Kein Nachweis eines niedrigeren Grundstückswerts durch den Bilanzansatz oder durch Ableitung aus dem Kaufpreis für einen Gesellschaftsanteil

Für den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines zum Vermögen einer Gesellschaft gehörenden Grundstücks reicht der Wertansatz des Grundstücks in der Bilanz der Gesellschaft nicht aus.
Der Nachweis eines niedrigeren Grundstückswerts kann regelmäßig auch nicht durch Ableitung aus dem Kaufpreis für einen Gesellschaftsanteil geführt werde.
BFH Urteil vom 25.4.2018, II R 47/15

Begründung:
Die Sache ist spruchreif. Der gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gewordene Bescheid vom 8. März 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Grundbesitzwert in Höhe von 3.380.164 EUR wurde zutreffend nach dem Ertragswertverfahren ermittelt. Ein niedrigerer Grundbesitzwert wurde nicht nachgewiesen.
Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 BewG sind Grundbesitzwerte gesondert festzustellen, wenn sie für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sind. Wie sich mittelbar aus § 151 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 BewG ergibt, ist die Frage, ob ein grunderwerbsteuerbarer Tatbestand verwirklicht ist, nicht im Wertfeststellungsverfahren zu prüfen; denn die Entscheidung über die Bedeutung des Grundbesitzwerts für die Grunderwerbsteuer trifft das für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt.
Die Grunderwerbsteuer wird u.a. in Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG nach den Grundbesitzwerten i.S. des § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG bemessen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015 vom 2. November 2015, BGBl I 2015, 1834). Die neue Regelung zur Bemessungsgrundlage ist auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2008 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG).

Nach § 157 Abs. 3 Satz 1 BewG sind für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens und für Betriebsgrundstücke i.S. des § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 159 BewG und 176 bis 198 BewG zu ermitteln. Ein Geschäftsgrundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 6 BewG ist gemäß § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG im Ertragswertverfahren (§§ 184 bis 188 BewG) zu bewerten.

Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 182 bis 196 BewG ermittelte Wert, so ist gemäß § 198 Satz 1 BewG dieser Wert anzusetzen. Nach § 198 Satz 2 BewG gelten für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts grundsätzlich die aufgrund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) erlassenen Vorschriften. § 198 BewG entspricht weitgehend der vorher für die Bewertung von Grundbesitz für die Grunderwerbsteuer geltenden Regelung des § 138 Abs. 4 BewG (Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 198 Rz 2).

§ 198 BewG regelt nicht, wie der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zum maßgeblichen Bewertungsstichtag zu führen ist.
Nach der Begründung zur Einführung der Bedarfsbewertung (BTDrucks 13/4839, S. 38, 61) sollte der Nachweis eines niedrigeren tatsächlichen Grundstückswerts regelmäßig durch ein Gutachten eines vereidigten Bausachverständigen oder eines Gutachterausschusses erbracht werden können. Auch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr kurz vor dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommener Kaufvertrag sollte als Nachweis dienen können. Eine Glaubhaftmachung reichte dagegen nicht aus. Dem ist sowohl die Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 2004 II R 69/01, BFHE 207, 352, BStBl II 2005, 259) als auch die Finanzverwaltung (vgl. R B 198 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 der Hinweise zum ErbStG 2013) gefolgt.

Der Steuerpflichtige kann den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks durch Sachverständigengutachten regelmäßig nur durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken führen (BFH-Urteil vom 11. September 2013 II R 61/11, BFHE 243, 376, BStBl II 2014, 363, Rz 31, zu § 146 Abs. 7 BewG a.F.). Bei dem Sachverständigen muss es sich um einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen handeln. Ein Sachverständigengutachten ist regelmäßig zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks geeignet, wenn es unter Beachtung der maßgebenden Vorschriften (insbesondere §§ 194 ff. BauGB) ordnungsgemäß erstellt wurde (BFH-Urteil vom 24. Oktober 2017 II R 40/15, BFHE 260, 80, Rz 13). Ob ein Sachverständigengutachten den geforderten Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung des FG. Der Nachweis ist erbracht, wenn dem Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger gefolgt werden kann.
Ein niedrigerer gemeiner Wert kann auch durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgeblichen Besteuerungsstichtag erzielten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück nachgewiesen werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1153, m.w.N.). Als gewöhnlicher Geschäftsverkehr ist der Handel nach den wirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage zu verstehen, bei dem die Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern in Wahrung ihrer eigenen Interessen handeln (BFH-Urteil vom 26. April 2006 II R 58/04, BFHE 213, 207, BStBl II 2006, 793, m.w.N.).
Diesen anerkannten Mitteln zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Grundstückswerts steht grundsätzlich weder der Rückgriff auf Bilanzansätze noch eine Ableitung aus dem Kaufpreis für den Anteil an einer Gesellschaft gleich, zu deren Vermögen das Grundstück gehört.
Ein Sachverständigengutachten und ein zeitnah erzielter Kaufpreis führen dazu, dass dem Finanzamt und dem FG weitere Ermittlungen und insbesondere Beweisaufnahmen zur Feststellung des gemeinen Werts eines Grundstücks erspart bleiben. Letztlich soll ein eindeutiges Bewertungsergebnis bei vertretbarem Verwaltungsaufwand erzielt werden. Andere Beweismittel müssen diesen Vorgaben ebenfalls gerecht werden.

Der Bilanzwert allein ist weder Indiz noch Nachweis für den gemeinen Wert eines Wirtschaftsguts. Bilanzwerte gerade von Grundstücken liegen regelmäßig deutlich unter dem Verkehrswert (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Mai 2002 II R 61/99, BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598).
Der erforderliche Nachweis des gemeinen Werts eines Grundstücks ist ebenfalls nicht gegeben, wenn beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen der gemeine Wert eines zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücks aus dem Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile abgeleitet wird. Dies gilt insbesondere, wenn das Vermögen der Gesellschaft nicht nur aus dem zu bewertenden Grundstück besteht, sondern weitere Gegenstände (ggf. auch mit stillen Reserven) umfasst. Rechtlich und tatsächlich sind der Erwerb eines Grundstücks und der Erwerb von Anteilen einer grundbesitzenden Gesellschaft nicht gleichzusetzen.

Zum Gesellschaftsvermögen gehört regelmäßig eine Vielzahl von Wirtschaftsgütern, die nur teilweise und auch nicht zwingend mit dem gemeinen Wert bilanziert werden. Der Kaufpreis für einen Gesellschaftsanteil kann positive oder negative Erwartungen berücksichtigen, die sich (noch) nicht zu einer Bilanzierungspflicht verdichtet haben, so etwa bei nicht entgeltlich erworbenen immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (§ 5 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes) oder bei Risiken, die noch nicht der Rückstellung zugänglich sind. Eine Aufteilung des Kaufpreises für den Gesellschaftsanteil auf einzelne Wirtschaftsgüter ist in der Regel nicht möglich.
Mangels Entscheidungserheblichkeit im Streitfall kann offen bleiben, ob eine Ableitung aus dem Kaufpreis der Gesellschaftsanteile möglich ist, wenn das Grundstück den einzigen Bilanzposten darstellt und die Gesellschaft auch sonst über keine Wirtschaftsgüter verfügt, die in der Bilanz aufzunehmen wären. Ebenso kann dahinstehen, ob der Erwerb von Anteilen an einer Personengesellschaft durch einen Mitgesellschafter angesichts der gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten schon für sich allein die Zuordnung des Kaufs zum “gewöhnlichen Geschäftsverkehr” ausschließt.

Der Kläger hat das Grundstück nach seinen Angaben letztlich gegen Übernahme der Gesellschaftsschulden erworben, so dass –bei ausgeglichener Bilanz– der Bilanzansatz dem “Kaufpreis” entsprechen soll. In der vorgelegten Bilanz der GbR zum 31. Dezember 2010 war das Grundstück –einschließlich der darin enthaltenen Betriebsvorrichtungen– mit 2.810.254,90 EUR nicht das einzige aktivierte Wirtschaftsgut. Daneben waren u.a. noch die Betriebs- und Geschäftsausstattung und Forderungen sowie sonstige Vermögensgegenstände als Aktivvermögen enthalten. Passiviert waren Rückstellungen, Verbindlichkeiten, Rechnungsabgrenzungsposten und ein Verrechnungskonto. Die Bilanzsumme belief sich auf insgesamt 3.353.953,01 EUR. Ohne erheblichen Ermittlungsaufwand ist nicht festzustellen, welche gemeinen Werte die neben dem Grundstück bilanzierten Wirtschaftsgüter aufwiesen und ob sonstige –nicht bilanzierte– Vermögenswerte vorhanden waren. Aus diesem Grund steht auch nicht fest, dass der gemeine Wert des Grundstücks –wie vom Kläger beantragt– nur 2.788.865 EUR beträgt.

Nach Erbfall aufgetretener Gebäudeschaden kann nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden

Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden an geerbten Gegenständen wie Grundstücken oder Gebäuden, deren Ursache vom Erblasser gesetzt wurde, die aber erst nach dessen Tod in Erscheinung treten, sind nicht als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar.

