterliegen?
BFH Beschluss (EuGH-Vorlage) vom 13.6.2018, XI R 6/17

Begründung (BFH):
Der Bundesfinanzhof (BFH) ersucht den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um Klärung, ob Subventionen der Europäischen Union (EU) mit Umsatzsteuer belastet werden dürfen. Die beiden Vorlagebeschlüsse vom 13. Juni 2018 XI R 5/17 und XI R 6/17 betreffen finanzielle Beihilfe im Rahmen der Gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse.

In den Streitfällen förderte die EU im Rahmen von sog. „Operationellen Programmen“ (u.a. z.B. zur Sicherstellung einer nachfragegerechten Erzeugung, zur Senkung von Produktionskosten oder zur Förderung umweltgerechter Wirtschaftsweisen) Investitionen in Einzelbetrieben von Mitgliedern der Klägerinnen, beide Erzeugerorganisationen für Obst und Gemüse. Es handelte sich um eine finanzielle Beihilfe i.S. des Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 2200/96 des Rates vom 28. Oktober 1996 über die gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse.
Plante ein Erzeuger, der Mitglied einer Erzeugerorganisation war, den Erwerb eines förderfähigen Investitionsguts, bestellte es die Erzeugerorganisation und übertrug dem Erzeuger daran zunächst nur das hälftige Miteigentum. Erst nach Ablauf der Zweckbindungsfrist (von 5 oder 12 Jahren) wurde der Erzeuger Alleineigentümer.

Die Erzeugerorganisation stellte dem Erzeuger für das Investitionsgut lediglich 50 % ihrer Nettoanschaffungskosten zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung. Die restlichen 50 % wurden von einem Betriebsfonds gezahlt, der je zur Hälfte aus Beiträgen der in der Erzeugerorganisation zusammengeschlossenen Erzeuger und der finanziellen Beihilfe gespeist wurde. Der Erzeuger verpflichtete sich daneben, die Erzeugerorganisation während der Zweckbindungsfrist mit Obst und Gemüse zu beliefern.
Finanzamt und das Finanzgericht gingen mit unterschiedlicher Begründung davon aus, dass der volle Einkaufspreis der Erzeugerorganisation Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer sei.
Diese Ansicht hat der BFH in seinem Vorlagebeschluss geteilt und außerdem die Ansicht vertreten, die Lieferverpflichtung der Erzeuger könne in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sein. Er hält es allerdings unionsrechtlich für zweifelshaft, ob all dies dazu führen dürfe, dass im Ergebnis die finanzielle Beihilfe der EU die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer erhöht und daher mit Umsatzsteuer belastet wird.

Änderung der Rechtsprechung zu den Rechnungsanforderungen in § 14 Abs. 4 UStG

Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung setzt nicht voraus, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist (Änderung der Rechtsprechung).
Es reicht jede Art von Anschrift und damit auch eine Briefkastenanschrift, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist.
BFH Urteil vom 21.6.2018, V R 25/15

Begründung:
Eine Rechnung muss für den Vorsteuerabzug eine Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten, unter der er postalisch erreichbar ist. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung mit Urteilen vom 21. Juni 2018 V R 25/15 und V R 28/16 entschieden hat, ist es nicht mehr erforderlich, dass die Rechnung weitergehend einen Ort angibt, an dem der leistende Unternehmer seine Tätigkeit ausübt.

Bei der Umsatzsteuer setzt der Vorsteuerabzug aus Leistungsbezügen anderer Unternehmer eine Rechnung voraus, die –neben anderen Erfordernissen– die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers angibt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes).
Im ersten Fall (V R 25/15) erwarb der Kläger, ein Autohändler, Kraftfahrzeuge von einem Einzelunternehmer, der “im Onlinehandel” tätig war, ohne dabei ein “Autohaus” zu betreiben. Er erteilte dem Kläger Rechnungen, in denen er als seine Anschrift einen Ort angab, an dem er postalisch erreichbar war.

