Das Finanzgerichts Münster hat entschieden, dass gemäß der durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 geschaffenen Neuregelungen der §§ 33 Abs. 4 EStG, 64 EStDV erneut erhöhte Anforderungen an den Nachweis von Krankheitskosten gelten und diese gesetzliche Regelung rückwirkend auf alle offenen Fälle anzuwenden sei..
FG Münster Urteil vom 18. Januar 2012, 11 K 317/09 E
Begründung:
Der Bundesfinanzhof hat in 2010 seine langjährige Rechtsprechung zum Nachweis von Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation daher nur schwer zu beurteilen ist, aufgegeben. Er hatte klargestellt, dass ein formalisierter Nachweis der medizinischen Notwendigkeit durch ein vorheriges amtsärztliches Attest nicht erforderlich sei.
Dieser Rechtsprechungsänderung ist der Gesetzgeber im Steuervereinfachungsgesetz 2011 entgegen getreten. Nunmehr verlangt der Gesetzgeber formalisierte Nachweise, und zwar in allen noch offenen Fällen. Dieser rückwirkenden Abwebdung der gesetzlichen Änderung aus 2011 schließt sich das FG Münster an.
Das FG führt in seiner Begründung aus, dass die gesetzliche Neuregelung sei auch im Streitfall zu beachten, denn sie gelte in allen Fällen, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt sei (Art. 2 Nr. 9 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011). Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip sei nicht zu erkennen. Ein solcher ergebe sich auch nicht aus der vorgesehenen Rückwirkung der gesetzlichen Neuregelung, denn diese sei ausnahmsweise zulässig. Der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung nämlich lediglich die Rechtslage rückwirkend festgeschrieben, die bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung der einhelligen Rechtsanwendungspraxis entsprochen habe. Dies sei zulässig und verletze auch kein schutzwürdiges Vertrauen der Kläger.
Der Bundesfinanzhof habe erst Ende 2010 seine langjährige Rechtsprechung aufgegeben und auf den formalisierten Nachweis durch ein vorab erstelltes amtsärztliches Attest verzichtet. In Anbetracht dieser Situation hätten die Kläger im Streitjahr 2007 keinen Anlass gehabt anzunehmen, dass sie die streitigen Aufwendungen anders als durch Vorlage eines amtsärztlichen Attestes nachweisen könnten.
Revision ist beim BFH zugelassen.