BFH Urteil vom 26.07.2017 – II R 33/15 BFH/NV 2018, 123

Sachverhalt:
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Miterbe seines im April 2006 verstorbenen Onkels (O). Zum Nachlass des O gehörte ein Zweifamilienhaus, in dem der Erblasser eine Wohnung selbst bewohnt und die andere vermietet hatte.

Im Oktober 2006 stellte sich heraus, dass O noch vor seinem Tod Heizöl für die Ölheizung seines Hauses bezogen hatte, das eine veränderte Qualität aufwies. Aufgrund dieser veränderten Heizölqualität war ein Großteil des Heizöls ohne Störmeldung aus einem Tank der Heizanlage ausgetreten und hatte sich im Ölauffangraum gesammelt. Eine von der Mieterin beauftragte Firma beseitigte das ausgetretene Öl, so dass die Heizung weiter genutzt werden konnte. Zu einem späteren Zeitpunkt ersetzte eine Firma die alten Tanks der Anlage und reinigte den Öllagerraum.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) setzte gegen den Kläger mit Änderungsbescheid vom 23. Februar 2012 Erbschaftsteuer in Höhe von 448.470 EUR fest, ohne die vom Kläger geltend gemachten, anteiligen Reparaturaufwendungen für die Heizungsanlage in Höhe von 3.782,54 EUR zum Abzug zuzulassen. In einem weiteren Änderungsbescheid vom 8. Mai 2012 wurde die Erbschaftsteuer auf 444.231 EUR festgesetzt. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, allein der Umstand, dass der Erblasser durch den Einkauf von nicht geeignetem Heizöl die Ursache für den Schadenseintritt und die zur Schadensbeseitigung erforderlichen Aufwendungen gesetzt habe, reiche für den Abzug der Aufwendungen als Nachlassverbindlichkeiten nicht aus. Aufwendungen zur Beseitigung von Mängeln eines Gebäudes könnten nur dann als Erblasserschulden berücksichtigt werden, wenn der Erblasser –anders als im Streitfall– bereits zu Lebzeiten aufgrund einer öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Verpflichtung zur Schadensbeseitigung verpflichtet gewesen sei. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1465 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der im Jahr 2006 geltenden Fassung (ErbStG). Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 8. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. März 2013 dahingehend abzuändern, dass Aufwendungen in Höhe von 3.782,54 EUR als Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden.

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für die Beseitigung der Schäden an der Heizungsanlage und dem Gebäude nicht als Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abziehbar sind.
Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind von dem Erwerb des Erben die vom Erblasser herrührenden Schulden, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb oder Anteil an einem Gewerbebetrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits nach § 12 Abs. 5 und 6 ErbStG berücksichtigt worden sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig.
Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden an geerbten Gegenständen wie Grundstücken oder Gebäuden, deren Ursache vom Erblasser gesetzt wurde, die aber erst nach dessen Tod in Erscheinung treten, sind nicht als Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abziehbar (vgl. auch Weinmann in Moench/Weinmann, § 10 ErbStG Rz 52).
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat bereits entschieden, dass Aufwendungen zur Beseitigung von Mängeln und Schäden an geerbten Grundstücken oder Gebäuden –etwa unter dem Gesichtspunkt eines aufgestauten Reparaturbedarfs– grundsätzlich keine Erblasserschulden i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG darstellen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn schon zu Lebzeiten des Erblassers eine öffentlich-rechtliche oder eine privatrechtliche Verpflichtung (etwa gegenüber einem Mieter aus § 535 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zur Mängel- oder Schadensbeseitigung bestand. Dabei setzt das Bestehen einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung für Zwecke der Erbschaftsteuer den Erlass einer rechtsverbindlichen, behördlichen Anordnung gegen den Erblasser voraus. Im Übrigen können –etwa aufgrund eines aufgestauten Reparaturaufwands bedingte– Wertminderungen eines Gebäudes allenfalls bei der Grundstücksbewertung und nicht im Verfahren über die Erbschaftsteuerfestsetzung berücksichtigt werden.

Der BFH hält an dieser Rechtsprechung, die die Behebung von Schäden an Nachlassgegenständen (wie z.B. die Reparatur eines zum Nachlass gehörenden Hauses) betrifft, fest. Diese Grundsätze gelten nicht nur für Mängel und Schäden, die bereits im Zeitpunkt des Erbfalls erkennbar waren, sondern erst recht für Mängel und Schäden, deren Ursache zwar vom Erblasser gesetzt wurde, die aber erst nach dessen Tod in Erscheinung treten.
Diese Auslegung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG in Bezug auf Schäden, die erst nach dem Tod des Erblassers in Erscheinung treten, verstößt –entgegen der Ansicht des Klägers– nicht gegen das Bereicherungsprinzip. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Bei Erwerben von Todes wegen gilt dabei als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls die nach § 10 Abs. 3 bis 9 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Ausschlaggebender Stichtag für die Ermittlung der Bereicherung ist der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 11 ErbStG). Dies ist beim Erwerb durch Erbanfall grundsätzlich der Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Nach den Verhältnissen dieses Zeitpunktes richten sich die Feststellungen des Umfangs und des Wertes des Erwerbs. Spätere Ereignisse, die den Wert des Vermögensanfalls erhöhen oder vermindern, können sich erbschaftsteuerrechtlich grundsätzlich nicht auswirken Die Bereicherung ist damit stichtagsbezogen zu ermitteln. Das Stichtagsprinzip schränkt das Bereicherungsprinzip insoweit ein
Aus dem Bereicherungsprinzip lässt sich somit nicht ableiten, dass Aufwendungen für die Beseitigung von Mängeln und Schäden an geerbten Gegenständen, deren Ursache zwar vom Erblasser gesetzt wurde, die aber erst nach dessen Tod in Erscheinung treten, als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar sind, während ein solcher Abzug grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn die Mängel und Schäden bereits beim Eintritt des Erbfalls vorlagen und erkennbar waren.

Der BFH hat in diesem Urteil entschieden, dass vom Erblasser herrührende (Einkommen-)Steuerschulden des Todesjahres als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind. Entscheidend für einen solchen Abzug ist dabei, dass der Erblasser in eigener Person und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat und bereits im Todeszeitpunkt feststeht, dass mit Ablauf des Veranlagungszeitraums die Steuerschuld kraft Gesetzes entstehen wird (gesetzliches Schuldverhältnis, § 38 der Abgabenordnung). In Abgrenzung hierzu hat der BFH klargestellt, dass, soweit der Erbe selbst einkommensteuerrelevante Tatbestände verwirklicht, wie z.B. beim Zufluss nachträglicher Einnahmen aus einer ehemaligen Tätigkeit des Erblassers nach § 24 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes, die darauf entfallenden Einkommensteuerzahlungen keine Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind. Obwohl der Erblasser die Grundlage für den Zufluss von Einnahmen gesetzt hat, wird der Steuertatbestand in diesen Fällen erst mit dem Zufluss der Einnahmen durch den Erben als Steuerpflichtigen verwirklicht..
Hat der Erblasser lediglich eine Schadensursache für Schäden an geerbten Gegenständen wie Gebäuden oder Grundstücken gesetzt, kann das Ausmaß des Schadens im Todeszeitpunkt ungewiss sein. Anders als die (Einkommen-)Steuerschulden des Todesjahres entstehen Reparaturaufwendungen zur Beseitigung solcher Schäden nicht zwangsläufig oder kraft Gesetzes in bestimmter Höhe zu einem bestimmten Zeitpunkt nach dem Ableben des Erblassers.

Damit wäre es nicht vereinbar, wenn man den Abzug von Aufwendungen für die Beseitigung von Mängeln und Schäden an geerbten Gegenständen, deren Ursache zwar vom Erblasser gesetzt wurde, die aber erst nach dessen Tod in Erscheinung treten, als Nachlassverbindlichkeiten zuließe, während ein solcher Abzug grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn die Mängel und Schäden bereits beim Eintritt des Erbfalls vorlagen und erkennbar waren und somit schon zu diesem Zeitpunkt das Entstehen eines Aufwands für deren Beseitigung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach absehbar war. Der Abzug ist vielmehr in beiden Fällen ausgeschlossen.
Auf das Erfordernis einer wirtschaftlichen Belastung des Erblassers im Todeszeitpunkt kommt es daher bei Schäden, die erst nach dem Tod des Erblassers in Erscheinung treten, nicht an.
Diesen Grundsätzen entsprechend kam das FG zutreffend zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger geleisteten Aufwendungen zur Beseitigung des Ölschadens nicht als Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abziehbar sind. Eine öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit des O zur Beseitigung des Ölschadens bestand nicht. Nach den für den BFH bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) erging zu Lebzeiten des O keine entsprechende behördliche Anordnung. Darüber hinaus war er zum Zeitpunkt seines Ablebens auch nicht privatrechtlich verpflichtet, einen durch Ölaustritt verursachten Schaden zu beseitigen. Das Setzen einer Schadensursache durch den Erblasser reicht für den Abzug der Reparaturaufwendungen als Nachlassverbindlichkeit nicht aus.

Keine Billigkeitsmaßnahmen bei der Schenkungsteuer wegen nachträglicher Wertminderungen

Eine nach der Entstehung der Steuer eingetretene Wertminderung eines freigebig zugewendeten Grundstücks kann keinen Erlass der Schenkungsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen rechtfertigen.
BFH Beschluss vom 30.08.2017 – II B 16/17 BFH/NV 2017, 1611

Begründung:

Die Beschwerde ist unbegründet. Soweit ihre Begründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht, liegt der geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision nicht vor.

Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Ist die Rechtslage eindeutig, bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde ist zudem in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO die Revision nicht zuzulassen, wenn sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig erweist.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sind vorliegend nicht erfüllt.
Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) herausgestellte Rechtsfrage, ob “für eine Billigkeitsprüfung gem. § 227 AO nach veranlagter Schenkungsteuer unter dem Gesichtspunkt, ob im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Az: 1 BvR 48/94 und im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen Art. 14 GG die aus der Veranlagung stammende Steuerverpflichtung aus nach der Veranlagung eingetretener oder bekanntgewordener Umstände nicht aus fluktuierendem Vermögen bestritten werden kann und eine erdrosselnde Wirkung für den Steuerpflichtigen vorliegt, erforderlich [ist], dass der Steuerpflichtige im Veranlagungsverfahren gegen die Festsetzung der Steuer Rechtsmittel eingelegt hat, dies unter Zugrundelegung des durch den Großen Senat des BFH in der Entscheidung vom 28.11.2016, Az.: GrS 1/15 letztmals definierten Begriffs der ‘Unbilligkeit'”, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie bezieht sich nicht auf die vom Finanzgericht (FG) vertretene Ansicht, dass die Feststellung des Grundbesitzwerts und der Schenkungsteuerbescheid wegen der eingetragenen Bestandskraft in dem auf einen Erlass der Steuer aus Billigkeitsgründen gerichteten Verfahren nicht mehr überprüft werden könnten. Der Kläger führt auf S. 8 oben der Beschwerdebegründung vom 19. April 2017 aus, er habe im Klageverfahren nicht darauf abgestellt, dass er mit dem Gutachten die Werte zum Stichtag des § 11 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) dokumentiert habe. Mit dem Gutachten seien Wertentwicklungen belegt, die zum Stichtag “01.12.2012” erfasst worden seien.

Der Kläger möchte vielmehr eine Klärung erreichen, ob eine nach der Entstehung der Schenkungsteuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG eingetretene Minderung des Werts eines freigebig zugewendeten Grundstücks zu einem Erlass führen kann, obwohl die Feststellung des Grundbesitzwerts und der Schenkungsteuerbescheid bestandskräftig geworden sind.
Diese Frage bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Die nach der Entstehung der Steuer eingetretene Wertminderung begründet unabhängig von der eingetretenen Bestandskraft keine sachliche Unbilligkeit i.S. des § 227 der Abgabenordnung (AO).

Sachlich unbillig in diesem Sinn ist die Festsetzung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint. So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage –wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte– im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Eine Billigkeitsentscheidung darf jedoch nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Sie darf nicht die Wertung des Gesetzes durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen. Billigkeitsmaßnahmen dienen der Anpassung des steuerrechtlichen Ergebnisses an die Besonderheiten des Einzelfalls, um Rechtsfolgen auszugleichen, die das Ziel der typisierenden gesetzlichen Vorschrift verfehlen und deshalb ungerecht erscheinen. Sie gleichen Härten im Einzelfall aus, die der steuerrechtlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht entsprechen und damit zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme..

Eine nach der Entstehung der Steuer eingetretene Wertminderung eines freigebig zugewendeten Grundstücks kann danach keinen Erlass der Schenkungsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen rechtfertigen. Der Zeitpunkt der Steuerentstehung ist der umfassende zeitliche Bezugspunkt für die Erbschaft- und Schenkungsteuer und nach § 11 ErbStG für die Wertermittlung maßgeblich. Die Wertermittlung stellt damit eine Momentaufnahme dar und nicht das Ergebnis einer dynamischen Betrachtung, mit der sich auch die weitere wertmäßige Entwicklung des Erwerbs erfassen ließe. Dies schließt es aus, nachträglich eingetretene, d.h. am Bewertungsstichtag noch nicht vorhandene Umstände wie etwa den Ausfall einer zum Nachlass gehörenden Forderung aufgrund von Umständen, die erst nach dem Tod des Erblassers eingetreten sind, auf diesen Zeitpunkt zurückzubeziehen (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2000 II R 46/98, BFH/NV 2001, 420). Es entspricht somit den Wertungen des Gesetzgebers, dass eine nach der Entstehung der Steuer eingetretene Minderung des Werts eines freigebig zugewendeten Grundstücks unberücksichtigt bleibt. Mit diesen Wertungen wäre es nicht vereinbar, wenn man eine Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen auf die nachträgliche Wertminderung stützen würde. Dass nach dem Bewertungsstichtag eintretende Wertänderungen zugunsten oder zulasten der Steuerpflichtigen bei der Besteuerung unberücksichtigt bleiben, hat der Gesetzgeber bewusst angeordnet.
Dem vom Kläger zitierten, lässt sich nichts anderes entnehmen. Es betrifft nicht eine nach der Entstehung der Schenkungsteuer eingetretene Wertminderung eines freigebig zugewendeten Grundstücks, sondern Billigkeitsmaßnahmen bei von Todes wegen erworbenen lebenslänglichen Leibrenten, wenn der Steuerpflichtige die jährliche Besteuerung des Jahreswerts gewählt hatte und die Rentenzahlungen später wegen der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Verpflichteten ausfallen. Der BFH hat die dabei bestehenden Besonderheiten hervorgehoben, die eine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen können. Zum einen knüpft die Besteuerung an die lebenslängliche Leistung der Rente an, so dass es bei einem Wegfall der Rentenzahlungen aufgrund von Umständen, die der Rentenberechtigte nicht zu vertreten hat, zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Überhang des Steuertatbestandes kommt, weil der Rentenberechtigte zwar keine Zahlungen mehr erhält, aber weiterhin bis zu seinem Ableben nach § 23 Abs. 1 ErbStG die Jahressteuer für eine lebenslängliche Rente zu entrichten hat. Zum anderen unterscheidet sich der Anspruch auf eine Leibrente grundlegend von einem anderen Vermögensgegenstand, der ohne weiteres veräußert werden kann und bei dem der Erwerber zumindest die Möglichkeit hat, den Wert bei Gefahr einer drohenden Vermögensminderung zu realisieren.
Derartige Besonderheiten liegen bei der nachträglichen Minderung des Werts eines freigebig zugewendeten Grundstücks nicht vor. Es handelt sich dabei um einen nachträglich eingetretenen Umstand, der nicht zu einer Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen führen kann. Die Besteuerung knüpft nach dem Willen des Gesetzgebers vielmehr allein an den Wert zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer an.

Nach der vom FG vertretenen Ansicht steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen zu, da es an Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit fehle. Einen Grund für die Zulassung der Revision hat der Kläger insoweit nicht wie nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich dargelegt.

Berücksichtigung des Verkaufspreises für eine Eigentumswohnung als Nachweis des niedrigeren Werts nach Bestandskraft des Wertfeststellungsbescheids

Die Änderung eines bestandskräftigen Feststellungsbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO kommt bei einem zeitnahen Verkauf der Wohnung nur in Betracht, wenn die Wohnung schon vor der abschließenden Entscheidung des Finanzamts über die Feststellung verkauft wurde.
Wird der Kaufvertrag erst nach der abschließenden Entscheidung des Finanzamts über die Feststellung abgeschlossen, liegt ein nachträglich entstandenes Beweismittel vor, das nicht zu einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO führt.

Der erst nach Eintritt der Bestandskraft der Feststellungsbescheide erfolgte Verkauf der Eigentumswohnung ist kein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, das die Änderung der Wertfeststellung rechtfertigt.

BFH Urteil vom 17.05.2017n- II R 60/15 BFH/NV 2017, 1299

Sachverhalt:
Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) erhielten im Wege einer Schenkung mit Wirkung zum 7. Juli 2010 als Miteigentümer jeweils zur Hälfte eine Eigentumswohnung.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) stellte mit Bescheiden vom 16. Juni 2011 den Grundbesitzwert für Zwecke der Schenkungsteuer zum 7. Juli 2010 auf 62.183 EUR gesondert fest und rechnete den Wert den Klägerinnen jeweils zur Hälfte zu. Die Feststellungsbescheide sind bestandskräftig.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27. September 2011 veräußerten die Klägerinnen die ihnen zugewendete Eigentumswohnung und eine der Klägerinnen die ihr allein gehörende, im selben Objekt befindliche gleich große Eigentumswohnung zum Gesamtpreis von 100.000 EUR.

Mit Schreiben vom 21. Mai 2014 beantragten die Klägerinnen, für die zugewendete Eigentumswohnung im Hinblick auf den zeitnah erfolgten Verkauf einen Grundbesitzwert von 50.000 EUR festzustellen und die bestandskräftigen Feststellungsbescheide vom 16. Juni 2011 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. Das FA lehnte mit Bescheid vom 28. Mai 2014 eine Änderung der Feststellungsbescheide ab, weil die zugewendete Eigentumswohnung erst nach der Feststellung des Grundbesitzwerts veräußert worden und damit keine Tatsache nachträglich bekannt geworden sei. Ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liege ebenfalls nicht vor. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 693 veröffentlichten Urteil ab.
Mit der Revision rügen die Klägerinnen eine Verletzung von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 198 des Bewertungsgesetzes in der für 2010 maßgebenden Fassung (BewG).
Die Klägerinnen beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Ablehnungsbescheid vom 28. Mai 2014 sowie die Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2014 aufzuheben und die Bescheide vom 16. Juni 2011 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts zum 7. Juli 2010 dahin zu ändern, dass der Wert der Eigentumswohnung mit 50.000 EUR festgestellt und ihnen jeweils zur Hälfte zugerechnet wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Änderung der bestandskräftigen Feststellungsbescheide nicht vorliegen.
Die Feststellungsbescheide sind nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern.

Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu ändern, wenn Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Die Änderungsnorm gilt sinngemäß auch für Feststellungsbescheide (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO).
Ein Beweismittel ist i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nachträglich bekannt geworden, wenn es beim Erlass des zu ändernden Bescheids zwar bereits existierte, aber dem Finanzamt nicht bekannt war. Dagegen scheidet eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei einem nachträglich entstandenen Beweismittel aus.
Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen (§ 198 Satz 1 BewG). Ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgeblichen Besteuerungsstichtag erzielter Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück kann als Nachweis in diesem Sinne dienen. Zeitnah ist regelmäßig ein Kaufpreis, der auf einem innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommenen Kaufvertrag beruht; zu berücksichtigen kann aber auch ein außerhalb dieses Zeitraums erzielter Kaufpreis sein.

Der zeitnahe Verkauf einer zugewendeten Wohnung ist ein Beweismittel i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, das generell geeignet ist, Rückschlüsse auf den Wert dieser Wohnung zuzulassen. Die Änderung eines bestandskräftigen Feststellungsbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn der Verkauf der Wohnung schon vor der abschließenden Entscheidung des Finanzamts über die Feststellung stattgefunden hat. In diesem Fall kann der beim Verkauf erzielte Kaufpreis ein nachträglich bekannt gewordenes Beweismittel i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sein. Wird der Kaufvertrag dagegen erst nach der abschließenden Entscheidung über die Feststellung abgeschlossen, liegt ein nachträglich entstandenes Beweismittel vor, das nicht zu einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO führt.

Der Wert der Eigentumswohnung ist auch keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Wird eine Wohnung nach der Wertfeststellung verkauft und ist der erzielte Verkaufspreis niedriger als der festgestellte Wert, wird der Wert der Wohnung aus dem später abgeschlossenen Kaufvertrag abgeleitet. Schlussfolgerungen aller Art sind jedoch keine Tatsachen i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Als neue Tatsachen können deshalb auch nicht die wertbegründenden Eigenschaften der Wohnung angesehen werden.

Danach sind die bestandskräftigen Bescheide über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts zum 7. Juli 2010 nicht wegen nachträglich bekannt gewordener Beweismittel oder Tatsachen zu ändern. Die Eigentumswohnung ist mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27. September 2011 und damit erst nach der Feststellung des

Eine Änderung der Feststellungsbescheide gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO scheidet ebenfalls aus.
Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, wenn ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
Ein rückwirkendes Ereignis liegt vor, wenn der nach dem Steuertatbestand rechtserhebliche Sachverhalt sich später anders gestaltet und sich steuerlich in der Weise in die Vergangenheit auswirkt, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Eine andere rechtliche Beurteilung des unverändert bleibenden Sachverhalts genügt insoweit nicht.

Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, also bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen, ist den Normen des materiellen Steuerrechts zu entnehmen. Beweismittel, die ausschließlich dazu dienen, eine steuerrechtlich relevante Tatsache zu belegen, und die als solche keinen Eingang in eine materielle Steuerrechtsnorm gefunden haben, sind selbst dann kein rückwirkendes Ereignis, wenn sie erst nach Bestandskraft eines Bescheids beschafft werden können.
Der im Streitfall erst nach Eintritt der Bestandskraft der Feststellungsbescheide erfolgte Verkauf der Eigentumswohnung ist kein rückwirkendes Ereignis. Der Verkauf und der erzielte Verkaufspreis sind keine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Ansatz eines niedrigeren Grundbesitzwerts. § 198 Satz 1 BewG sieht für Grundvermögen zwar den Nachweis eines gemeinen Werts vor, der niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG ermittelte Wert. Für den Nachweis ist aber –anders als z.B. beim Zuwendungsnachweis für Spenden nach § 50 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung– kein bestimmtes Beweismittel gesetzlich vorgeschrieben. Der Steuerpflichtige kann den Nachweis durch verschiedene Beweismittel führen. Ist die Art des Nachweises nicht als materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzung gesetzlich festgelegt, sind vom Steuerpflichtigen vorgelegte Unterlagen bloße Beweismittel.

Besteuerung der Abfindung für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch

Die Besteuerung der Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch zahlt, richtet sich nach der zwischen den Erben maßgebenden Steuerklasse (Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung). Vorerwerbe vom künftigen Erblasser sind nicht zu berücksichtigen.

BFH Urteil vom 10.05.2017 – II R 25/15, BFH/NV 2017, 1391

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) verzichtete durch notariell beurkundeten Erbschaftsvertrag vom 14. Februar 2006 gegenüber seinen drei Brüdern für den Fall, dass er durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge seiner Mutter (M) ausgeschlossen sein sollte, auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs einschließlich etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen eine von den Brüdern jeweils zu zahlende Abfindung in Höhe von 150.000 EUR.
Nachdem der Bundesfinanzhof entschieden hatte, dass die Zahlung der Abfindungen an den Kläger nicht als Schenkung der M an diesen, sondern als drei freigebige Zuwendungen der Brüder an den Kläger getrennt zu besteuern sind, setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) für die Zuwendung eines Bruders (K) mit Bescheid vom 19. Februar 2014 gegen den Kläger Schenkungsteuer in Höhe von 28.405 EUR fest. Dabei berücksichtigte das FA die Abfindung abzüglich anteiliger Kosten der Schenkung in Höhe von 520 EUR. Dem Erwerb rechnete es Vorerwerbe (Schenkungen) von M aus dem Jahr 2002 in Höhe von 1.056.232 EUR hinzu. Hinsichtlich des Freibetrags (205.000 EUR gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der im Jahr 2006 geltenden Fassung –ErbStG–) und des Steuersatzes (19 % nach § 19 Abs. 1 ErbStG) ging das FA von der im Verhältnis des Klägers zu M geltenden Steuerklasse I Nr. 2 (§ 15 Abs. 1 ErbStG) aus. Für die Vorschenkungen zog es einen Steuerbetrag von 161.728 EUR ab.

Das Finanzgericht (FG) setzte die Schenkungsteuer auf 10.810 EUR herab. Vorerwerbe nach M rechnete es nicht hinzu. Entsprechend dem Antrag des Klägers berücksichtigte es einen Freibetrag i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG in Höhe von 51.200 EUR. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1108 veröffentlicht.

Begründung:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des Schenkungsteuerbescheids vom 19. Februar 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. August 2014 dahingehend, dass die Schenkungsteuer auf 23.647 EUR festgesetzt wird (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass die Vorerwerbe von M bei der Berechnung der Steuer nicht zu berücksichtigen sind. Entgegen der Auffassung des FG ist aber die im Verhältnis des Klägers zu K gemäß § 15 Abs. 1 ErbStG geltende Steuerklasse II maßgebend.
Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine freigebige Zuwendung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung objektiv unentgeltlich ist, und in subjektiver Hinsicht den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit
Schließen künftige gesetzliche Erben einen Vertrag gemäß § 311b Abs. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB– (früher § 312 Abs. 2 BGB), wonach der eine auf seine künftigen Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche gegen Zahlung eines Geldbetrags verzichtet, stellt die Zahlung eine freigebige Zuwendung des Zahlenden i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Da die Abfindung in einem solchen Fall aus dem Vermögen des künftigen gesetzlichen Erben geleistet wird, liegt eine freigebige Zuwendung von diesem und nicht eine freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers an den Empfänger der Abfindung vor

Im Hinblick auf die anzuwendende Steuerklasse führte der BFH in seiner bisherigen Rechtsprechung aus, diese richte sich nicht nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers (Verzich-tenden) zum Zahlenden, sondern zum künftigen Erblasser. Der Verzicht auf Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche gegenüber einem anderen gesetzlichen Erben sollte hinsichtlich der Steuerklasse vor Eintritt des Erbfalls nicht anders behandelt werden als nach Eintritt des Erbfalls, bei dem der Verzicht auf die noch nicht geltend gemachten Pflichtteilsansprüche gegen Abfindung gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG nach der Steuerklasse zu bestimmen ist, die im Verhältnis zum Erblasser. Zudem sollte es für die anwendbare Steuerklasse keinen Unterschied machen, ob der Verzicht mit dem künftigen Erblasser oder dem anderen gesetzlichen Erben vereinbart wird. Es sollte stets das Verhältnis des Verzichtenden zum künftigen Erblasser zu Grunde gelegt werden.
Nach nochmaliger Überprüfung hält der BFH an dieser Rechtsprechung zur Bestimmung der Steuerklasse nicht mehr fest. Der Streitfall zeigt, dass eine steuerrechtliche Gleichbehandlung des vor und nach dem Erbfall erklärten Verzichts auf Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche gegenüber anderen gesetzlichen Er-ben nicht möglich ist.
Die vom FA verwendete Berechnungsmethode, die bei mehreren Zahlungsverpflichteten den im Verhältnis zum Erblasser maßgebenden Freibetrag bei jeder Abfindung des Verzichtenden berücksichtigt, kann wegen der Vervielfachung des Freibetrags zu einer erheblichen schenkungsteuerrechtlichen Besserstellung des vor dem Erbfall vereinbarten Pflichtteilsverzichts führen. So wären im Streitfall –bei der vom Kläger begehrten Nichtberücksichtigung der Vorerwerbe von der künftigen Erblasserin M– die von seinen Brüdern gezahlten Abfindungen von jeweils 150.000 EUR geringer als der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG von jeweils 205.000 EUR. Schenkungsteuer würde nicht anfallen. Demgegenüber würden die Abfindungen bei einem nach Eintritt des Erbfalls vereinbarten Pflichtteilsverzicht gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 Alternative 1 ErbStG als von M zugewendet gelten mit der Folge, dass der Freibetrag von 205.000 EUR nur einmal anzusetzen wäre; für die Abfindungen wäre, soweit sie zusammen 205.000 EUR übersteigen, Erbschaftsteuer festzusetzen.