Der BFH bejahte in dem Fall den Vorsteuerabzug mit ordnungsgemäßen Rechnungen. Für die Angabe der “vollständigen Anschrift” des leistenden Unternehmers reiche die Angabe eines Ortes mit “postalischer Erreichbarkeit” aus. Die Rechtsprechungsänderung beruht auf dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Geissel und Butin vom 15. November 2017 C 374/16 und C 375/16, EU:C:2017:867, das auf Vorlage durch den BFH ergangen ist.
Die Rechtsprechungsänderung ist für Unternehmer, die nach ihrer Geschäftstätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, von großer Bedeutung. Die Frage, ob bei der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ordnungsgemäße Rechnungen vorliegen, ist bei ihnen regelmäßig Streitpunkt in Außenprüfungen. Die neuen Urteile des BFH erleichtern die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs.

Rechnungsanforderungen in § 14 Abs. 4 UStG keine wirtschaftliche Tätigkeit bei der Anschrift

Leitsätze
Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung setzt nicht voraus, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist (Änderung der Rechtsprechung).

Es reicht jede Art von Anschrift und damit auch eine Briefkastenanschrift, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist.
Sind die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Entstehung und Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt, ist es mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug zu sanktionieren.

BFH Urteil vom 21.6.2018, V R 28/16

Begründung:

Im zweiten Fall (V R 28/16) bezog die Klägerin als Unternehmer in neun Einzellieferungen 200 Tonnen Stahlschrott von einer GmbH. In den Rechnungen war der Sitz der GmbH entsprechend der Handelsregistereintragung als Anschrift angegeben. Tatsächlich befanden sich dort die Räumlichkeiten einer Anwaltskanzlei. Die von der GmbH für die Korrespondenz genutzte Festnetz- und Faxnummer gehörten der Kanzlei, die als Domiziladresse für etwa 15 bis 20 Firmen diente. Ein Schreibtisch in der Kanzlei wurde gelegentlich von einem Mitarbeiter der GmbH genutzt.

Der BFH bejahte in dem Fall den Vorsteuerabzug mit ordnungsgemäßen Rechnungen. Für die Angabe der “vollständigen Anschrift” des leistenden Unternehmers reiche die Angabe eines Ortes mit “postalischer Erreichbarkeit” aus. Die Rechtsprechungsänderung beruht auf dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Geissel und Butin vom 15. November 2017 C 374/16 und C 375/16, EU:C:2017:867, das auf Vorlage durch den BFH ergangen ist.
Die Rechtsprechungsänderung ist für Unternehmer, die nach ihrer Geschäftstätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, von großer Bedeutung. Die Frage, ob bei der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ordnungsgemäße Rechnungen vorliegen, ist bei ihnen regelmäßig Streitpunkt in Außenprüfungen. Die neuen Urteile des BFH erleichtern die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs.

EuGH-Vorlage zur Umsatzbesteuerung von Vereinen

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
ommt Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL, nach dem “bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben”, unmittelbare Wirkung zu, so dass sich Einrichtungen ohne Gewinnstreben bei fehlender Umsetzung unmittelbar auf diese Bestimmung berufen können?

Bei Bejahung der ersten Frage: Handelt es sich bei der “Einrichtung ohne Gewinnstreben” i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL um
– einen autonom unionsrechtlich auszulegenden Begriff oder
– sind die Mitgliedstaaten befugt, das Vorliegen einer derartigen Einrichtung von Bedingungen wie § 52 i.V.m. § 55 AO (oder den §§ 51 ff. AO in ihrer Gesamtheit) abhängig zu machen?
Falls es sich um einen autonom unionsrechtlich auszulegenden Begriff handelt: Muss eine Einrichtung ohne Gewinnstreben i.S. von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL über Regelungen für den Fall ihrer Auflösung verfügen, nach denen sie ihr dann vorhandenes Vermögen auf eine andere Einrichtung ohne Gewinnstreben zur Förderung von Sport und Körperertüchtigung zu übertragen hat?
BFH Beschluss (EuGH-Vorlage) vom 21.6.2018, V R 20/17

