Ausbildungsstätte als regelmäßige Arbeitsstätte

Leitsatz (eigener)

Wenn bei einem Soldaten auf Zeit im Rahmen einer Berufsförderungsmaßnahme eine Ausbildung durchgeführt worden ist, liegt bei dem Ort der Ausbildung eine regelmäßige Arbeitsstätte vor.

FG Niedersachsen 03.08.2011 Az. 4 K 40/11

Sachverhalt:

Der Kläger war bis zum 30. Juni 2009 Soldat auf Zeit und bezog als solcher im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Durch Bescheid vom 29. November 2007 bewilligte das Kreiswehrersatzamt dem Kläger die Förderung einer beruflichen Bildungsmaßnahme nach § 5 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG). Hierbei handelte es sich um die in der Zeit von Februar 2008 bis Januar 2010 in Vollzeitform durchgeführte Ausbildung an der A-Schule in B. Für die Zeit von Februar 2008 bis Juni 2009 wurde der Kläger vom militärischen Dienst freigestellt.

Begründung:

Regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG ist der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers. Während dies nach der Verwaltungsauffassung unabhängig davon gelten soll, ob es sich dabei um eine Einrichtung des Arbeitgebers handelt (R 9.4 Abs. 3 Satz 1, zweiter Satzteil LStR 2008), hat der BFH den Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte in seiner neueren Rechtsprechung auf betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers beschränkt und daraus den Schluss gezogen, dass Einrichtungen eines Kunden des Arbeitgebers selbst dann keine regelmäßige Arbeitsstätte sein könnten, wenn der Arbeitnehmer dort längerfristig eingesetzt ist oder im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses tätig wird.

Andererseits hat der BFH die von einem Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum zum Zweck eines Vollzeitunterrichts aufgesuchte Bildungseinrichtung als regelmäßige Arbeitsstätte angesehen und es für möglich gehalten, dass bei einem aus Erwerbszwecken absolvierten Studium die Universität den ortsgebundenen Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen bildet. Hiervon ist auch er nicht abgerückt; er hat darin lediglich klargestellt, dass eine andere Beurteilung geboten ist, wenn ein Arbeitnehmer neben seiner Vollbeschäftigung mit regelmäßiger Arbeitsstätte eine zeitlich befristete Bildungsmaßnahme an einem anderen Ort absolviert.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die von dem Kläger besuchte A-Schule während des gesamten Streitjahrs als seine regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen.

Für die Zeit bis zum 30. Juni 2009 folgt dies daraus, dass sich das Dienstverhältnis des Klägers durch die von dem Kreiswehrersatzamt verfügte Freistellung vom militärischen Dienst in ein Ausbildungsdienstverhältnis verwandelt hatte, bei dem dieser seinen Arbeitslohn nicht mehr als Gegenleistung für die Zur-Verfügung-Stellung seiner Arbeitskraft, sondern für die Teilnahme an der Fachausbildung erhielt. Damit konnte nur noch die zu diesem Zweck besuchte Bildungseinrichtung den ortsgebundenen Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit bilden. Dem Umstand, dass es sich nicht um eine Einrichtung seines Arbeitgebers handelte, kann keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden, weil sich anderenfalls eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber solchen Steuerpflichtigen ergäbe, denen außerhalb eines solchen Dienstverhältnisses durch eine Berufsausbildung Erwerbsaufwendungen erwachsen.

Für die Zeit ab dem 1. Juli 2009 können die als regelmäßige Arbeitsstätte in Betracht kommenden Ausbildungsstätten schon deshalb nicht auf Einrichtungen des Arbeitgebers beschränkt werden, weil das Dienstverhältnis des Klägers als Soldat auf Zeit am 30. Juni 2009 abgelaufen war und er damit keinen Arbeitgeber mehr hatte, in dessen Einrichtungen er hätte tätig werden können. Dass der Kläger nach dem 30. Juni 2009 noch Übergangsgebührnisse gemäß § 11 SVG erhielt, steht dieser Beurteilung nicht entgegen, weil es sich dabei nicht um Bezüge aus einem gegenwärtigen, sondern aus einem früheren Dienstverhältnis (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) handelte.

Die Einordnung der A-Schule als regelmäßige Arbeitsstätte ist auch im Hinblick auf den Regelungszweck des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG sachgerecht. Die sich daraus ergebende Beschränkung des Werbungskostenabzugs trägt dem Umstand Rechnung, dass der Steuerpflichtige bei einer auf Dauer angelegten Arbeitsstätte die Möglichkeit hat, – z.B. durch Bildung von Fahrgemeinschaften, durch Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder durch eine entsprechende Wohnsitznahme – auf eine Minderung der Wegekosten hinzuwirken. Unter diesem Gesichtspunkt befand sich der Kläger beim Besuch der A-Schule aber in keiner anderen Situation, als wenn er eine Bildungseinrichtung der Bundeswehr besucht hätte oder – ohne Freistellung vom militärischen Dienst – für die restliche Dauer seiner Dienstzeit an einen anderen Standort versetzt worden wäre.