Eine Aufteilung des im Verhältnis zum Erblasser maßgebenden Freibetrags nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG auf die jeweiligen freigebigen Zuwendungen der zur Abfindungszahlung verpflichteten gesetzlichen Erben kann ebenfalls nicht gewährleisten, dass beim Erwerber eine unabhängig vom Zeitpunkt des Pflichtteilsverzichts gleichmäßige Steuerbelastung eintritt. Denn auch hier sind die Abfindungen, die andere gesetzliche Erben leisten, bei einem Pflichtteilsverzicht vor dem Erbfall als freigebige Zuwendungen der anderen gesetzlichen Erben nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu besteuern, während bei einem Pflichtteilsverzicht nach dem Erbfall insoweit ein Erwerb von Todes wegen vom Erblasser nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG vorliegt. Wegen der progressiven Steuersätze könnte diese Berechnungsmethode eine im Ergebnis gleiche Steuerbelastung allenfalls zufällig erreichen.
Vorerwerbe des Verzichtenden vom künftigen Erblasser können darüber hinaus nur berücksichtigt werden, wenn ein Erwerb vom Erblasser zu besteuern ist, also bei einem nach dessen Tod mit den anderen gesetzlichen Erben vereinbarten Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung. § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG betrifft lediglich innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile. Vom künftigen Erblasser angefallene Vermögensvorteile können daher bei der Besteuerung der Abfindung, die von künftigen gesetzlichen Erben für den vor dem Ableben des Erblassers vereinbarten Pflichtteilsverzicht gezahlt wird, nicht als Vorerwerb berücksichtigt werden. Aus der nach der bisherigen Rechtsprechung gegebenen Anwendbarkeit der Steuerklasse I lässt sich kein vom klaren Wortlaut des § 14 Abs. 1 ErbStG abweichendes Ergebnis ableiten.

Für die Besteuerung des Erwerbs eines gesetzlichen Erben von einem anderen gesetzlichen Erben aufgrund Verzichts auf künftige Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche gegen Zahlung eines Geldbetrags ist nach den allgemeinen Regeln das Verhältnis des Verzichtenden zu dem anderen gesetzlichen Erben maßgebend. Die Steuerklasse (§ 15 ErbStG) und somit der Freibetrag (§ 16 Abs. 1 ErbStG) sowie der Steuersatz (§ 19 ErbStG) richten sich nach diesem Verhältnis. Vorerwerbe von dem künftigen Erblasser sind nicht nach § 14 ErbStG für die Besteuerung dem Erwerb hinzuzurechnen, weil der Verzichtende die Abfindung nicht vom künftigen Erblasser, sondern von dem anderen gesetzlichen Erben erhält. Es fehlt an der von § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG vorausgesetzten Personengleichheit.
Nach diesen Grundsätzen ist dem Erwerb des Klägers nach § 15 Abs. 1 ErbStG die Steuerklasse II nach seinem Verhältnis zu seinem Bruder K zu Grunde zu legen. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bleibt der Erwerb in Höhe von 10.300 EUR steuerfrei. Vorerwerbe von M sind dem Erwerb nicht hinzuzurechnen.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtsprechung zur Anwendung der Steuerklasse I unter den Aspekten des Vertrauensschutzes oder der Rechtssicherheit geboten war.

Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung konnte er nicht davon ausgehen, dass für die Besteuerung die für ihn günstige Steuerklasse I mit dem entsprechenden Freibetrag (§ 16 Abs. 1 ErbStG) und dem maßgebenden Steuersatz (§ 19 ErbStG) zur Anwendung komme, Vorerwerbe von M dem Erwerb aber nicht hinzuzurechnen seien. Intention der bisherigen Rechtsprechung des BFH war, den Verzicht vor und nach dem Erbfall steuerrechtlich gleich zu behandeln (vgl. oben unter II.1.b); wie die Besteuerung im Einzelnen zu erfolgen habe, wurde offen gelassen. Hätte man im Streitfall nach dem Verhältnis des Klägers zu M die Steuerklasse I, den entsprechenden Freibetrag von 205.000 EUR und einen Steuersatz von 19 % angewendet sowie dem Erwerb die Vorerwerbe von M hinzugerechnet, hätte sich eine Steuerfestsetzung in Höhe von 28.405 EUR ergeben (vgl. Bescheid des FA vom 19. Februar 2014). Diese liegt über der durch die Revisionsentscheidung festgesetzten Steuer in Höhe von 23.647 EUR und wäre somit für den Kläger nachteilig. Aus diesem Grund ist die Entscheidung im Streitfall nicht an den Grundsätzen zum Vertrauensschutz zu messen, die der BFH für eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung aufgestellt hat.

Beginn der Festsetzungsfrist bei Schenkung mehrerer Gegenstände

Wendet ein Schenker dem Bedachten mehrere Vermögensgegenstände gleichzeitig zu, erlangt das FA aber lediglich Kenntnis von der freigebigen Zuwendung eines dieser Gegenstände, führt dies nicht zum Anlauf der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer für die übrigen zugewendeten Vermögensgegenstände.
BFH Urteil vom 26.07.2017 – II R 22/16 BFH/NV 2017, 1585

Sachverhalt:
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt –neben ihrem Bruder und ihrer Schwester– mit notariell beurkundetem Schenkungsvertrag vom 5. November 2002 (Übertragungsvertrag) von ihrer Mutter (M) Eigentumsanteile von jeweils 1/3 am Grundbesitz (Grundbesitz B) sowie an zwei Eigentumswohnungen (übriger Grundbesitz) gegen Einräumung eines lebenslangen Nießbrauchs.
In der durch den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) geführten Schenkungsteuerakte befindet sich eine durch die seinerzeit für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzbehörde übersandte Veräußerungsanzeige des Notars in Bezug auf den Grundbesitz B vom 7. November 2002 sowie eine Anlage zur Veräußerungsanzeige vom 7. November 2002, in welcher der Übertragungsvertrag erwähnt wird. In der Veräußerungsanzeige war angegeben, dass der Grundbesitz B aufgrund Schenkung an Verwandte in gerader Linie gemäß anliegender Liste übertragen worden sei, der Tag der Übergabe der 5. November 2002 gewesen sei und der von den Parteien zu Grunde gelegte Wert des Grundbesitzes 575.000 EUR sowie der Wert des Nießbrauchs 38.000 EUR betragen hätten. In der Anlage zur Veräußerungsanzeige war u.a. die Klägerin als Erwerberin namentlich mit ihrer Wohnadresse bezeichnet. Außerdem wurde die Höhe ihres Erwerbs mit 1/3 angegeben.
M verstarb im Dezember 2009. Im Oktober 2011 erklärte der Bruder der Klägerin in einer Erbschaftsteuererklärung den gesamten im Jahr 2002 durch Schenkung erworbenen Grundbesitz unter Angabe der drei Erwerber als Vorerwerb.

Mit Schenkungsteuerbescheid vom 1. November 2012 setzte das FA für die Zuwendungen vom 5. November 2002 gegenüber der Klägerin Schenkungsteuer fest. Mit Änderungsbescheid vom 12. Mai 2014 wurde der Grundbesitz B nicht mehr für die Schenkungsteuer berücksichtigt und die Steuer entsprechend auf 61.388 EUR herabgesetzt. Der Einspruch gegen die Besteuerung des übrigen Grundbesitzes blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die Schenkungsteuer für den Erwerb aufgrund des Übertragungsvertrags sei –mit Ausnahme der auf den Erwerb des Grundbesitzes B entfallenden Steuer– noch nicht festsetzungsverjährt gewesen. Aufgrund der Anlaufhemmung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) habe die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres 2009, in dem M verstorben sei, begonnen. Im Jahr 2002 habe das FA durch die Veräußerungsanzeige lediglich Kenntnis von dem Erwerb des Grundbesitzes B, nicht hingegen von dem Erwerb des übrigen Grundbesitzes erlangt.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO geltend.
Sie beantragt, die Vorentscheidung und die Schenkungsteuerbescheide vom 1. November 2012 und 12. Mai 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. September 2014 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Begründung:
Die Revision ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zutreffend erkannt, dass der mit dem Erlass der angefochtenen Schenkungsteuerbescheide geltend gemachte Steueranspruch für den Erwerb des übrigen Grundbesitzes noch nicht wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen war und deshalb zu Recht festgesetzt wurde.
Nach § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis u.a. durch Verjährung. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Festsetzungsfrist beträgt für die Schenkungsteuer regelmäßig vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Sie beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist (§ 170 Abs. 1 AO).