Begründung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) zweifelt an der Umsatzsteuerfreiheit von Leistungen, die Sportvereine gegen gesondertes Entgelt erbringen. Mit Beschluss vom 21. Juni 2018 V R 20/17 hat er daher ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet.
Im Streitfall erbrachte der Kläger, ein Golfverein, verschiedene Leistungen gegen gesondert vereinbartes Entgelt. Dabei handelte es sich insbesondere um die Berechtigung zur Nutzung des Golfspielplatzes (Greenfee), um die leihweise Überlassung von Golfbällen für das Abschlagstraining mittels eines Ballautomaten und um die Durchführung von Golfturnieren, bei denen der Kläger Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte. Das beklagte Finanzamt sah diese Leistungen als umsatzsteuerpflichtig an. Demgegenüber bejahte das Finanzgericht eine Steuerfreiheit, die sich zwar nicht aus dem nationalem Recht, aber aus dem Unionsrecht und dabei aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) ergebe.

Hieran zweifelt der BFH. Aus der Rechtsprechung des EuGH (EuGH-Urteil British Film Institute vom 15. Februar 2017 C-592/15, EU:C:2017:117) könne abgeleitet werden, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL keine unmittelbare Wirkung zukomme, so dass sich Steuerpflichtige auf diese Bestimmung nicht berufen können, um sich gegen eine Steuerpflicht nach nationalem Recht zu wehren.
Sollte der EuGH eine unmittelbare Wirkung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL verneinen, würde dies zu einer Rechtsprechungsänderung führen. Denn der BFH hat in der Vergangenheit eine unmittelbare Wirkung und Berufbarkeit bejaht. Dies führte insbesondere zu einer aus dem Unionsrecht abgeleiteten Steuerfreiheit für die Berechtigung zur Nutzung des Golfspielplatzes (Greenfee) und für die leihweise Überlassung von Golfbällen.
Nicht streitig ist in der nunmehr beim EuGH anhängigen Rechtssache, ob Golfvereine, die von ihren Mitgliedern Vereinsbeiträge erheben, auch insoweit steuerpflichtige Leistungen erbringen.

EuGH-Vorlage zur Anwendung der Kleinunternehmerregelung bei der Differenzbesteuerung unterliegenden Wiederverkäufern

Ist in Fällen der Differenzbesteuerung nach Art. 311 ff. der Richtlinie 2006/112/EG die Bestimmung des Art. 288 Satz 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG dahingehend auszulegen, dass für die Bemessung des danach maßgeblichen Umsatzes bei der Lieferung von Gegenständen nach Art. 314 der Richtlinie 2006/112/EG gemäß Art. 315 der Richtlinie 2006/112/EG auf die Differenz zwischen dem geforderten Verkaufspreis und dem Einkaufspreis (Handelsspanne) abzustellen ist?
BFH Beschluss (EuGH-Vorlage) vom 7.2.2018, XI R 7/16

Begründung:
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) soll auf Vorlage des Bundesfinanzhofs (BFH) klären, ob für die Kleinunternehmerregelung in Fällen der sog. Differenzbesteuerung auf die Handelsspanne abzustellen ist. Der Vorlagebeschluss des BFH vom 7. Februar 2018 XI R 7/16 ist für die Umsatzbesteuerung im Handel mit gebrauchten Gegenständen von großer Bedeutung.
Bei Kleinunternehmern wird die Steuer nach § 19 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht erhoben, wenn der Umsatz zuzüglich Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17 500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50 000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Im Streitfall betrugen die Umsätze eines der Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG unterliegenden Gebrauchtwagenhändlers bei einer Berechnung nach Verkaufspreisen 27.358 € (2009) und 25.115 € (2010).
Die Bemessungsgrundlage ermittelte der Gebrauchtwagenhändler demgegenüber gemäß § 25a Abs. 3 UStG nach der Differenz zwischen Verkaufs- und Einkaufspreis (Handelsspanne) mit 17.328 € und 17.470 €. Er nahm deshalb an, dass er Kleinunternehmer i.S. des § 19 UStG sei und keine Umsatzsteuer schulde. Das Finanzamt folgte dem nach der mit Wirkung vom 1. Januar 2010 geänderten Verwaltungsauffassung nicht und versagte die Anwendung der Kleinunternehmerregelung für das Jahr 2010. Der Gesamtumsatz des Klägers habe in dem vorangegangenen Kalenderjahr 2009 über der Grenze von 17.500 € gelegen. Das Finanzgericht gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt.
Dagegen hält der BFH, der dazu neigt, zur Ermittlung der betreffenden Umsatzgrößen auf die Differenzbeträge abzustellen, eine Klärung durch den EuGH für erforderlich. Dies beruht darauf, dass an der Auslegung des Art. 288 Satz 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, an deren Vorgaben sich das nationale Umsatzsteuerrecht aufgrund einer europarechtlichen Harmonisierung zu orientieren hat, Zweifel bestehen.
Bei Zweifeln an der Auslegung derartiger Richtlinien ist der BFH zur Einleitung von Vorabentscheidungsersuchen verpflichtet.

