Erbschaftsteuer; Berechnung des Zehnjahreszeitraums des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG

Der für die Berücksichtigung von Vorerwerben maßgebliche Zehnjahreszeitraum des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist rückwärts zu berechnen. Dabei ist der Tag des letzten Erwerbs mitzuzählen.

Bei der Berechnung des Zehnjahreszeitraums des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist § 108 Abs. 3 AO nicht anzuwenden.

BFH Urteil vom 28.3.2012, II R 43/11

Begründung:

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Durch diese Regelung soll gewährleistet werden, dass die Freibeträge innerhalb des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums nur einmal angewendet werden und sich für mehrere Erwerbe gegenüber einer einheitlichen Zuwendung in gleicher Höhe kein Progressionsvorteil ergibt. Die einzelnen Erwerbe bleiben jedoch selbständige steuerpflichtige Vorgänge, die jeweils für sich der Steuer unterliegen. Dabei ordnet § 14 Abs. 1 ErbStG für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums eine besondere Steuerberechnung an.

Der Zehnjahreszeitraum des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist ausgehend vom letzten Erwerb rückwärts zu berechnen. § 14 ErbStG regelt die Besteuerung des Letzterwerbs, wenn der Erwerber mehrere Vermögensvorteile "innerhalb von zehn Jahren" erlangt hat. Dieser Zeitraum ist entsprechend § 187 Abs. 2 und § 188 Abs. 2 Alternative 2 BGB zu berechnen. Der Letzterwerb ist nach dem Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG kein Ereignis i.S. des § 187 Abs. 1 BGB. Die Einstufung als Ereignis würde dazu führen, den Tag des Letzterwerbs bei der Fristberechnung außer Betracht zu lassen. Dem würde aber widersprechen, dass die Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG voraussetzt, dass Letzterwerb und Vorerwerb "innerhalb" des Zehnjahreszeitraums liegen. Deshalb umfasst die Frist des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG den Tag der Steuerentstehung des letzten Erwerbs. Bei der Berechnung des Zehnjahreszeitraums kommt es nicht auf die genaue Uhrzeit der Erwerbe an; abzustellen ist vielmehr auf volle Kalendertage. Der Zehnjahreszeitraum beginnt demnach –wegen der Rückwärtsberechnung– mit dem Ende des Tages, an dem der letzte Erwerb erfolgt ist.

Das Ende des Zehnjahreszeitraums bestimmt sich analog § 188 Abs. 2 Alternative 2 BGB. Danach endet die Frist in den Fällen des § 187 Abs. 2 BGB mit dem Beginn desjenigen Tages des letzten Monats der Frist, welcher dem Tage nachfolgt, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. Im Streitfall ist der Wert des Erwerbs vom 31. Dezember 1998 bei der Berechnung der Schenkungsteuer für den Erwerb vom 31. Dezember 2008 nicht zu berücksichtigen.