Nach der für die Schenkungsteuer getroffenen Sonderregelung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 oder 2 AO bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat. Maßgeblich ist dabei die Alternative, die als erste eingetreten ist. § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO enthält einen auf die Schenkungsteuer beschränkten selbständigen Hemmungstatbestand, der den Beginn der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 1 und 2 AO) auf den Ablauf des Jahres der Kenntniserlangung des Finanzamts von der vollzogenen Schenkung festlegt. Durch diese Vorschrift wird bei einer nach § 30 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) bestehenden Anzeigepflicht die in § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO enthaltene Drei-Jahres-Grenze, bis zu der der Anlauf der Festsetzungsfrist längstens gehemmt ist, außer Kraft gesetzt und bei einer lediglich für Gerichte und Notare bestehenden Anzeigepflicht nach § 34 ErbStG der Anlauf der sonst nach § 170 Abs. 1 AO beginnenden Festsetzungsfrist gehemmt.
§ 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO verlangt nach seinem Wortlaut positive Kenntnis des Finanzamts von der vollzogenen Schenkung. Positive Kenntnis in diesem Sinn ist gegeben, wenn das für die Verwaltung der Schenkungsteuer zuständige Finanzamt nicht durch Anzeige gemäß § 30 ErbStG, sondern anderweitig in dem erforderlichen Umfang (Name und Anschrift des Schenkers und des Bedachten, Rechtsgrund des Erwerbs) Kenntnis erlangt hat. Die Kenntnis von Umständen, die nur zur Prüfung Anlass geben, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt, genügt nicht. Hinsichtlich einer mittelbaren Schenkung hat der BFH entschieden, dass die Finanzbehörde erst dann Kenntnis von der vollzogenen Schenkung erlangt, wenn sie alle Umstände kennt, die die mittelbare Schenkung begründen. § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO dient der Sicherung des Steueranspruchs und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Finanzbehörde von Schenkungen regelmäßig erst spät –meist anlässlich des Todes des Schenkers– Kenntnis erlangt.

Wendet ein Schenker dem Bedachten mehrere Vermögensgegenstände gleichzeitig zu, erlangt das Finanzamt aber lediglich Kenntnis von der freigebigen Zuwendung eines dieser Gegenstände, führt dies nicht zum Anlauf der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer für die übrigen zugewendeten Vermögensgegenstände. Die nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO für den Anlauf der Festsetzungsfrist erforderliche Kenntnis des Finanzamts von der vollzogenen Schenkung bezieht sich in einem solchen Fall nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auf die Schenkung eines jeden einzelnen dieser Vermögensgegenstände. Da die Vorschrift die Kenntnis des Finanzamts von der vollzogenen Schenkung voraussetzt, beginnt die Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer für die übrigen zugewendeten Vermögensgegenstände nicht deshalb zu laufen, weil das Finanzamt die Möglichkeit gehabt hätte, durch weitere Ermittlungen Kenntnis von der gesamten freigebigen Zuwendung zu erlangen. Ob das Finanzamt durch das Unterlassen solcher Ermittlungen gegen seine gemäß § 88 Abs. 1 AO bestehende Verpflichtung verstoßen hat, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidungserheblich.

Nachdem im Streitfall nur die Zuwendung des nicht in der Veräußerungsanzeige ausgewiesenen übrigen Grundbesitzes der Schenkungsteuer unterworfen wurde, kann auf sich beruhen, ob die Festsetzungsfrist für die Steuer für den dem Finanzamt zunächst bekannt gewordenen Erwerb eines Vermögensgegenstands gesondert zu laufen beginnt oder ob die Festsetzungsfrist für die Steuer für den gesamten Erwerb erst anläuft, wenn er dem Finanzamt insgesamt bekannt geworden oder der Schenker verstorben ist.
Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend entschieden, dass die Schenkungsteuer gegenüber der Klägerin für den Erwerb des übrigen Grundbesitzes mit Bescheid vom 1. November 2012 noch festgesetzt werden konnte. Der Steueranspruch war noch nicht wegen Verjährung erloschen. Die vierjährige Festsetzungsfrist begann diesbezüglich mit Ablauf des Jahres 2009 und endete mit Ablauf des Jahres 2013.
Die Festsetzungsfrist für den Erwerb des übrigen Grundbesitzes begann nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 1 AO mit Ablauf des Jahres, in dem M verstorben war, nämlich mit Ablauf des Jahres 2009.

Ein früherer Beginn nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 Alternative 2 AO lag nicht vor. Das FA erlangte erst mit Einreichung der Erbschaftsteuererklärung durch den Bruder der Klägerin im Oktober 2011 Kenntnis von der vollzogenen Schenkung des übrigen Grundbesitzes. Durch die Veräußerungsanzeige, welche die Schenkungsteuerstelle des FA im Jahr 2002 erreichte, erlangte das FA keine positive Kenntnis von der vollzogenen Schenkung hinsichtlich des übrigen Grundbesitzes. Die Veräußerungsanzeige enthielt keine Angaben zu der Schenkung des übrigen Grundbesitzes; sie zählte als Übertragungsgegenstand nur den Grundbesitz B auf. Auch der angegebene Wert des übertragenen Gegenstands (575.000 EUR) und der Wert des eingeräumten Nießbrauchs (38.000 EUR) bezogen sich nur auf den Grundbesitz B. Ob das FA durch weitere Ermittlungen von Amts wegen –z.B. Anforderung des Schenkungsteuervertrags– positive Kenntnis von der vollzogenen Schenkung des übrigen Grundbesitzes hätte erlangen können, ist nicht entscheidungserheblich.
Ob das FA den Grundbesitz B zu Recht nicht in die Bemessungsgrundlage der Schenkungsteuer einbezogen hat, kann auf sich beruhen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO, die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO.

Keine Billigkeitsmaßnahmen bei der Schenkungsteuer wegen nachträglicher Wertminderungen

Eine nach der Entstehung der Steuer eingetretene Wertminderung eines freigebig zugewendeten Grundstücks kann keinen Erlass der Schenkungsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen rechtfertigen.
BFH Beschluss vom 30.08.2017 – II B 16/17 BFH/NV 2017, 1611

Begründung:
Die Beschwerde ist unbegründet. Soweit ihre Begründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht, liegt der geltend gemachte Grund für die Zulassung der Revision nicht vor.
Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. Ist die Rechtslage eindeutig, bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde ist zudem in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO die Revision nicht zuzulassen, wenn sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig erweist.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sind vorliegend nicht erfüllt.
Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) herausgestellte Rechtsfrage, ob “für eine Billigkeitsprüfung gem. § 227 AO nach veranlagter Schenkungsteuer unter dem Gesichtspunkt, ob im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Az: 1 BvR 48/94 und im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen Art. 14 GG die aus der Veranlagung stammende Steuerverpflichtung aus nach der Veranlagung eingetretener oder bekanntgewordener Umstände nicht aus fluktuierendem Vermögen bestritten werden kann und eine erdrosselnde Wirkung für den Steuerpflichtigen vorliegt, erforderlich [ist], dass der Steuerpflichtige im Veranlagungsverfahren gegen die Festsetzung der Steuer Rechtsmittel eingelegt hat, dies unter Zugrundelegung des durch den Großen Senat des BFH in der Entscheidung vom 28.11.2016, Az.: GrS 1/15 letztmals definierten Begriffs der ‘Unbilligkeit'”, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie bezieht sich nicht auf die vom Finanzgericht (FG) vertretene Ansicht, dass die Feststellung des Grundbesitzwerts und der Schenkungsteuerbescheid wegen der eingetragenen Bestandskraft in dem auf einen Erlass der Steuer aus Billigkeitsgründen gerichteten Verfahren nicht mehr überprüft werden könnten. Der Kläger führt auf S. 8 oben der Beschwerdebegründung vom 19. April 2017 aus, er habe im Klageverfahren nicht darauf abgestellt, dass er mit dem Gutachten die Werte zum Stichtag des § 11 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) dokumentiert habe. Mit dem Gutachten seien Wertentwicklungen belegt, die zum Stichtag “01.12.2012” erfasst worden seien.
Der Kläger möchte vielmehr eine Klärung erreichen, ob eine nach der Entstehung der Schenkungsteuer gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG eingetretene Minderung des Werts eines freigebig zugewendeten Grundstücks zu einem Erlass führen kann, obwohl die Feststellung des Grundbesitzwerts und der Schenkungsteuerbescheid bestandskräftig geworden sind.