Rechnungsangaben beim Vorsteuerabzug fehlender Leistungszeitpunkt

Die Angabe des Kalendermonats als Leistungszeitpunkt (§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG i.V.m. § 31 Abs. 4 UStDV) kann sich unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung ergeben, wenn nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalls davon auszugehen ist, dass die Leistung in dem Monat bewirkt wurde, in dem die Rechnung ausgestellt wurde.
BFH Urteil vom 1.3.2018, V R 18/17

Begründung:
Beim Vorsteuerabzug aus Rechnungen kann sich die erforderliche Angabe des Leistungszeitpunkts aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung ergeben, wenn davon auszugehen ist, dass die Leistung im Monat der Rechnungsausstellung bewirkt wurde. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 1. März 2018 V R 18/17 zur Rechnungserteilung über die Lieferung von PKWs entschieden.

Im Streitfall hatte die Klägerin den Vorsteuerabzug aus an sie ausgeführten PKW-Lieferungen in Anspruch genommen. Allerdings enthielten die ihr hierfür erteilten Rechnungen weder Angaben zur Steuernummer des Lieferanten noch zum Lieferzeitpunkt. Die Rechnungen wurden später um die Angabe der Steuernummer, nicht aber auch um die Angabe der Lieferzeitpunkte ergänzt. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug aus den PKW-Lieferungen. Demgegenüber hatte die Klage zum Finanzgericht Erfolg.
Umsatzsteuerrechtlich verlangt § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 des Umsatzsteuergesetzes für eine Rechnung die Angabe des Zeitpunkts der Lieferung oder der sonstigen Leistung. Nach § 31 Abs. 4 der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) kann als Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung der Kalendermonat angegeben werden, in dem die Leistung ausgeführt wird.

In seinem Urteil legte der BFH § 31 Abs. 4 UStDV zugunsten der zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer sehr weitgehend aus. Danach kann sich die Angabe des Kalendermonats als Leistungszeitpunkt aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung ergeben, wenn nach den Verhältnissen des Einzelfalls davon auszugehen ist, dass die Leistung in dem Monat bewirkt wurde, in dem die Rechnung ausgestellt wurde. Dies bejahte der BFH für den Streitfall. Mit den Rechnungen sei über jeweils einmalige Liefervorgänge mit PKWs abgerechnet worden, die branchenüblich mit oder im unmittelbaren Zusammenhang mit der Rechnungserteilung ausgeführt worden seien. Damit folge aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung, dass die jeweilige Lieferung im Kalendermonat der Rechnungserteilung ausgeführt wurde. Die Angabe des Ausstellungsdatums der Rechnung sei als Angabe i.S. von § 31 Abs. 4 UStDV anzusehen.
Der BFH begründete seine Entscheidung damit, dass sich die Steuerverwaltung nicht auf die bloße Prüfung der Rechnung beschränken dürfe, sondern auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen habe. Demgegenüber hatte der BFH in der Vergangenheit aufgrund einer eher formalen Betrachtungsweise bisweilen sehr strenge Anforderungen an die Rechnungsangabe des Leistungszeitpunkts gestellt.

