Bilanzkorrektur nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs bei fehlerhafter Aktivierung eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Anlagevermögens

Wurden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines abnutzbaren Wirtschaftsguts des Anlagevermögens in einem bestandskräftig veranlagten Jahr nur unvollständig aktiviert, führt der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs zu einer erfolgswirksamen Nachaktivierung im ersten verfahrensrechtlich noch offenen Jahr.   

Im Fall der fehlerhaften Aktivierung eines Wirtschaftsguts ist die BFH-Rechtsprechung zur Korrektur überhöhter AfA-Sätze nicht einschlägig.   

Bei einer Teilbetriebsveräußerung muss keine Schlussbilanz aufgestellt werden; der Veräußerungsgewinn ist –ggf. im Rahmen einer Schätzung– unter Berücksichtigung der Grundsätze der §§ 4 und 5 EStG zu ermitteln.

BFH Urteil vom 9.5.2012, X R 38/10

Begründung:

Der begünstigte Veräußerungsgewinn ist vom laufenden Gewinn des Gesamtbetriebs abzugrenzen, ohne dass bei einer Teilbetriebsveräußerung eine Schlussbilanz aufzustellen ist. Der Wert des Betriebsvermögens ist nach den Grundsätzen der §§ 4 Abs. 1, 5 EStG auf den Zeitpunkt der Veräußerung zu schätzen (unten 1.). Der Ablösungsbetrag im Jahr 1998 war als Teil der Herstellungskosten der Mietereinbauten zu aktivieren (unten 2.). Die fehlerhafte Nichtaktivierung des Ablösungsbetrags kann nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs entsprechend nachgeholt werden (unten 3.).

 

Als Herstellungskosten nach § 5 EStG i.V.m. § 255 Abs. 2 HGB sind Ablöseverpflichtungen, die in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Herstellung eines Gebäudes anfallen, zu aktivieren . Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass der Ablösungsbetrag für die Kfz-Stellplätze im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den Baumaßnahmen am Mietgrundstück stand, so dass er bei den Herstellungskosten der Mietereinbauten hätte aktiviert werden müssen.

Nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs müssen Bilanzen für Zwecke der Veranlagung und der Gewinnfeststellung grundsätzlich im Fehlerjahr und in den Folgejahren berichtigt werden. Ist eine solche Berichtigung jedoch nicht mehr möglich, weil die Feststellungs- oder Steuerbescheide bereits formell und materiell bestandskräftig sind, ist die erfolgswirksame Korrektur in der Schlussbilanz des ersten Jahres nachzuholen, in der sie mit steuerlicher Wirkung möglich ist. Diese Grundsätze sind ebenso zu beachten, wenn bei einer Teilbetriebsveräußerung auch ohne Erstellung einer Schlussbilanz der Veräußerungsgewinn zu ermitteln ist.

Der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs gilt nicht ausnahmslos; er kann sowohl unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben als auch dann durchbrochen werden, wenn der fehlerhafte Bilanzansatz (bestandskräftig) in den Vorjahren ohne Auswirkung auf die Höhe der festgesetzten Steuern geblieben ist.

Typische Fälle von erfolgswirksamen Gewinnkorrekturen aufgrund des formellen Bilanzenzusammenhangs sind hingegen nach der Rechtsprechung des BFH u.a. versehentlich nicht oder falsch in der Bilanz ausgewiesene Forderungen, teilweise nicht aktiviertes Vorratsvermögen oder zu Unrecht passivierte Darlehensschulden.