Diese Frage bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Die nach der Entstehung der Steuer eingetretene Wertminderung begründet unabhängig von der eingetretenen Bestandskraft keine sachliche Unbilligkeit i.S. des § 227 der Abgabenordnung (AO).
Sachlich unbillig in diesem Sinn ist die Festsetzung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint. So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage –wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte– im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte. Eine Billigkeitsentscheidung darf jedoch nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Sie darf nicht die Wertung des Gesetzes durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen. Billigkeitsmaßnahmen dienen der Anpassung des steuerrechtlichen Ergebnisses an die Besonderheiten des Einzelfalls, um Rechtsfolgen auszugleichen, die das Ziel der typisierenden gesetzlichen Vorschrift verfehlen und deshalb ungerecht erscheinen. Sie gleichen Härten im Einzelfall aus, die der steuerrechtlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht entsprechen und damit zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme..
Eine nach der Entstehung der Steuer eingetretene Wertminderung eines freigebig zugewendeten Grundstücks kann danach keinen Erlass der Schenkungsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen rechtfertigen. Der Zeitpunkt der Steuerentstehung ist der umfassende zeitliche Bezugspunkt für die Erbschaft- und Schenkungsteuer und nach § 11 ErbStG für die Wertermittlung maßgeblich. Die Wertermittlung stellt damit eine Momentaufnahme dar und nicht das Ergebnis einer dynamischen Betrachtung, mit der sich auch die weitere wertmäßige Entwicklung des Erwerbs erfassen ließe. Dies schließt es aus, nachträglich eingetretene, d.h. am Bewertungsstichtag noch nicht vorhandene Umstände wie etwa den Ausfall einer zum Nachlass gehörenden Forderung aufgrund von Umständen, die erst nach dem Tod des Erblassers eingetreten sind, auf diesen Zeitpunkt zurückzubeziehen (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2000 II R 46/98, BFH/NV 2001, 420). Es entspricht somit den Wertungen des Gesetzgebers, dass eine nach der Entstehung der Steuer eingetretene Minderung des Werts eines freigebig zugewendeten Grundstücks unberücksichtigt bleibt. Mit diesen Wertungen wäre es nicht vereinbar, wenn man eine Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen auf die nachträgliche Wertminderung stützen würde. Dass nach dem Bewertungsstichtag eintretende Wertänderungen zugunsten oder zulasten der Steuerpflichtigen bei der Besteuerung unberücksichtigt bleiben, hat der Gesetzgeber bewusst angeordnet.

Dem vom Kläger zitierten, lässt sich nichts anderes entnehmen. Es betrifft nicht eine nach der Entstehung der Schenkungsteuer eingetretene Wertminderung eines freigebig zugewendeten Grundstücks, sondern Billigkeitsmaßnahmen bei von Todes wegen erworbenen lebenslänglichen Leibrenten, wenn der Steuerpflichtige die jährliche Besteuerung des Jahreswerts gewählt hatte und die Rentenzahlungen später wegen der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Verpflichteten ausfallen. Der BFH hat die dabei bestehenden Besonderheiten hervorgehoben, die eine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen können. Zum einen knüpft die Besteuerung an die lebenslängliche Leistung der Rente an, so dass es bei einem Wegfall der Rentenzahlungen aufgrund von Umständen, die der Rentenberechtigte nicht zu vertreten hat, zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Überhang des Steuertatbestandes kommt, weil der Rentenberechtigte zwar keine Zahlungen mehr erhält, aber weiterhin bis zu seinem Ableben nach § 23 Abs. 1 ErbStG die Jahressteuer für eine lebenslängliche Rente zu entrichten hat. Zum anderen unterscheidet sich der Anspruch auf eine Leibrente grundlegend von einem anderen Vermögensgegenstand, der ohne weiteres veräußert werden kann und bei dem der Erwerber zumindest die Möglichkeit hat, den Wert bei Gefahr einer drohenden Vermögensminderung zu realisieren.

Derartige Besonderheiten liegen bei der nachträglichen Minderung des Werts eines freigebig zugewendeten Grundstücks nicht vor. Es handelt sich dabei um einen nachträglich eingetretenen Umstand, der nicht zu einer Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen führen kann. Die Besteuerung knüpft nach dem Willen des Gesetzgebers vielmehr allein an den Wert zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer an.
Nach der vom FG vertretenen Ansicht steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen zu, da es an Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit fehle. Einen Grund für die Zulassung der Revision hat der Kläger insoweit nicht wie nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich dargelegt.

Zuwendungsverhältnis bei Zahlung eines überhöhten Entgelts durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person

Die Zahlung überhöhter vertraglicher Entgelte durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person ist keine gemischte freigebige Zuwendung der GmbH i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an die nahestehende Person, wenn der Gesellschafter beim Abschluss der Vereinbarung zwischen der GmbH und der nahestehenden Person mitgewirkt hat. In einem solchen Fall beruht die Vorteilsgewährung auf dem Gesellschaftsverhältnis zwischen der GmbH und dem Gesellschafter.

Diese Rechtsgrundsätze gelten entsprechend, wenn mehrere Gesellschafter an der GmbH beteiligt sind, von denen zumindest einer bei der Vereinbarung zwischen der GmbH und der ihm nahestehenden Person mitgewirkt hat.

Ist ein Gesellschafter über eine Muttergesellschaft an der GmbH beteiligt, gelten die Rechtsgrundsätze entsprechend, wenn er an dem Vertragsabschluss zwischen der GmbH und der ihm nahestehenden Person mitgewirkt hat.

BFH Urteil vom 13.09.2017 II R 54/15 und II R 42/16

Begründung:

Zahlt eine GmbH unter Mitwirkung des Gesellschafters einen überhöhten Mietzins oder Kaufpreis an eine dem Gesellschafter nahestehende Person, liegt hierin keine Schenkung der GmbH an die nahestehende Person. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit drei Urteilen vom 13. September 2017 II R 54/15, II R 32/16 und II R 42/16 unter Änderung der rechtlichen Beurteilung entschieden hat, kann vielmehr eine Schenkung des Gesellschafters an die ihm z.B. als Ehegatte nahestehende Person gegeben sein.

In den Streitfällen II R 54/15 und II R 32/16 hatten die Kläger Grundstücke an eine GmbH vermietet. Sie waren jeweils die Ehegatten der Gesellschafter der GmbH. Die Gesellschafter hatten die Verträge mit unterschrieben oder als Gesellschafter-Geschäftsführer abgeschlossen. Im Streitfall II R 42/16 veräußerte der Kläger Aktien an eine GmbH. Er war der Bruder des Gesellschafters, der den Kaufpreis bestimmt hatte. Die bei den GmbHs durchgeführten Außenprüfungen ergaben, dass Mietzins und Kaufpreis überhöht waren und insoweit ertragsteuerrechtlich verdeckte Gewinnausschüttungen der GmbHs an ihre Gesellschafter vorlagen. Die Finanzämter sahen die überhöhten Zahlungen zudem schenkungsteuerrechtlich als gemischte freigebige Zuwendungen der GmbHs an die nahestehenden Personen an und besteuerten diese nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG).

Der BFH ist dem aufgrund einer geänderten Beurteilung nicht gefolgt (vgl. zur bisherigen Rechtsprechung BFH-Urteil vom 7. November 2007 II R 28/06, BFHE 218, 414, BStBl II 2008, 258). Die Zahlung überhöhter vertraglicher Entgelte durch eine GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person ist danach keine gemischte freigebige Zuwendung der GmbH i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an die nahestehende Person, wenn der Gesellschafter beim Abschluss der Vereinbarung zwischen der GmbH und der nahestehenden Person mitgewirkt hat. Die Mitwirkung des Gesellschafters kann darin bestehen, dass er den Vertrag zwischen GmbH und nahestehender Person als Gesellschafter-Geschäftsführer abschließt, als Gesellschafter mit unterzeichnet, dem Geschäftsführer eine Anweisung zum Vertragsabschluss erteilt, in sonstiger Weise auf den Vertragsabschluss hinwirkt oder diesem zustimmt.

Grund für die Zahlung des überhöhten Mietzinses oder Kaufpreises durch die GmbH an den Ehegatten oder Bruder ist in einem solchen Fall das bestehende Gesellschaftsverhältnis zwischen der GmbH und ihrem Gesellschafter. Dies gilt auch, wenn mehrere Gesellschafter an der GmbH beteiligt sind und zumindest einer bei der Vereinbarung zwischen der GmbH und der ihm nahestehenden Person mitgewirkt hat. Ist ein Gesellschafter über eine Muttergesellschaft an der GmbH beteiligt, gelten die Rechtsgrundsätze entsprechend, wenn er an dem Vertragsabschluss zwischen der GmbH und der ihm nahestehenden Person mitgewirkt hat.

In diesen Fällen kann jedoch der Gesellschafter selbst Schenker i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sein. Ob tatsächlich eine Schenkung zwischen dem Gesellschafter und der nahestehenden Person vorliegt, hängt von der Ausgestaltung der zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehung ab. Hier sind verschiedene Gestaltungen denkbar (z.B. Schenkungsabrede, Darlehen, Kaufvertrag). Hierüber hatte der BFH in den Streitfällen nicht abschließend zu entscheiden.

Abfindung für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch

Die Besteuerung der Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch zahlt, richtet sich nach der zwischen den Erben maßgebenden Steuerklasse (Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung). Vorerwerbe vom künftigen Erblasser sind nicht zu berücksichtigen.