Kein Verzicht auf Steuerfreiheit bei Vermietung an Pauschallandwirt

Verpachtet ein Unternehmer ein Grundstück an einen Landwirt, der seine Umsätze gemäß § 24 Abs. 1 UStG nach Durchschnittssätzen versteuert, kann der Verpächter nicht auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG verzichten (entgegen Abschn. 9.2 Abs. 2 UStAE).
BFH Urteil vom 1.3.2018, V R 35/17

Begründung:

Bei der Verpachtung von Grundbesitz an sog. Pauschallandwirte darf der Verpächter nicht auf die Umsatzsteuerfreiheit verzichten. Damit wendet sich der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 1. März 2018 V R 35/17 gegen ein von der Finanzverwaltung akzeptiertes Gestaltungsmodell.
Im Streitfall hatte der Kläger einen Rinderboxenlaufstall mit Melkkarussell sowie einen Kälberaufzuchtstall errichtet und an eine zusammen mit seiner Frau gebildete Gesellschaft bürgerlichen Recht (GbR) verpachtet. Die GbR betrieb Landwirtschaft und wendete auf ihre Umsätze gemäß § 24 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sog. Durchschnittssätze an. Als Pauschallandwirtin war sie zugleich zu einem fiktiven Vorsteuerabzug in Höhe der Umsatzsteuer berechtigt, so dass für sie keine Steuerschuld entstand. Aufgrund dieser Sonderregelung war sie allerdings aus tatsächlichen Leistungsbezügen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Der Kläger erklärte in Übereinstimmung mit der Auffassung der Finanzverwaltung (Abschn. 9.2 Abs. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) gemäß § 9 Abs. 2 UStG den Verzicht auf die Steuerfreiheit seiner Verpachtungsleistungen; denn nur bei Steuerpflicht seiner Leistungen kann er den Vorsteuerabzug aus der Errichtung der verpachteten Gegenstände geltend machen. In Kombination mit der Vorsteuerpauschalierung bei der GbR wäre das sog. Vorschalten einer Verpachtung insoweit vorteilhaft, als eine bei der GbR nicht abziehbare Vorsteuer aus den Errichtungskosten nun für den Kläger abziehbar sein sollte.
D
emgegenüber hat der BFH dem Kläger den Vorsteuerabzug versagt. Nach seinem Urteil kommt es für den Verzicht auf die Steuerfreiheit darauf an, ob die Pächter-GbR aus der konkret an sie erbrachten Pachtleistung zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Denn § 9 Abs. 2 UStG verlangt einen leistungsbezogenen Vorsteuerabzug. Diese Voraussetzung trifft entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung auf Pächter nicht zu, die ihre Umsätze nach § 24 Abs. 1 UStG erfassen und denen das Gesetz deshalb einen Vorsteuerabzug unabhängig von tatsächlichen Leistungsbezügen pauschal gewährt.
Nach Angaben des Bundesrechnungshofs wenden über 70 % der Landwirte in Deutschland die Sonderregelung nach § 24 Abs. 1 UStG an. Aufgrund des Urteils des BFH kommt für sie –ebenso wie bei nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Banken und Sparkassen– der Einsatz sog. Vorschaltmodelle nicht mehr in Betracht.

Vorsteuerabzug bei gemischter Nutzung eines Marktplatzes

Verwendet eine Stadt ihren Marktplatz sowohl für wirtschaftliche wie auch für hoheitliche Zwecke, kann sie diesen nicht in vollem Umfang ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zuordnen und ist deshalb nur anteilig zum Vorsteuerabzug berechtigt.

BFH Urteil vom 03.08.2017 – V R 62/16 BFH/NV 2018, 301

Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten um den Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Errichtung und Gestaltung eines sog. Marktplatzes durch die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin). Klägerin ist die Stadt X. Diese erhielt bereits im Jahre … die staatliche Anerkennung als Heilbad und das Recht, die Bezeichnung “Bad” im Stadtnamen zu führen.
In den Streitjahren (2009 und 2010) errichtete die Klägerin in der Stadtmitte auf dem Gelände eines ehemaligen Supermarktes einen als “Marktplatz” bezeichneten Platz, bestehend aus einer Bühnenanlage mit Zuschauertribüne, Ruhebänken sowie einem Geräte- und Abstellraum. Weiterhin wurden Basaltsäulen errichtet und Hinweistafeln angebracht, die über die Bedeutung des Badeortes im Hinblick auf die Lehren, Therapien und… informieren. Schließlich ließ die Klägerin einen Wasserlauf mit zwei Brunnen erstellen, den Platz entsprechend befestigen, gärtnerisch gestalten und teilweise umzäunen. Im Zuge der Baumaßnahmen wurde auf dem an den Marktplatz angrenzenden Kurpark eine öffentliche Toilettenanlage errichtet.
Nach Abschluss der Baumaßnahmen (Frühjahr 2010) wurde der Marktplatz im Rahmen eines Bürgerfestes am … eingeweiht. In ihren am 9. September 2011 (Umsatzsteuer 2009) und 27. Juli 2012 (Umsatzsteuer 2010) eingereichten Umsatzsteuererklärungen machte die Klägerin den Abzug der auf die Umbaukosten für den Marktplatz in 2009 (120.541,65 EUR) und in 2010 (10.462,34 EUR) entfallenen Vorsteuerbeträge geltend.

