Werbungskostenabzug bei Teilnahme an Auslandsgruppenreisen

Zur Klärung der beruflichen Veranlassung bei Teilnahme an einer Auslandsgruppenreise sind auch nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672) die früher entwickelten Abgrenzungsmerkmale weiter anzuwenden. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige mit der Teilnahme an der Reise eine allgemeine Verpflichtung zur beruflichen Fortbildung erfüllt oder die Reise von einem Fachverband angeboten wird.

Die Feststellung und Würdigung der beruflichen bzw. privaten Veranlassungsbeiträge obliegt den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz.

BFH Urteil vom 19.1.2012, VI R 3/11

Begründung:

Aufwendungen für der beruflichen Fortbildung dienende Reisen sind demnach als Werbungskosten abziehbar, wenn sie beruflich veranlasst sind. Ob dies der Fall ist, ist durch Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des BFH vor Ergehen des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672) setzte der Abzug von Reisekosten als Werbungskosten voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Dies ist zum einen dann zu bejahen, wenn ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt (z.B. das Aufsuchen eines Geschäftsfreunds, das Halten eines Vortrags auf einem Fachkongress oder die Durchführung eines Forschungsauftrags) und die Verfolgung privater Interessen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet.

Gleiches gilt, wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt und die Verfolgung privater Interessen wie Erholung, Bildung und die Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises nach dem Anlass der Reise, dem vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nicht ins Gewicht fällt und nur von untergeordneter Bedeutung ist. Waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so waren die gesamten Reisekosten vom Abzug ausgeschlossen, soweit sich nicht ein beruflich veranlasster Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben sicher und leicht abgrenzen ließ.

Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 ist nunmehr davon auszugehen, dass § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot normiert, so dass die Vorschrift einer Aufteilung von gemischt veranlassten, aber anhand ihrer beruflichen und privaten Anteile trennbaren Reisekosten nicht entgegensteht. Sind berufliche und private Veranlassungsbeiträge einer Reise jeweils nicht von untergeordneter Bedeutung, kommt ein Abzug der auf den beruflich veranlassten Anteil entfallenden Aufwendungen in Betracht. Entsprechend dem unterschiedlichen Gewicht der Veranlassungsbeiträge sind die Reisekosten im Verhältnis der beruflich und privat veranlassten Reiseanteile aufzuteilen. Im Einzelfall kann es auch erforderlich sein, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder von einer Aufteilung abzusehen.

Betreffend Auslandsgruppenreisen gelten die entwickelten Grundsätze fort. Neben einer fachlichen Organisation ist daher für eine berufliche Veranlassung vor allem maßgebend, dass das Programm auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten und der Teilnehmerkreis im Wesentlichen gleichartig (homogen) ist. Von Bedeutung ist auch, ob die Teilnahme freiwillig ist oder ob der Steuerpflichtige einer Dienstpflicht nachkommt.

Aus welchen Gründen der Steuerpflichtige eine bestimmte Reise unternommen hat, hat das FG als Tatsacheninstanz anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Kann die berufliche Veranlassung einer Reise nicht festgestellt werden, so gehen Zweifel zu Lasten des Steuerpflichtigen.