BFH Urteil vom 10.5.2017, II R 25/15

Begründung (BFH):
Verzichtet ein gesetzlicher Erbe gegen eine von seinen Geschwistern zu zahlende Abfindung auf seinen Pflichtteilsanspruch, ist künftig danach zu unterscheiden, ob der Verzicht bereits zu Lebzeiten oder erst nach dem Tod des Erblassers vereinbart wird. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 10. Mai 2017 II R 25/15 unter Aufgabe bisheriger Rechtsprechung entschieden hat, unterliegt der Verzicht zwischen Geschwistern zu Lebzeiten des Erblassers nunmehr der Steuerklasse II, so dass die für den Steuerpflichtigen günstigere Steuerklasse I dann nur noch bei einem Verzicht nach dem Tod des Erblassers anzuwenden ist.
Im Streitfall verzichtete der Kläger im Jahr 2006 für den Fall, dass er durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge nach seiner Mutter ausgeschlossen sein sollte, gegenüber seinen drei Brüdern auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs gegen eine von diesen jeweils zu zahlende Abfindung in Höhe von 150.000 €. Im Jahr 2002 hatte er von der Mutter bereits Schenkungen im Wert von 1.056.232 € erhalten.
Zu diesem Streitfall hatte der BFH bereits in einem ersten Verfahren entschieden, dass die Zahlung der Abfindungen an den Kläger nicht als Schenkung der Mutter an diesen, sondern als drei freigebige Zuwendungen der Brüder an ihn getrennt zu besteuern sind (Urteil vom 16. Mai 2013 II R 21/11, BFHE 241, 390, BStBl II 2013, 922).
Das Finanzamt (FA) erließ daraufhin für die Zuwendungen der Brüder getrennte Schenkungsteuerbescheide gegen den Kläger. Die Besteuerung erfolgte ähnlich wie bei einer Zuwendung durch die Mutter. Das FA rechnete dabei der Abfindung von 150.000 € je Bruder jeweils den vollen Wert der im Jahr 2002 erfolgten Schenkungen der Mutter an den Kläger hinzu. Davon zog es den seinerzeit für Erwerbe von Kindern von ihren Eltern zustehenden Freibetrag von 205.000 € (heute: 400.000 €) ab. Es wandte zudem den Steuersatz der Steuerklasse I für Kinder an (19 %) und zog von der so ermittelten Steuer den gesetzlichen Anrechnungsbetrag für die Steuer für die Vorschenkungen ab. Hieraus ergab sich eine Steuer von 28.405 €.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es rechnete die Vorschenkungen den Abfindungen nicht hinzu und berücksichtigte dem Antrag des Klägers entsprechend lediglich den für die “übrigen Personen der Steuerklasse I” vorgesehenen Freibetrag in Höhe von seinerzeit 51.200 € (heute: 100.000 €). Damit setzte das FG die Schenkungsteuer auf 10.810 € herab.

Dem folgte der BFH nicht. Nach seinem Urteil handelt es sich um eine Zuwendung zwischen Geschwistern und nicht um eine Zuwendung an ein Kind. Damit hatte das FG zwar zu Recht entschieden, dass die Vorschenkungen der Mutter bei der Berechnung der Steuer nicht zu berücksichtigen sind; denn sie stammten nicht wie erforderlich von den Schenkern, den Brüdern. Entgegen der Auffassung des FG war aber die im Verhältnis des Klägers zu seinen Brüdern geltende Steuerklasse II zwischen Geschwistern anzuwenden, und zwar sowohl hinsichtlich des anwendbaren Freibetrags (10.300 €, heute 20.000 €) als auch des Steuersatzes (17 %). Unter Berücksichtigung von Schenkungskosten war daher die Schenkungsteuer im Streitfall auf 23.647 € festzusetzen.
Darin liegt eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung. Bisher war der BFH davon ausgegangen, dass in derartigen Fällen für die Besteuerung der Abfindungen nicht das Verhältnis des Zuwendungsempfängers (Verzichtenden) zum Zahlenden, sondern dasjenige zum künftigen Erblasser maßgebend sei. Dem lag das Ziel zugrunde, den gegen Abfindung vereinbarten Pflichtteilsverzicht sowohl vor als auch nach dem Eintritt des Erbfalls im Ergebnis gleich zu behandeln. Dieses Ziel kann aber insbesondere dann nicht erreicht werden, wenn der Pflichtteilsverzicht gegenüber mehreren Personen erklärt wird und/oder Vorschenkungen des (künftigen) Erblassers an den Verzichtenden vorliegen. Bei einem vor Eintritt des Erbfalls vereinbarten Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung sind daher die erbschaftsteuerrechtlichen Vorschriften anwendbar, die im Verhältnis des Zahlungsempfängers zu den Zahlenden gelten.
Die geänderte Rechtsprechung führt bei Pflichtteilsverzichten zwischen Geschwistern gegen Abfindung, die noch zu Lebzeiten des Erblassers vereinbart werden, im Regelfall zu einer höheren Steuerbelastung als bei einer Vereinbarung nach dem Erbfall. Die Vereinbarung zu Lebzeiten begründet die Anwendung der Steuerklasse II, die Vereinbarung nach dem Erbfall die der Steuerklasse I. Bei einem nach Abzug des Freibetrags von heute 20.000 € je Zahlenden bei Steuerklasse II und von 400.000 € bei Steuerklasse I verbleibenden steuerpflichtigen Erwerb von z.B. über 75.000 € bis zu 300.000 € beläuft sich dann der Steuersatz heute auf 20 % anstelle von 11 %.

Freibetrag für Kinder bei der Pflege ihrer Eltern

Eine aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht schließt die Gewährung des Pflegefreibetrags nicht aus.

BFH Urteil vom 10.5.2017, II R 37/15

Begründung:
Hat ein Kind einen pflegebedürftigen Elternteil zu Lebzeiten gepflegt, ist es berechtigt, nach dem Ableben des Elternteils bei der Erbschaftsteuer den sog. Pflegefreibetrag in Anspruch zu nehmen. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 10. Mai 2017 II R 37/15 entgegen der Verwaltungsauffassung entschieden hat, steht dem die allgemeine Unterhaltspflicht zwischen Personen, die in gerader Linie miteinander verwandt sind, nicht entgegen.
Im Streitfall war die Klägerin Miterbin ihrer Mutter. Diese war ca. zehn Jahre vor ihrem Tod pflegebedürftig geworden (Pflegestufe III, monatliches Pflegegeld von bis zu 700 €). Die Klägerin hatte ihre Mutter auf eigene Kosten gepflegt. Das Finanzamt (FA) gewährte den Pflegefreibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in Höhe von 20.000 € nicht. Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage statt.
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung des FG. Der Begriff “Pflege” ist grundsätzlich weit auszulegen und erfasst die regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer hilfsbedürftigen Person. Es ist nicht erforderlich, dass der Erblasser pflegebedürftig i.S. des § 14 Abs. 1 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI a.F.) und einer Pflegestufe nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. zugeordnet war.
Eine gesetzliche Unterhaltspflicht steht der Gewährung des Pflegefreibetrags nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nicht entgegen. Dies folgt aus Wortlaut, Sinn und Zweck sowie der Historie der Vorschrift. Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG schließt gesetzlich Unterhaltsverpflichtete nicht von der Anwendung der Vorschrift aus. Weder aus der gesetzlichen Unterhaltspflicht nach §§ 1601 ff., § 1589 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) noch aus der Verpflichtung zu Beistand und Rücksicht zwischen Kindern und Eltern nach § 1618a BGB folgt eine generelle gesetzliche Verpflichtung zur persönlichen Pflege. Damit entspricht die Gewährung des Pflegefreibetrags auch für gesetzlich Unterhaltsverpflichtete dem Sinn und Zweck der Vorschrift, ein freiwilliges Opfer der pflegenden Person zu honorieren. Zudem wird der generellen Intention des Gesetzgebers Rechnung getragen, die steuerliche Berücksichtigung von Pflegeleistungen zu verbessern. Da Pflegeleistungen üblicherweise innerhalb der Familie, insbesondere zwischen Kindern und Eltern erbracht werden, liefe die Freibetragsregelung bei Ausschluss dieses Personenkreises nahezu leer.
Die Höhe des Freibetrags bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Vergütungssätze von entsprechenden Berufsträgern können als Vergleichsgröße herangezogen werden. Bei Erbringung langjähriger, intensiver und umfassender Pflegeleistungen -wie im Streitfall- kann der Freibetrag auch ohne Einzelnachweis zu gewähren sein.
Der Entscheidung des BFH kommt im Erbfall wie auch bei Schenkungen große Praxisrelevanz zu. Die Finanzverwaltung hat bislang den Freibetrag nicht gewährt, wenn der Erbe dem Erblasser gegenüber gesetzlich zur Pflege oder zum Unterhalt verpflichtet war (Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011 R E 13.5 Abs. 1 Satz 2). Auf dieser Grundlage hatte das FA die Gewährung des Freibetrags auch im Streitfall verwehrt. Dem ist der BFH entgegengetreten. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass der Erbe den Pflegefreibetrag nach dem Urteil des BFH auch dann in Anspruch nehmen kann, wenn der Erblasser zwar pflegebedürftig, aber z.B. aufgrund eigenen Vermögens im Einzelfall nicht unterhaltsberechtigt war.