Nach den Feststellungen einer die Streitjahre betreffenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurde der Platz in den Sommermonaten 2010 für die Ausrichtung eines Weinfestes, für “public viewing” zur Fußballweltmeisterschaft 2010 sowie für verschiedene Open-Air-Konzerte mit freiem Eintritt genutzt, nicht aber für Zwecke des –jeweils am Dienstag an anderer Stelle stattfindenden– Wochenmarktes. Hieraus folgerte der Prüfer, dass der Marktplatz nicht für eine steuerpflichtige wirtschaftliche Tätigkeit (Kurbetrieb der Klägerin) verwendet werde und deshalb kein Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) schloss sich dieser Auffassung an und versagte mit den Umsatzsteuerbescheiden vom 3. Januar 2012 (2009) sowie vom 26. November 2012 (2010) den Vorsteuerabzug für die Kosten des Marktplatzes. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies das FA im Wesentlichen als unbegründet zurück; lediglich für das Jahr 2009 wurden weitere Vorsteuerbeträge von 1.870,45 EUR zum Abzug zugelassen. Diese betreffen die Anschaffung und Anbringung von einzelnen Wirtschaftsgütern, die dem Betrieb gewerblicher Art “Kurverwaltung” dienten bzw. in einem objektiven wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesem stünden (Basaltsäulen, Symbole, Infotafel, Colortafel).
Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2017, 244 veröffentlichten Urteil ab. Nach den Feststellungen des FG wurde der Platz sowohl von Kurgästen (gegen Kurbeitrag) als auch von Nicht-Kurgästen (unentgeltlich) und damit “gemischt” genutzt. Der unternehmerische Bereich der Klägerin (Kurverwaltung) beinhalte das Bereitstellen von Einrichtungen des Fremdenverkehrs gegen die Entrichtung von Kurbeiträgen. Daneben sei die Klägerin im Rahmen der ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben als Straßenbaulastträger (Errichtung von Straßen und Plätzen zur allgemeinen Nutzung) hoheitlich tätig geworden. Dieses Tätigwerden vollziehe sich innerhalb des nichtunternehmerischen Bereichs. Der Marktplatz stelle eine allgemeine und kostenfrei von “jedermann” nutzbare städtische Einrichtung dar. Da der Platz öffentlich zugänglich sei, werde er auch von den einheimischen Bewohnern sowie sonstigen Besuchern der Gemeinde (Tagestouristen) besucht.

Der Vorsteuerabzug scheide bereits mangels rechtzeitiger Dokumentation der Zuordnungsentscheidung aus. Die Klägerin habe es unterlassen, bei Bezug der Eingangsleistungen eine Zuordnungsentscheidung zu treffen und diese in den bis 31. Mai 2010 bzw. 31. Mai 2011 abzugebenden Umsatzsteuererklärungen zu dokumentieren. Denn diese Steuererklärungen seien erst im September 2011 (2009) bzw. im Juli 2012 (2010) beim FA eingereicht worden.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts und trägt zur Begründung vor:
Das FG habe nicht berücksichtigt, dass ein Zuordnungswahlrecht bei nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten ausschließlich für den Sonderfall einer Privatentnahme bestehe. Da es sich bei der nichtwirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin um eine Verwendung für Hoheitszwecke handele, sei sie, die Klägerin, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Im Hinblick auf die gemischte Nutzung des Marktplatzes gelte das Aufteilungsgebot des § 15 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) analog. Danach sei der unternehmerische Nutzungsanteil im Wege einer sachgerechten und vom FA überprüfbaren Schätzung zu ermitteln.
Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge könnten nicht berücksichtigt werden, weil die unternehmerische Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezugs nicht nachgewiesen worden sei. Es fehle an einem hinreichenden objektiven Zusammenhang der Nutzung des Marktplatzes im Rahmen des Betriebs gewerblicher Art “Kurbetrieb”. Der Kurbeitrag sei aufgrund der Neugestaltung des Marktplatzes nicht erhöht worden, obwohl es sich bei der Kurtaxe um eine Kommunalabgabe eigener Art handele, die neben beitrags- auch gebührenrechtliche Merkmale aufweise und der Deckung des Aufwands diene, welcher der Gemeinde für die Herstellung und Unterhaltung von zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen entstehe. Ein Nachweis, nach dem die Kalkulation des Kurbeitrags den Aufwand für die Herstellung oder Unterhaltung des Marktplatzes beinhalte, sei nicht vorgelegt worden.
Begründung:

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat den Vorsteuerabzug zu Unrecht mit der Begründung versagt, dass es an einer rechtzeitigen Dokumentation der Zuordnungsentscheidung fehle und damit § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 UStG verletzt. Der Senat kann mangels tatsächlicher Feststellungen die Sache nicht selbst entscheiden.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG).
Der Vorsteuerabzug erfordert –entgegen dem FG-Urteil– im Streitfall keine zeitnahe Dokumentation einer Zuordnungsentscheidung. Eine zeitnahe Zuordnungsentscheidung hat der Unternehmer für Zwecke des Vorsteuerabzugs nur dann zu treffen und zu dokumentieren, wenn ein Zuordnungswahlrecht besteht. Das Zuordnungswahlrecht besteht jedoch nicht für jede gemischte Nutzung eines Gegenstands, sondern nur für die gemischte Nutzung im Rahmen des “Sonderfalls einer Privatentnahme”, bei der ein Unternehmer den gemischt wirtschaftlich und privat verwendeten Gegenstand voll dem Unternehmen zuordnen und dann aufgrund der Unternehmenszuordnung in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt sein kann.
Das FG geht davon aus, dass eine gemischte Nutzung des Marktplatzes vorliege, weil die Klägerin diesen Platz im Rahmen ihres Kurbetriebs unternehmerisch und im Rahmen ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgabe als Straßenbaulastträger (Errichtung von Straßen und Plätzen zur allgemeinen Nutzung) nichtunternehmerisch nutzt. In diesem Fall hat die Klägerin nicht die Möglichkeit, gemischt genutzte Gegenstände insgesamt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zuzuordnen, sondern kann den Vorsteuerabzug nur anteilig geltend machen. Anders ist es nur bei einer gemischten Verwendung für wirtschaftliche und private Zwecke. Private Zwecke in diesem Sinne sind nur Entnahmen für den privaten Bedarf des Unternehmers als natürliche Person und –unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens– für den privaten Bedarf seines Personals, nicht dagegen eine Verwendung für den Hoheitsbereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts.
Im Streitfall betrifft die weitere Verwendung des Marktplatzes den Hoheitsbereich der Klägerin und nicht deren private Zwecke, sodass ihr kein Wahlrecht zugunsten einer Zuordnung des gesamten Gegenstands zu ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zusteht und damit auch kein Zuordnungserfordernis besteht. Das Urteil des FG widerspricht den o.g. Rechtsprechungsgrundsätzen und ist daher aufzuheben.

Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Klägerin aus den Kosten für die Errichtung und Gestaltung des sog. Marktplatzes einen (anteiligen) Vorsteuerabzug geltend machen kann. Dieser könnte sowohl an der Unternehmereigenschaft der Klägerin als auch am Erfordernis eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz scheitern.

Der Unternehmer ist nach ständiger Senatsrechtsprechung zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL) und damit für seine
wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeiten) zu verwenden beabsichtigt. Die bisherige Rechtsprechung des Senats geht zwar ebenso wie das Schrifttum davon aus, dass zu den Betrieben gewerblicher Art auch ein sog. Kurbetrieb gehören kann, d.h. die Überlassung von Kureinrichtungen gegen Entgelt in Gestalt von Kurbeiträgen oder Kurtaxen. Diese Rechtsprechung war jedoch im Hinblick auf den Verweis von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG auf § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) körperschaftsteuerrechtlich geprägt und berücksichtigte noch nicht den Einfluss des Unionsrechts auf die Auslegung des Begriffs “Betrieb gewerblicher Art” in § 2 Abs. 3 UStG.
Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Handelt sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, kommt es auf weitere Voraussetzungen nicht an. Handelt sie dagegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, ist sie nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin den Kurbetrieb auf privatrechtlicher oder auf öffentlich-rechtlicher Grundlage betreibt. Sofern die im zweiten Rechtsgang nachzuholenden Feststellungen ergeben, dass die Klägerin auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig wird, hängt ihre Unternehmereigenschaft davon ab, ob die Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. So verhält es sich nicht, wenn es aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen im Zeitpunkt der Erbringung der Leistungen durch den Staat ausgeschlossen ist, dass private Anbieter Leistungen auf den Markt bringen, die mit den staatlichen Leistungen im Wettbewerb stehen.
Kommt das FG hiernach zu dem Ergebnis, dass die Klägerin im Rahmen ihres Kurbetriebs unternehmerisch tätig wurde, hat es weiter zu prüfen, ob der begehrte Vorsteuerabzug am fehlenden Zusammenhang zwischen den Kosten für die Errichtung/Gestaltung des Marktplatzes und ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit (Kurbetrieb) scheitert.
Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der sog. Marktplatz (ganz oder teilweise) als öffentliche Straße oder Platz dem Allgemeingebrauch gewidmet wurde. Fehlt es an einer derartigen Widmung zum Allgemeingebrauch, ist festzustellen, ob es sich beim sog. Marktplatz um eine öffentliche Einrichtung i.S. von § 14 Abs. 2 der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz handelt, die ausdrücklich oder zumindest konkludent der Öffentlichkeit zur Nutzung überlassen wurde. In diesem Falle wäre eine Sondernutzung des Marktplatzes durch Kurgäste dann ausgeschlossen, wenn diese den Marktplatz lediglich in Form des Betretens und Besichtigens und damit als Teil der Allgemeinheit nutzen. Gegen einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin könnte auch sprechen, dass nach den Ausführungen des FA im Revisionsverfahren die Neugestaltung des Marktplatzes keinerlei Einfluss auf die Höhe des Kurbeitrags hatte, obwohl dieser zur Deckung des Aufwands dienen soll, der für die Herstellung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen entsteht.
Kommt das FG im zweiten Rechtsgang zu der Auffassung, dass die Klägerin mit ihrem Kurbetrieb unternehmerisch tätig ist und die Aufwendungen für den Marktplatz in einem unmittelbaren und direkten Zusammenhang mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit stehen, liegt eine gemischte Tätigkeit i.S. von § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG vor, die zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.
Da die Klägerin bislang davon ausgegangen ist, dass die geltend gemachten Vorsteuerbeträge in voller Höhe abziehbar sind, indes allenfalls ein anteiliger Vorsteuerabzug in Betracht kommt, hat sie im zweiten Rechtsgang eine sachgerechte Schätzung des abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Dem FG obliegt sodann die Überprüfung der Schätzung auf ihre Sachgerechtigkeit.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein prozentual geringfügiger Vorsteuerabzug nicht durch § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG ausgeschlossen wäre. Nach dieser Vorschrift gilt die Lieferung nicht als für das Unternehmen ausgeführt, wenn der Unternehmer den Gegenstand zu weniger als 10 % für sein Unternehmen nutzt.
Führt die sachgerechte Schätzung (vgl. 2.c) dazu, dass die Klägerin den Marktplatz ganz überwiegend zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben und damit nicht im Rahmen ihres Unternehmens (§ 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG und § 4 Abs. 5 KStG) verwendet, wäre der Vorsteuerabzug nach nationalem Recht ausgeschlossen, wenn der Anteil der Nutzung für den Kurbetrieb der Klägerin weniger als 10 % beträgt.